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28.11.09 / Versorgungssicherheit in Gefahr / Bürgerinitativen und Energiekonzerne zeigen sich unversöhnlich − Kohlekraftwerksbau in Bedrängnis

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 48-09 vom 28. November 2009

Versorgungssicherheit in Gefahr
Bürgerinitativen und Energiekonzerne zeigen sich unversöhnlich − Kohlekraftwerksbau in Bedrängnis

Was in den 80er Jahren der Protest gegen die Atomkraft war, geht jetzt gegen die Kohlekraft. Die Politik unterstützt verstärkt die Protestler und gefährdet so die zukünftige Versorgung der Bürger und der Wirtschaft mit bezahlbarem Strom.

Gut 400 geladene Gäste waren zur Verleihung des Berliner Umweltpreises in das Rote Rathaus geladen worden. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) hielt die Laudatio für die Geehrte. Hierbei handelte es sich um die Bürgerinitiative „Nein zum Kohlekraftwerk“, deren Engagement von der Umweltorganisation BUND gar in Zusammenhang mit den „Wir sind das Volk“ rufenden DDR-Bewohnern gebracht wurde.

Bürgerinitiativen wie die der Lichtenberger liegen im Trend. Der „Spiegel“ unkt gar, der Widerstand gegen Kohlkraftwerke erinnere an den AKW-Protest in den 70er und 80er Jahren. Phantasievoll verkleidet machen die Protestler auf ihr Anliegen aufmerksam. Und so ließ sich auch Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) vom Sensenmann und anderen Gestalten, die auf den Anstieg der CO2-Emissionen von fünf auf acht Millionen Tonnen pro Jahr im Falle einer Erweiterung des Kohlekraftwerkes Staudinger hinwiesen, beeindrucken. Block 6 sei nicht genehmigungsfähig, so die Stadt in einer Stellungnahme letzte Woche. „Das Kohlekraftwerk wird nicht gebaut“, hieß es kurz zuvor auch aus Mainz. Die Umweltdezernentin Rita Thies (Grüne) veranlasste die Rücknahme des Vorbescheids für das Kraftwerk Mainz-Wiesbaden AG und beugte sich somit dem Druck der Bürgerinitiative „Kohlefreies Mainz“. 26 neue Kohlekraftwerke waren noch vor kurzem für Deutschland geplant, doch inzwischen fielen Ensdorf, Bremen, Berlin, Kiel und nun auch Mainz.

„Bis zum Jahr 2020 muss voraussichtlich ein großer Teil der Kraftwerksanlagen in Deutschland aus Altersgründen abgeschaltet werden. Bleibt es bei dem angekündigten Ausstieg aus der Kernenergie, verstärkt das den Bedarf an Ersatzkapazität noch zusätzlich“, gibt der Energiekonzern EnBW zu bedenken und betont, dass eine „langfristig zuverlässige, ökologisch und ökonomisch verantwortliche Stromversorgung“ sein Ziel sei.

Dass vor allem die vier großen Stromkonzerne Vattenfall, RWE, Eon und EnBW ihren Fokus auf den ökonomischen Aspekt gelegt haben, empfanden die meisten Stromkunden in den letzten Wochen so: Ihnen flatterten Benachrichtigungen über Strompreiserhöhungen ins Haus. Dabei tröstete es die Verbraucher wenig, dass laut Stromversorgern die Preissteigerungen auf das Gesetz für den Vorrang Erneuerbarer Energien (EEG) zurückzuführen seien. So solle die EEG-Umlage von ungefähr 1,1 Cent pro Kilowattstunde auf zwei Cent im nächsten Jahr steigen.

„Für einen vierköpfigen Haushalt macht das im nächsten Jahr 5,95 Euro an der Stromrechnung aus“, rechnete Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) vor und straft damit die Stromkonzerne Lügen, die eine deutlich höhere Summe veranschlagen. Röttgen lässt aber bei seiner Kritik unerwähnt, dass nicht nur die großen Vier, sondern auch führende Anbieter von Ökostrom die Preise erhöhen.

Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert, scheint in Sachen Preispolitik die Stimmung bei den großen, profitablen Stromversorgern zu sein. Und da sie trotz nachweisbaren Ausbaus der

Stromerzeugung durch Erneuerbare Energien derzeit als Buhmänner gelten und Politiker sich deswegen immer öfter dem Druck von Bürgerinitiativen beugen, haben die Stromerzeuger scheinbar nichts mehr zu verlieren.

Doch dem ist nicht so. Der Fall des nordrhein-westfälischen Dattelns könnte eine Symbolwirkung auf die weitere Nutzung der Kohlekraft haben. Dort bauen 1500 Arbeiter für Eon ein Kohlekraftwerk. Bereits 2004 zogen die Eon-Manager aus dem Vorwurf, sie würden alte, abgeschriebene Kohlemeiler am Netz lassen, anstatt in neue, effiziente Anlagen zu investieren, Konsequenzen. Und so planten sie eine neue Anlage, deren Wirkungsgrad mit 46 Prozent acht Punkte über dem bisheriger Meiler lag. Damals war der Widerstand gegen Kohlekraft noch nicht so groß, so dass auch die Politik alles daran setzte, schnell die Baugenehmigungen zu beschaffen und somit Arbeitsplätze in der Region zu sichern. Doch mit dem Gießen des Fundamentes 2007 wurde den Anwohnern bewusst, dass das neue Kraftwerk dreimal so groß war wie ihre vorherige 300-Megawatt-Anlage. Ein Bauer und der BUND klagten am Oberverwaltungsgericht in Münster, weil der neue 1055-Megawatt-Meiler nur den Vorgaben der CO2-Reduzierung entspreche, wenn noch andere alte Kraftwerke vom Netz genommen würden. Das Gericht erklärte darauf den Bebauungsplan für unwirksam. Eon ist fassungslos, hat es doch eine Milliarde Euro in den Neubau investiert. Jetzt droht ein Abriss, der eine weitere Milliarde verschlingen würde. Das sind Kosten, die auch den Strompreis erhöhen. Doch anstatt als Kompromiss andere Altanlagen zur Disposition zu stellen, zeigt sich Eon beleidigt. „Falls moderne Kraftwerke wie Datteln nicht genehmigt werden, werden ältere Anlagen, die deutlich mehr Kohle verbrauchen und mehr CO2 ausstoßen, länger am Netz bleiben.“ Doch damit wäre keinem geholfen und die zukünftige Versorgungssicherheit geriete gar in Gefahr. In Frankreich hat Stagnation bei der Modernisierung des Kraftwerkparks des französischen Stromriesen Electricité de France dazu geführt, dass deren Chef offen vor Engpässen bei der Versorgung gewarnt hat. Neben der Expansion ins Ausland, die Schulden in Höhe von 37 Milliarden Euro verursachte und den Blick auf das Inland verdrängte, haben dortige Atomkraftgegner die Modernisierung des weitgehend aus Atomkraftwerken bestehenden Kraftwerkparks verhindert.         Rebecca Bellano

Foto: Demonstranten gegen die Erweiterung des Kohlekraftwerks Staudinger bei Hanau: Unter dem Motto „Klima schützen − Kohle stoppen!" fordern sie, die Neubaupläne aufzugeben.


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