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21.11.09 / Vermittlung unerwünscht? / Das Geschäft mit den Arbeitslosen: Weiterbildung ohne Konzept und staatliche Kontrolle

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-09 vom 21. November 2008

Vermittlung unerwünscht?
Das Geschäft mit den Arbeitslosen: Weiterbildung ohne Konzept und staatliche Kontrolle

Masse statt Klasse lautet offenbar das Credo bei der Weiterbildung von Arbeitslosen. Zahlreiche Bildungsträger versuchen so viele Bildungsgutscheininhaber so lange wie möglich als Kunden zu halten.

Schon beim Überfliegen der eingegangenen Bewerbungen beginnt die Personalsachbearbeiterin einer Zeitarbeitsfirma mit dem Aussortieren. Anschreiben von Arbeitslosen, deren Ausbildung nur an der „Grone“-Schule erfolgte, werden sofort zurückgesandt. Im Laufe der letzten Jahre haben immer mehr Arbeitgeber die Erfahrung gemacht, dass das Niveau der Absolventen der „Grone“-Schule, die sich seit 1895 für die berufliche Qualifizierung von Menschen engagiert, und auch anderer für die Arbeitsagentur tätiger Bildungsträger gesunken ist. Das verwundert zwar auf den ersten Blick, ist das Angebot doch vielseitig und wird von der Nürnberger Behörde auch geprüft, doch unter der Oberfläche offenbaren sich zahlreiche Defizite.

Zwar wurde mit den Hartz-Gesetzen ab 2003 die von der Arbeitsagentur geförderte Weiterbildung (siehe Kasten) reformiert, auch wurden Qualitätsstandards eingeführt, doch danach geschah nichts mehr. Etliche Milliarden gab die Arbeitslosenversicherung 2008 für die Qualifizierung von Arbeitslosen aus, auch wenn für Weiterbildung nur 670 Millionen Euro ausgeweisen sind. Alles andere fimiert unter Formulierungen wie „vertiefte Berufsorientierung“. 2009 wird dieser Betrag noch steigen, da aufgrund der Wirtschaftskrise dieKurzarbeit zugenommen hat. Und auch Kurzarbeiter erhalten auf Kosten der Arbeitsagenturen Weiterbildungskurse.

Und so machten auch sie die Erfahrung, dass einige Kurse eher einer Beschäftigungstherapie gleichkamen als einer Qualifizierung. Da es keine allgemein gültigen Standards gibt, kann jeder Bildungsträger seine Kurse selbst gestalten. Doch jener Gestaltungsspielraum wird im Massengeschäft der Weiterbildung auch aufgrund mangelnder Kontrollen wenig genutzt. So berichten Dozenten, dass sie ohne Lehrplan in Kurse geschickt wurden. Was die jeweilige Lehrkraft dann unter Oberbegriffen wie „Finanzen“ versteht, kann von der Aufstellung eines Haushaltsplanes bis zur Erklärung der Bankenkrise reichen.

Auch stellt das Lehrpersonal selber einen Schwach-punkt im System dar. Nur ein Teil hat eine Ausbildung für einen Lehrberuf durchlaufen beziehungsweise Lehr-erfahrung. Überhaupt ist der Hauptanspruch an die Dozenten, dass sie billig sind. Um die zehn bis 15 Euro die Stunde erhalten sie, was zur Folge hat, dass vor allem an Unterbezahlung gewöhnte Sozialpädagogen oder Studenten diese Jobs übernehmen.

Trotz dieser Qualitätslücken laufen die Arbeitnehmervertreter, sprich die Gewerkschaften, nicht Sturm. Da sich unter dem Dach der Gewerkschaften auch Bildungsträger befinden, verdienen diese an dem jetzigen System mit. Gerade in Zeiten sinkende Mitgliederzahlen bieten Inhaber von staatlich finanzierten Bildungsgutscheinen eine willkommene Einnahmequelle. Das Interesse, die Seminarteilnehmer schnell in den Arbeitsmarkt zu integrieren und sie somit als „Kunden“ zu verlieren, ist daher bei den gewerkschaftlichen Bildungsträgern ähnlich wie bei den privaten.

Dass es auch anders geht, beweisen die Handwerkskammern. Die Selbstverwaltungseinrichtung des Handwerks einer Region vereint Arbeitgeber. Diese haben ein Interesse daran, dass die Absolventen der von ihnen angebotenen Kurse qualifizierte Arbeitnehmer sind. „Man muss solche Weiterbildungsmaßnahmen differenziert betrachten. Unsere Schweißtechnische Lehr- und Versuchsanstalt Nord macht sehr gute Erfahrungen. Die Nachfrage ist hoch und wir bieten entsprechende Qualifikationen“, so die Handwerkskammer Hamburg. Rebecca Bellano

Foto: Bei Bildungsträgern heiß begehrt: Der vom Arbeitsamt bezahlte Bildungsgutschein ist gutes Geld wert.


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