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21.11.09 / Bürgertochter wird Terroristin / Porträt der Bolivien-Deutschen Ertl, die Ernesto Guevaras Mörder tötete

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 47-09 vom 21. November 2008

Bürgertochter wird Terroristin
Porträt der Bolivien-Deutschen Ertl, die Ernesto Guevaras Mörder tötete

Sie gilt als Rächerin Che Guevaras: die Bolivien-Deutsche Monika Ertl, 1937 geboren als Tochter des in der NS-Zeit bekannten Kameramanns, Alpinisten und Abenteurers Hans Ertl. Man lastet ihr den Mord an dem bolivianischen Generalkonsul Roberto Quintanilla am 1. April 1971 in dessen Hamburger Domizil an, ohne dass ihre Täterschaft nachgewiesen werden konnte.

1953 war die Familie nach Bolivien ausgewandert, wo sich die junge Frau Ende der 1960er Jahre radikalisierte und sich der Guerillabewegung ELN anschloss. Bei der Erschießung Quintanillas, der zuvor als Chef des bolivianischen Geheimdienstes an der Verfolgung der Truppe um Ernesto „Che“ Guevara und insofern an dessen Exekution am 10. Oktober 1967 beteiligt gewesen war, handelte es sich um einen geplanten Racheakt.

Monika Ertl wurde von Interpol gesucht, in Bolivien war ein Kopfgeld von 20000 Dollar auf sie ausgesetzt. In einen Hinterhalt gelockt, wurde sie am 12. Mai 1973 am Stadtrand von La Paz erschossen, vermutlich von bolivianischen Sicherheitskräften.

Der Journalist Jürgen Schreiber hat den Fall neu aufgerollt und im Reportagestil dargestellt. „Sie starb wie Che Guevara – Die Geschichte der Monika Ertl“ lautet der Titel seines Buches, das auf umfangreichen Recherchen basiert, um das lückenhafte Wissen über die Hintergründe zu ergänzen. Es zeugt vom Ehrgeiz, noch spannender als spannend daherzukommen. Dabei ist der Stoff selbst fesselnd genug. 

Man muss sich als Leser immer wieder daran erinnern, dass der Autor bei den Szenen und Abläufen, die er oft im atemlosen Stakkato-Stil schildert, als Zeuge nicht dabei gewesen ist. Genau dies wird durch die übersteigerte Manier des Quasi-Draufhaltens mit Kamera und Mikrofon suggeriert. Als Quellen dienten Schreiber unter anderem die Bücher Hans Ertls und ein Interview mit ihm im Bayerischen Fernsehen nach der Ermordung seiner Tochter. Zudem konnte er sich auf die Auskünfte einiger Gewährsleute beziehen, darunter eines gewissen Alt-68ers in Hamburg, der über Anspielungen auf eine Mitwirkung von Angehörigen der damaligen linken Szene an der Ermordung Quintanillas hinaus aber wohl zu keinen weiteren Einlassungen bereit war. Um so mehr psychologisiert der Autor, insbesondere bei der Darstellung einer wichtigen Phase im Leben der Monika Ertl, nämlich deren Wandel von der Bürgertochter in eine Terroristin, die sich als ELN-Kämpferin das Pseudonym Imilla, (übersetzt: Indianermädchen) zulegte. Die Ursachen für ihren Rollenwechsel, die Loslösung aus der fest zementierten Klassengesellschaft des lateinamerikanischen Landes, waren für die jetzt noch lebenden Zeitzeugen, darunter ihre Schwester Trixi, offenbar nicht nachvollziehbar. Doch liegt Schreiber nicht falsch, wenn er auf den „Grundschmerz“ Boliviens hinweist: „Zinkbarone scheffelten Millionen, die Kapitalisten verteidigten ihre Pfründe, die ihnen Geburt und Hautfarbe verliehen hatten, und zwangen Indios in feudalistische Abhängigkeiten.“ Auch Monika Ertls Geliebter Inti Peredo, Nachfolger des „Commandante“ Che, fiel einem Anschlag zum Opfer. Sie selbst wurde nach Aussage ihres Schwagers von einem Freund, dem in Lateinamerika untergetauchten früheren Gestapo-Chef von Lyon Klaus Barbie alias Altmann, ans Messer geliefert. D. Jestrzemski

Jürgen Schreiber: „Sie starb wie Che Guevara – Die Geschichte der Monika Ertl“, Patmos Verlag 2009, geb., 285 Seiten, 19,90 Euro


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