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21.11.09 / Eine gezielte Kugel traf ihn von hinten / PAZ-Serie über ostpreußische Märtyrer (Teil 3): Kuratus Hubert Groß

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-09 vom 21. November 2008

Eine gezielte Kugel traf ihn von hinten
PAZ-Serie über ostpreußische Märtyrer (Teil 3): Kuratus Hubert Groß

Von Nationalsozialisten wie Bolschewisten verfolgt, fiel Kuratus Hubert Groß in Ostpreußens Hauptstadt schließlich einer russischen Militärstreife zum Opfer.

Nur wenige Priester und Pastoren blieben Anfang 1945 noch in Ostpreußen, nachdem der Evakuierungsbefehl schon erteilt worden war. Dazu gehörte der als Hilfsgeistlicher eingesetzte „Kuratus“ Hubert Groß. Nach der Evakuierung von Ludwigsort im Februar 1945 ging Groß zunächst nach Pillau. Hier gab es noch die Möglichkeit zur Flucht per Schiff nach Dänemark. Aber der Geistliche blieb dort, auch als der Ort Mitte April total geräumt wurde, um sich gemeinsam mit dem Redemptoristenpater Max Caspar der großen Zahl der ins Samland verschlagenen Katholiken anzunehmen. Das Wort Jesu stand ihm dabei vor Augen: „Der gute Hirt gibt sein Leben hin für die Schafe. Der bezahlte Knecht aber, der nicht Hirt ist und dem die Schafe nicht gehören, lässt die Schafe im Stich und flieht, wenn er den Wolf kommen sieht“ (Joh 10,11 f.).

Nach der Eroberung Pillaus schrieb Pfarrer Groß an seine leiblichen Geschwister: „Ich habe nichts als mein Leben gerettet. Nach vielen Strapazen und sechs Lagern bin ich im Mai nach Königsberg entlassen worden, zusammen mit Pastor Casper. Grauen packte uns, als wir Königsberg sahen.“ So nahm er sich der verwaisten Pfarrei Amalienau an, bis auch er vom Typhus gepackt wurde. Entgegen aller Erwartung – seinem Bischof hatte man seinen Tod bereits gemeldet – genas der Priester jedoch von seiner Krankheit.

Trotz schwierigster Umstände und geschwächter Gesundheit machte sich Groß danach öfters zu Fuß von Königsberg nach Heiligenbeil und Ludwigsort auf, wo er seit 1941 die Gemeinde betreut hatte. Nur noch vier deutsche Familien fand er dort vor. Die katholische Kirche wurde von den Russen als Pferdestall benutzt. So hielt der Priester die Heilige Messe in der Volksschule ab. Einmal wurde er unterwegs ausgeplündert und verlor seinen wertvollen Kelch und das Messgewand.

Als mutiger Mann war Kaplan Groß schon während der nationalsozialistischen Regierung hervorgetreten. Der Seelsorger versuchte, die Jugend, die ihm anvertraut war, mit allen Mitteln der Staatsjugend zu entziehen. In einem Lagebericht an die Gestapo hieß es 1935: „Eine besondere Tätigkeit in dieser Beziehung entfaltete Kaplan Groß in Frauenburg. Groß hat in dem bischöflichen Dom ein Jugendheim eingerichtet und hält in diesem streng geheim wöchentliche Versammlungen ab. Auffallend ist eine Anweisung von Kaplan Groß an die Mitglieder der Christus-Jugend, sich unter die HJ und SA zu mischen und dort ihren Einfluss geltend zu machen.“

Trotz des Verbots durch das Reichskirchenministerium verlas Groß 1937 den Fastenhirtenbrief seines Bischofs Maximilian Kallers, der „Angriffe auf Führer und Staat in einer bisher noch nie da gewesenen Form“ – so der offizielle Lagebericht – enthalte. Als sich Kaplan Groß in einer Predigt gegen die Untergrabung der elterlichen Autorität durch den Staat wandte, wurde er „wegen angeblich heimtückischer Predigtäußerungen“ angezeigt und durch das Sondergericht Königsberg am 28. Juli 1937 zu einer achtmonatigen Gefängnisstrafe verurteilt.

Während seiner Haft von Juli 1937 bis April 1938 in Braunsberg, bei der er vielfältige Schikanen durch das Wachpersonal zu erdulden hatte, lernte er das Neue Testament auswendig. Durch das berühmte Buch, „Die Nachfolge Christi“ von Thomas von Kempen, das er ebenfalls während seiner Haftzeit las, sah er sich tief gestärkt. Demonstrativ holte ihn Dompropst Sander bei seiner Entlassung vom Gefängnis ab und führte ihn offiziell an seine Kaplansstelle zurück, wo er von der Jugend herzlich begrüßt wurde.

Nach seiner Haft wurde er fortwährend von der Gestapo bespitzelt. Sein Nachfolger an der Kirche in Frauenburg, Pfarrer Nikolaus Schwinden aus der Diözese Trier, würdigte Hubert Groß vor allen Dingen für seinen Widerstand gegen die örtlichen und übergeordneten Behörden und Parteistellen. So konnte im Jahre 1938 in Ludwigsort eine Kirche eingeweiht werden. Dorthin kamen aus der zerstreuten Gemeinde und in der Kriegszeit auch mehrere hundert dienstverpflichtete Arbeiterinnen und Angestellte einer großen Munitionsfabrik zum Gottesdienst. Auch das gute Verhältnis des noch jungen, 1908 geborenen Geistlichen zu den evangelischen Pfarrern der Umgebung fand rückblickend besondere Anerkennung.

An seiner letzten Wirkungsstätte, in Königsberg, erfüllte ihn schließlich die Ahnung, „dass er die Stadt lebend nicht verlassen würde“. Seit geraumer Zeit hatten sich in Königsberg die Rotarmisten in seiner direkten Umgebung niedergelassen. Unschwer konnten sie den Geistlichen an seiner Kleidung erkennen. Nicht selten gingen sie hasserfüllt gegen die Kirche vor. Als Pfarrer Groß am Abend des 19. Januar 1947 das örtliche Elisabeth-Krankenhaus betreten wollte, traf ihn von hinten die gezielte Kugel einer russischen Militärstreife. Mit dem Schrei „Mein Gott!“ auf den Lippen starb der Seelsorger schon nach wenigen Minuten.

„Die Liebe zu den Ermländern ließ ihn im Samland bleiben“, sagte der Pfarrer bei Groß’ Beerdigung. So vollendete sich ein Lebenslauf, der trotz seiner Kürze bis heute ein lebendiges Zeichen blieb. Von einem Weggefährten wurde er als „ein richtiges Sonnenkind“ beschrieben. Von allen Priestern des Ermlands sei er der innerlich fröhlichste gewesen. Dabei sei er manchmal ein wenig mehr auf den Wolken des Himmels als auf den Steinen der Erde gewandelt, was einem Geistlichen allerdings gut anstehe. Seine tiefsten Wurzeln seien jedoch nicht in seinem fröhlichen Gemüt, sondern in seinem Herrn Jesus Christus gewesen.             Hinrich E. Bues

Nach: „Zeugen für Christus – Das deutsche Martyrologium des 20. Jahrhunderts“, herausgegeben von Helmut Moll im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz, 4., vermehrte und aktualisierte Auflage, Paderborn 2006.

Foto: Elisabeth-Krankenhaus in Königsberg: Hier fand Hubert Groß (links oben) 1947 den Tod.


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