25.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
21.11.09 / Literatur-Preis für Bohlen? / Michael Jürgs erklärt, warum der Modern-Talking-Star fast noch Niveau hat

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-09 vom 21. November 2008

Literatur-Preis für Bohlen?
Michael Jürgs erklärt, warum der Modern-Talking-Star fast noch Niveau hat

Nach den „Feuchtgebieten“ von Charlotte Roche steht nun seit Wochen das Buch „Seichtgebiete“ von Michael Jürgs in den Bestsellerlisten, doch außer dem ähnlich klingenden Titel haben die beiden Veröffentlichungen nicht viel gemein. Bestenfalls kann man die „Feuchtgebiete“ als ein Symptom der von Jürgs in seinem Buch beschriebenen Verblödung der Nation bezeichnen.

Jürgs, ehemaliger Chefredakteur des Magazins „Stern“, nimmt sich, wie der Untertitel seines Buches „Warum wir hemmungslos verblöden“ schon anzeigt, der kulturell-geistigen Umnachtung der Deutschen an. Hier fängt er mit dem Fernsehen an. Dabei kommen die öffentlich-rechtlichen Sender mit ihren Musikantenstadteln kaum besser weg als die privaten Sender mit ihrer ständigen Suche nach Superstars. Zwar würden beide Sparten unterschiedliche Zielgruppen ansprechen, doch der Verblödung täte dies keinen Abbruch.

Gleich zu Beginn seines Buches betont der Autor, er wolle nicht der intellektuellen Arroganz anheimfallen, auch Besserwisserei wolle er sich verkneifen, doch schon kurz danach gelingt es ihm nicht mehr. „Die in diesem Zusammenhang rein zufällig passende Metapher des unvergessenen Heinz Erhardt, wonach viele deshalb einen Kopf besitzen, damit sie ihr Stroh nicht mit beiden Händen tragen müssen, beweist nur, dass Verblödung kein neues Phänomen ist. Früher waren nicht schon automatisch alle besser, weil alles besser war oder die Klugen klüger oder die Blöden gar nicht blöd.“

„Explosiv“, „taff“, das Dschungelcamp, Raab und Pocher − Jürgs zieht alles durch den Kaokao. Vor allem den Komiker Mario Barth watscht er über zig Seiten kräftig ab. „Verglichen mit dem Mario aller Marios sind die anderen Superstars des Genres würdige Kandidaten für den Ludwig-Börne-Preis. An dieser Stelle ist deshalb Reue angebracht … für alle auch persönlich verbreiteten Beleidigungen des Modern-Talking-Monsters Dieter Bohlen.“

Auch auf die Lage an deutschen Schulen geht der Autor ein. Er nennt Beispiele, warum sich an den staatlichen Bildungsanstalten eher Unwissen als Wissen vermehrt. Danach wendet er sich den Fehlentwicklungen bei Buch- und Zeitungsverlagen zu.

Jürgs ätzt gegen fast alles und fast jeden. Doch da er in seiner Kritik genauso effektheischend und wenig feinsinnig vorgeht wie die von ihm Kritisierten, nervt er früher oder später. Schöne Sätze wie: „Eine Zielgruppe anzupeilen, ohne ein eigenes Ziel zu haben, endet in der Gruppendiskussion“ gehen leider unter. Da das Buch auch nur in zehn Kapitel unterteilt ist, fällt es schwer, es Häppchenweise zu konsumieren. Auf gerade mal zehn Seiten geht Jürgs auch auf Positives ein, ohne jedoch eine Perspektive aufzuzeigen, dieses weiterauszubauen.          R. Bellano

Michael Jürgs: „Seichtgebiete – Warum wir hemmungslos verblöden“, C. Bertelsmann, München 2009, 255 Seiten, 14,95 Euro


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren