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28.11.09 / Blutvergießen im vergessenen Eck / Der jemenitische Bürgerkrieg eskaliert – Saudi-Arabien greift ein

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 48-09 vom 28. November 2009

Blutvergießen im vergessenen Eck
Der jemenitische Bürgerkrieg eskaliert – Saudi-Arabien greift ein

Der Konflikt im Nordwesten des Jemen liefert seit kurzem Schlagzeilen: Saudische Bodentruppen sind in Gefechte mit „Huthi-Rebellen“ verwickelt, und die Luftwaffe fliegt Angriffe diesseits und jenseits der Grenze. Prompt ist die Rede von einem „Stellvertreter-Krieg“ mit dem Iran.

Solche Etikettierungen sind beliebt, denn sie erlauben es, mit minimalem Aufwand Ereignisse ins eigene Gedankengebäude einzuordnen. Leicht können dabei aber wesentliche andere Aspekte untergehen – besonders wenn es um den Nahen Osten geht. Auffällig ist jedenfalls, dass der Jemen-Konflikt von der Weltöffentlichkeit bisher kaum wahrgenommen wurde, obwohl er schon seit drei Jahren andauert, mehrere Tausend Tote und weit über 100000 Binnenflüchtlinge verursachte – und eine noch viel längere Vorgeschichte hat. Aber jetzt passt er eben zur Konfrontationspolitik gegenüber dem Iran.

Ob und wie der Iran im Jemen wirklich mitspielt, ist schwer zu sagen, denn neben den Behauptungen Saudi-Arabiens und der jemenitischen Regierung – angeblich wurde sogar ein Schiff mit iranischen Waffen abgefangen – gibt es keine unabhängigen Beweise dafür, dass der Iran die Aufständischen mit Waffen versorgt und sie in Somalia oder im Libanon ausbildet. Aber es gibt auch keine Gegenbeweise, und es wäre durchaus logisch, wenn die iranische Regierung tatsächlich die Gelegenheit nützte, um Verbündeten der USA Probleme zu machen.

Auf den Jemen-Konflikt passen allerdings auch andere Etiketten: Etwa Religionskrieg zwischen Sunniten und Schiiten. Oder Aufstand gegen eine der korruptesten Regierungen der Welt. Oder Stammeskrieg und somit schlichtweg Zerfallserscheinung eines gescheiterten Staates – so wie gegenüber auf der anderen Seite des Golfs von Aden in Somalia.

Die „Huthi“ sind kein „Stamm“, sondern eine politisch-religiöse Gemeinschaft, benannt nach ihrem Gründer Scheich Al-Huthi, der 2004 von Regierungstruppen ermordet wurde. In religiöser Hinsicht zählen die Huthi zu den schiitischen Saiditen, deren Zahl unter den über 40 Millionen Jemeniten je nach Sympathie und Manipulationsabsicht mit 20 bis 40 Prozent angegeben wird.

Die Begriffe „Religionskonflikt“ und „Stammeskonflikt“ sind insofern zutreffend, als Stammesführer – wie einst Europas Fürsten – stets für die konfessionelle Einheitlichkeit ihrer Leute sorgen. Die Saiditen sind benannt nach einem Nachfahren des Propheten Mohammed. Er hatte sich 740 gegen die Herrschaft der Omajaden-Kalifen erhoben und wurde getötet. Die Saiditen sind im Nordjemen konzentriert, wo bis 1962 saiditische Imame die geistliche und weltliche Herrschaft ausübten. Sie sind „Fundamentalisten“ in dem Sinn, dass sie nur die Lehrer der „ersten drei Generationen“ (beginnend mit Mohammed) anerkennen. Aber unter allen Schiiten stehen sie der sunnitischen Lehre am nächsten.

In der jüngeren Geschichte hat einiges zur Verschärfung der Gegensätze beigetragen: Die Hafenstadt Aden und der Südjemen kamen unter britische Herrschaft, während der Norden zeitweise unter türkischer und wahhabitischer (saudischer) Oberhoheit war. Nach dem Abzug der Briten 1967 wurde der Südjemen eine „Volksrepublik“ mit marxistischer Einheitspartei und Anlehnung an den Ostblock. Sie bestand bis 1990, bis zur Vereinigung mit der Republik Nordjemen, die nach Ende der Imam-Monarchie 1962 gegründet worden war. Der Nordjemen war ab 1958 Teil der „Vereinigten Arabischen Staaten“ und 1962 bis 1967 de facto mit Ägypten verei-nigt. Im gebirgigen, von Regierungstruppen kaum kontrollierbaren Norden kam es immer wieder zu Guerilla-Aktionen von Anhängern der gestürzten Monarchie.

Die saudischen Militäraktionen einschließlich einer Seeblockade der nordjemenitischen Küste könnten allerdings genau das Gegenteil von dem bewirken, was in saudischem Interesse steht: Sie könnten einerseits dem Iran die Türen öffnen und andererseits im zerfallenden Jemen dem Gottseibeiuns Al-Kaida neue Basen verschaffen. Man sollte nicht vergessen, dass Osama bin Ladens Vater, der es in Saudi-Arabien zum Multimillionär brachte, aus dem Jemen stammte – aus dem Südjemen. Dass es Al-Kaida gelingt, unter den dortigen Verwandten Osamas Anhänger zu rekrutieren, ist mehr als wahrscheinlich. R. G. Kerschhofer


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