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28.11.09 / Renaissance für den Standort D / Flucht in Billiglohnländer abgeschwächt – Viele Firmen kehren schon wieder nach Deutschland zurück

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 48-09 vom 28. November 2009

Renaissance für den Standort D
Flucht in Billiglohnländer abgeschwächt – Viele Firmen kehren schon wieder nach Deutschland zurück

Der Standort Deutschland ist der Gewinner der globalen Krise: Immer weniger Firmen verlagern die Produktion ins billigere Ausland, immer mehr kehren sogar reumütig zurück in die Heimat.

Als vor Jahresfrist die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise Deutschland erreichte, musste man auf Horrorprognosen nicht lange warten. Massenflucht ins Niedriglohn-Ausland, Massenarbeitslosigkeit daheim, so die Schlagzeilen, nicht nur in gewerkschaftsnahen Publikationen. Bei befürchteten sechs Millionen Arbeitslosen drohte die „Gelbe Gefahr“ das gute alte „Made in Germany“ hinwegzufegen. Denn wenn die Wirtschaft den Gürtel enger schnallen muss, tut sie das laut gängiger Vorstellung vorzugsweise beim einheimischen – angeblich zu teuren – Personal.

Die aktuellen Zahlen und Fakten, die jetzt vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung in Karlsruhe im Auftrag des  Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) vorgelegt wurden, sprechen jedoch eine andere Sprache. Nicht in der Krise, sondern in den vorangegangenen Boom-Jahren war die Quote der Produktionsverlagerungen auf Rekordhöhen geklettert. Noch 2006 suchten 19 Prozent der Firmen im Verarbeitenden Gewerbe das Heil in der Flucht, zumeist in östliche Richtung.

Bevorzugte Ziele: die neuen ost- und südosteuropäischen EU-Staaten (40 Prozent), China (27) und weitere fernöstliche Billiglohn-Paradiese (16). Insgesamt 3200 Betriebe sagten dem deutschen Arbeitsmarkt ade. Zumindest teilweise. Denn nur in seltenen Fällen wurde die Produktion vollständig ausgelagert, während in vielen Fällen – auch dies sei zur Ehrenrettung der deutschen Wirtschaft erwähnt – der Export von Billiglohnjobs den Erhalt höherqualifizierter Arbeitsplätze in der Heimat absichern konnte.

Wichtigste Triebfeder waren und sind natürlich die Personalkosten (77 Prozent). Andere Motive wie Transportkosten, Erschließung ausländischer Märkte, Mangel an einheimischen Fachkräften, zu hohe Steuern und Abgaben in Deutschland spielen hingegen nur eine untergeordnete Rolle.

Doch auch in der „Goldgräberstimmung“ der Globalisierungseuphorie ließ die Ernüchterung nicht lange auf sich warten: Den 3200 Auslagerern des Jahres 2006 standen 570 Rückkehrer gegen­über. Sie zogen die Konsequenz aus den Qualitätsmängeln osteuropäischer und fern­östlicher Produktion (68 Prozent), hatten Probleme mit Lieferterminen (43) sowie hohen Logistik- und Transportkosten (32). Zudem wartete jeder dritte Betrieb vergebens auf die erwarteten Einsparungen im Personalbereich. Und fünf Prozent der Unternehmen wurden im Ausland Opfer staatlich geförderter Produktpiraterie.

Bei der Vorstellung der aktuellen Fraunhofer-Studie gab VDI-Direktor Willi Fuchs bemerkenswerte Hinweise, warum die Billiglohn-Rechnung der auslagerungswilligen Betriebe oft nicht aufgeht: Meist werde die Bedeutung der Lohnkosten weit überschätzt. Wie das Statistische Bundesamt bestätigt, machen sie im Verarbeitenden Gewerbe nur durchschnittlich 18,7 Prozent der gesamten Produktionskosten aus. Rechnet man die Kosten für Forschung sowie für das Management heraus und nimmt nur die reinen Arbeitskosten, sinkt der Lohn­kostenanteil sogar auf 11,5 Prozent. Warum viele deutsche Arbeitgeber beim Wort Sparen zuerst ans Personal denken, ist also mit Sachargumenten kaum zu erklären.

Der VDI-Sprecher weiter: „Gerade bei kostenbetriebenen Verlagerungen erweisen sich manche Annahmen als Trugschluss. Denn vor Ort können unerwartete Probleme auftreten.“ Hauptproblem laut Fuchs: „Wer die hohe Qualität deutscher Produkte auch bei der Produktion im kostengünstigen Ausland garantieren will, der zahlt nicht selten drauf. Zudem garantiert das deutsche Zulieferernetzwerk eine große Flexibilität und Lieferfähigkeit. Im Ausland sieht dies leider meist anders aus.“

Dass „Made in Germany“ sich kaum ohne Qualitätsverlust globalisieren lässt, letztlich aber erfolgversprechender ist als vordergründige und kurzfristige Lohnkosteneffekte, hat sich, wie die Fraunhofer-Studie bestätigt, offenkundig inzwischen auch auf deutschen Chefetagen herumgesprochen. Demnach ist – trotz krisenbedingt verschärftem Kostendruck – die Zahl der Betriebsverlagerungen seit 2006 um 40 Prozent zurück­gegangen. Die bei 1500 Betrieben abgefragten aktuellen Planungen bekräftigen diesen Trend. Zugleich blieb die Zahl der Rück­verlagerungen stabil – Tendenz steigend.

Hierin sieht Willi Fuchs vom VDI nach der jahrelang praktizierten „Flucht“ geradezu eine „Renaissance des Produktionsstandorts Deutschland“: Das Markenzeichen „Made in Germany“ – 1887 von England eingeführt, um deutsche Importe zu diskreditieren – könne nun wieder „zum Synonym für Qualität und Zuverlässigkeit werden“.

Dies lässt sich sogar in Branchen beobachten, die eigentlich am Standort Deutschland längst für tot erklärt waren, zum Beispiel im Bereich Textil und Mode. Auch wenn die Geiz-ist-geil-Kundschaft nach wie vor mit chemieverseuchtem China-Gelump überschwemmt wird, so erweisen sich qualitätsbewusste, an anspruchsvollerer Kundschaft orientierte deutsche Hersteller als überraschend krisenresistent. Als Beispiel sei hier Marc O’Polo genannt: Das Mode-Unternehmen hat die Konsequenz aus den Problemen mit ausländischen Zulieferern gezogen und baut – mitten in der Krise – den angestammten Standort im oberbayerischen Stephanskirchen zügig aus. Hans-Jürgen Mahlitz

Foto: Setzt seit Jahren ganz bewusst auf Produktion in Deutschland: Der Sportartikelhersteller Trigema


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