26.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
28.11.09 / Verteidiger erinnert an Albert Speer / Rote-Khmer-Prozess in Kambodscha: Wie wird ein zum Christentum bekehrter Scherge verurteilt?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 48-09 vom 28. November 2009

Verteidiger erinnert an Albert Speer
Rote-Khmer-Prozess in Kambodscha: Wie wird ein zum Christentum bekehrter Scherge verurteilt?

Das Beispiel von Hitlers Stararchitekten, der aufgrund seiner Mitarbeit bei den Nürnberger Prozessen zu „nur“ 20 Jahren Haft verurteilt wurde, soll in Kambodscha vor dem Rote-Khmer-Tribunal Kaing Guek Eav vor der Höchststrafe bewahren. Anders als Speer droht ihm aber nicht die Todesstrafe.

Hitlers Stararchitekt Albert Speer spielt derzeit posthum beim Völkermord-Tribunal in Kambodscha eine Rolle. Der französische Verteidiger des wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagten Kaing Guek Eav (als Duch [gesprochen „Deuk“] bekannt), Francois Roux, beruft sich auf die Nürnberger Prozesse nach dem Zweiten Weltkrieg. Speer hatte als einzige NS-Parteigröße Verfehlungen etwa bei der Einrichtung von Konzentrationslagern und der Zwangsarbeit zugegeben. Auch hatte er Reue bekundet, mit der Anklage kooperiert und so bei der Aufklärung von Hintergründen geholfen. Aus diesem Grund entging er der Todesstrafe zugunsten von 20 Jahren Haft.

Dieselbe Strategie wendet nun der versierte Strafverteidiger Roux vor dem Tribunal gegen Duch, den einstigen Chef des berüchtigten Haftlagers „S-21“ und ausgebildeten Mathematiklehrer, in Phnom Penh an und hofft für seinen 67-jährigen Mandanten auf entsprechende Milde.

Duch, der 1995 zum Christentum konvertierte und bis 1999 als Missionar unentdeckt im Lande lebte, verhält sich ähnlich wie der frühere Architekt und Chef der Rüstungsindustrie, erklärt dem Gericht komplizierte Dokumente und gibt Erklärungen dazu ab, wie er mit brutaler Effizienz das Gefängnis Tuol Sleng (S-21) leitete und dort für den grausamen Tod von über 15000 Menschen verantwortlich sein soll. Nur sieben überlebten. Er bittet nun diese ehemaligen Opfer darum, ihn, den Reuevollen, im Gefängnis zu besuchen.

„Er ist gut für diese Art der Verteidigung trainiert worden“, kommentiert Youk Chhang, Direktor des kambodschanischen Dokumentationszentrums, der von Amts wegen die Verbrechen der Roten Khmer aufzeichnet. Es gibt aber auch Stimmen im Lande, die in der Ausrichtung auf die Taktik Speers die Möglichkeit eines Fehlschlages wittern, denn viele Kambodschaner glauben den Reuebekenntnissen des ehemaligen Schlächters kein Wort und schon gar nicht, dass er seine Untaten nur aus Angst vor Pressionen gegen seine Familie und auf Weisung übergeordneter Stellen begangen habe. Oft genug soll er bei den Gräueln selbst mit Hand angelegt haben. „Auch Speer war, wie er, ein total blutleerer Bürokrat“, meint der Historiker Peter Maguite, der sich sowohl mit dem Nürnberger Tribunal als auch mit der Aufarbeitung der blutigen Geschichte der Roten Khmer beschäftigt.

Die kommunistischen Khmer unter ihrem Führer Pol Pot hatten in dem fernöstlichen Land von 1975 an ein nahezu beispiellos grausames Regime geführt und waren zum Teil unter Einsatz von Kindersoldaten an die Macht gekommen. 1979 endete nach dem Einmarsch vietnamesischer Truppen die Herrschaft der „Brüder“. Noch 1992 flammte der Bürgerkrieg wieder auf, als sich die Roten Khmer weigerten, ihre Waffen unter Aufsicht der UN abzuliefern, und bis 1995 wieder Tausende von Zivilisten in ihre Dschungel-Konzentrationslager an der thailändischen Grenze verschleppten.

Sofort nach der Machtübernahme Pol Pots hatte die Deportation der Einwohner von Phnom Penh auf die Reisfelder des Landes begonnen. Ebenso zwangen die neuen Machthaber die Bewohner anderer Kommunen zur Arbeit. Innerhalb weniger Tage glich die Kapitale des Landes einer Geisterstadt. Tausende Menschen starben auf den Märschen vor Entkräftung, die Überlebenden wurden zu Arbeitern „gewandelt“ und mussten schwarze Einheitskleidung tragen. Das Land entwickelte sich zu einem gigantischen Arbeits- und Gefangenenlager. Tagesarbeitszeiten von zwölf Stunden oder mehr waren angesagt. Geld wurde abgeschafft, Bücher verbrannt, fast die gesamte intellektuelle Elite des Landes ermordet, das Praktizieren  jedweder Religion verboten, hunderte von Klöstern, Moscheen und Kirchen zerstört.

Das Regime Pol Pots ist die einzige Diktatur, in der die Bevölkerung wegen Geheimhaltung nicht

wusste, wer sie unter der Bezeichnung „Angka“ (die Partei) regierte. Pol Pot trat nie öffentlich auf, es gab keine Biographie und keine Standbilder, nur einmal wurde er in der Öffentlichkeit als „Arbeiter einer Kautschukplantage“ gesichtet. Pol Pot starb 1998 unter ungeklärten Umständen.

Kambodscha ist das wohl am meisten heimgesuchte Land in Ostasien. Noch vor dem Terrorregime der Khmer wurde es von den USA in den Krieg gegen die Vietkong einbezogen und litt unter einem beispiellosen Flächenbombardement, das 200000 Menschen, meist Zivilisten, das Leben kostete. Von 1968 bis 1973 fielen mehr als 700000 Tonnen Bomben auf das kleine Land − doppelt so viel wie während des Zweiten Weltkriegs auf Japan. Nach dem Sturz des Terrorregimes wurden Massengräber mit 1,39 Millionen Toten entdeckt. Schätzungen gehen von bis zu drei Millionen Opfern aus.

Nach Duch, dessen Verurteilung für 2010 erwartet wird, sollen noch weitere „Brüder“ vor Gericht, so der Chefideologe Nuon Chea, der Außenminister Ieng Sary und seine Frau sowie Sozialminister Ieng Thirith. Sie behaupten zum Teil, von den Gräueln nichts gewusst zu haben.          Joachim Feyerabend

Foto: Bekundet Reue und hilft bei der Aufarbeitung: Kaing Guek Eav vor Gericht. Er weiß, dass keine Strafe dieser Welt seine furchtbare Schuld aufwiegen kann, und hofft auf die Vergebung in Jesus Christus.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren