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28.11.09 / Als die Sowjets Finnland überfielen / Unprovoziert und ohne Kriegserklärung entfesselte die UdSSR vor 60 Jahren den Winterkrieg

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 48-09 vom 28. November 2009

Als die Sowjets Finnland überfielen
Unprovoziert und ohne Kriegserklärung entfesselte die UdSSR vor 70 Jahren den Winterkrieg

Die Sowjetunion nutzte den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, um im Windschatten der kriegerischen Auseinandersetzung zwischen den anderen europäischen Großmächten ihr Territorium auf Kosten ihrer kleineren Nachbarn zu vergrößern. Zu den Opfern dieser Politik gehörte Finnland.

Im deutsch-sowjetischen Nichtangriffsvertrag vom 23. August 1939 hatten die Deutschen Finnland den Sowjets überlassen. Die Sowjetunion konnte nun, ohne deutsche Unterstützung für Finnland fürchten zu müssen, ihren skandinavischen Nachbarn unter Druck setzen. Sie betrachtete es als nicht zumutbar, dass in 50 Kilometer Entfernung von ihrer zweitwichtigsten Stadt Leningrad das kapitalistische Ausland begann. In bilateralen Verhandlungen forderte sie deshalb von Finnland den Südteil der befestigten Karelischen Landenge abzutreten und sich dafür mit anderem karelischen Gebiet entschädigen zu lassen. Des weiteren forderten die Sowjets die Verpachtung der Halbinsel Hanko und die Überlassung diverser Inseln im Finnischen Meerbusen sowie den finnischen, westlichen Teil der Fischerhalbinsel an der Küste des Nördlichen Eismeeres.

Finnland ließ sich auf die Forderungen der Großmacht nicht ein. Die Finnen unterstellten dem Gegner eine Salamitaktik, dessen Endziel die Einverleibung des eigenen Landes sei. Und wenn die Alternative zum Verlust der erst 1917 gewonnenen Unabhängigkeit der Krieg war, dann wollte man den lieber jetzt führen, wo man noch im Vollbesitz seines Territoriums war. Zudem glaubte die finnische Regierung, dass die Russen vor dem letzten Schritt, dem Krieg, zurückschrecken würden, da die Rote Armee, so die Informationen des eigenen Nachrichtendienstes, nicht einsatzbereit sei.

Hier irrte allerdings Helsinki. Schon frühzeitig hatten die Sowjets eine militärische Lösung ins Auge gefasst. Erleichtert wurde Stalin dieser Schritt dadurch, dass so wie die finnische Regierung seine Rote Armee auch er die Finnen unterschätzte. Am 3. November 1939 unterstellte der sowjetische Außenminister Wjatscheslaw Molotow in der „Prawda“ dem skandinavischen Nachbarn kriegerische Absichten. Am 26. November inszenierten die Sowjets einen Grenzzwischenfall. Als die finnische Regierung sich weigerte, die Schuld auf sich zu nehmen, brach die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR) die Beziehungen ab und kündigte den Nichtangriffsvertrag von 1932. Am 30. November überschritten dann Rotarmisten auf breiter Front die russisch-finnische Grenze. Die Sowjetunion hat damit bereits 1939 Finnland angetan, was Deutschland bis heute vorgeworfen wird, ihr 1941 angetan zu haben. Sie hat einen Nachbarn trotz eines Nichtangriffsvertrages unprovoziert und ohne Kriegserklärung überfallen. Folgerichtig wurde die Sowjetunion denn auch aus dem Völkerbund ausgeschlossen – was die Demokratien des Westens aber nicht daran hinderte, bereits wenige Jahre später mit dem Aggressor eine Kriegsallianz zu schließen.

Ungeachtet der haushohen zahlenmäßigen und auch materiellen Überlegenheit des Gegners wiesen die Finnen eine bewundernswerte Standfestigkeit auf. Während viele Rotarmisten sich des Unrechts ihrer Seite bewusst waren, fühlten sich die Finnen dadurch, dass Stalin sofort nach der Kriegsentfesselung eine finnische Exilregierung aufstellte, in ihrer Urfurcht bestätigt, dass es die Russen auf ihr gesamtes Land abgesehen hätten. Die sowjetische Aggression einte die bis dahin durch den vorausgegangenen Bürgerkrieg gespaltene Nation. Eine fantastische Motivation, beste Kenntnis der Heimat sowie militärisches Geschick ermöglichten den Skandinaviern bemerkenswerte Anfangserfolge bei der Verteidigung ihres Landes.

Um den Jahreswechsel 1939/40 zog Stalin dann jedoch die Konsequenz aus seiner anfänglichen Unterschätzung des Nachbarn und fuhr großes Geschütz auf. Hatte er anfänglich die Hoffnung gehabt, nur mit den beschränkten Kräften des Leningrader Militärdistrikts den Nachbarn besiegen zu können, wurde nun analog zu der weißrussischen und der ukrainischen Front, die 1939 Polen besetzt hatte, eine Nordwestfront gebildet. Gegen diesen Großverband konnten die Finnen ihre Mannerheim-Linie auf der strategisch entscheidenden Karelischen Landenge nicht mehr halten. Am 10. Januar 1940 streckte die finnische Regierung über die gemeinsamen Botschaften in Stock­holm Friedensfühler in Richtung des Kriegsgegners aus.

Enttäuscht wurden die Finnen von den Demokratien des Westens. Finnland war selber eine Demokratie und hatte deshalb auf Solidarität der Westeuropäer gehofft. Tatsächlich signalisierten Frankreich und England am 19. Dezember 1939 die Möglichkeit, starke Hilfsverbände nach Finnland zu entsenden. Im Februar 1940 wurde der französische Außenminister konkreter. Er versprach den Finnen ein Expeditionskorps von 50000 Mann. Und am 3. März stellte die britische Regierung den Finnen eine Eingreiftruppe von 12500 Mann in Aussicht. Die Verteidigung der finnischen Demokratie gegen den russischen Aggressor war allerdings nur Vorwand. Primäres Ziel war vielmehr die Abschneidung Deutschlands von der Erzzufuhr.

Der britische General Henry Royds Pownall hat es offen ausgesprochen: „Von den vier oder fünf Divisionen, die vielleicht über die Nordsee gesandt worden wären, war nicht eine für Finnland bestimmt – vielleicht ein oder zwei Brigaden, wenn sie Glück hatten (…) Der Rest war einfach dazu bestimmt, die Eisenerzminen zu besetzen und zu halten und Schweden und Norwegen zu unterstützen. Es ist wirklich ein höchst unehrliches Geschäft.“

Wie die Finnen waren sich aber auch die Russen lange Zeit im Unklaren, was die Westeuropäer in Skandinavien wollten, und bevor das eigene Land über den Winterkrieg in einen Krieg mit diesen Großmächten verwickelt wurde, gingen sie lieber auf das Friedensersuchen des Gegners ein.

Am 8. März 1940 traf eine Friedensdelegation Finnlands unter Leitung seines Ministerpräsidenten in Moskau ein. Auf sowjetischer Seite führte der Außenminister die Verhandlungen. Ähnlich wie die Deutschen gut zwei Jahrzehnte zuvor im Walde von Compiègne sahen sich nun auch die Finnen im Angesicht des drohenden Zusammenbruchs der Front gezwungen, die vom Gegner gestellten Bedingungen zu akzeptieren. Am 13. März unterzeichneten Finnen und Sowjets den Moskauer Vertrag, noch am selben Tage wurden die Kampfhandlungen eingestellt.

Die Russen setzten durch, was sie vor dem Krieg gefordert hatten. Darüber hinaus verlor Finnland weitere Teile Kareliens und Salla. Der sowjetische Sieg über Finnland löste eine große Flüchtlingswelle beim Verlierer aus. Aus den von der UdSSR annektierten Gebieten traten 420000 Finnen die Flucht an. Das waren rund elf Prozent der Gesamtbevölkerung. Der sowjetische Überfall kostete 2500 finnischen Soldaten und 900 Zivilisten das Leben. Die Angaben über die Zahl der sowjetischen Todesopfer reichen von knapp dem Doppelten (48000) bis zum Zehnfachen (230000–270000).   Manuel Ruoff

Foto: Finnisch-sowjetische Grenze: Nach und vor dem Winterkrieg


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