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28.11.09 / Polen will eine »Neujustierung« des Rechts / Lagebericht des Sprechers der Landsmannschaft Ostpreußen, Wilhelm v. Gottberg, auf der Ostpreußischen Landesvertretung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 48-09 vom 28. November 2009

Polen will eine »Neujustierung« des Rechts
Lagebericht des Sprechers der Landsmannschaft Ostpreußen, Wilhelm v. Gottberg, auf der Ostpreußischen Landesvertretung

Vor der Ostpreußischen Landesvertretung, dem obersten beschlussfassenden Gremium der Landsmannschaft Ostpreußen, hat deren Sprecher Wilhelm v. Gottberg am 7. November in Bad Pyrmont seinen jährlichen Lagebericht gehalten. Wir dokumentieren diesen Bericht in zwei Teilen in ausführlichen Auszügen.

Die Bundestagswahl liegt hinter uns. Meine Grobanalyse konnten Sie in der Preußischen Allgemeinen Zeitung vom 3. Oktober nachlesen.

Vertriebenenpolitik im Sinne früherer Jahrzehnte wird es nicht mehr geben. Natürlich werden die Landesmuseen nach § 96 weiter gefördert, auch die beschlossene Dokumentation „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ wird geschaffen. Im Koalitionsvertrag wurde auch aufgenommen, dass noch ein sudetendeutsches Museum in München eingerichtet werden soll. Das alles aber wird mit kaum hinreichenden Finanzmitteln realisiert. Wir erleben das gerade bei der Planung des Erweiterungsbaues für das Ostpreußische Landesmuseum (OL).

Es hat sich bundesweit und parteiübergreifend die Meinung und Sprachregelung durchgesetzt, dass das ganze Desaster, das über Deutschland und Deutsche ab 1944 bis 1950 gekommen ist, durch den deutschen Überfall auf Polen, den NS-Terror im Osten und durch den Vernichtungskampf der Wehrmacht verschuldet wurde. Bei jeder Gelegenheit betont die Kanzlerin immer wieder, dass die Geschichte in Deutschland nicht umgeschrieben wird.

Wir erleben zur Zeit einen Epochenwandel. Die Nachkriegszeit ist zu Ende. Polen, Tschechien, Russland, aber auch Rumänien, die Slowakei und hinsichtlich der Halbinsel Istrien auch Kroatien haben ihre territoriale Kriegsbeute von 1945 gesichert. Niemand will oder kann daran etwas ändern. Die Vertreibungsverbrechen an den Deutschen verblassen mehr und mehr. Sie sind keine Zeitgeschichte mehr, an die Zeitzeugen erinnern. In wenigen Jahren gibt es auch keine letzen Zeitzeugen mehr. Die Vertreibung wird von Jahr zu Jahr mehr Historie.

Der Epochenwandel besteht darin, dass sich die Nationalstaaten in Europa neu positionieren. Bei dem ganzen Theater um die Präsidentin des BdV und ihren Sitz im Stiftungsrat der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ ging es nicht mehr um Vertriebenenpolitik. Es geht um Deutschlandpolitik. Beim Zentrum gegen Vertreibungen ging es Polen von Anfang an um die Deutungshoheit über die Vertreibung und um die Neujustierung des Rechtes.

Deutschland wird das Eigentum – rückwärts gesehen – an der Vergangenheit der Ostprovinzen bestritten. Dafür wird die Geschichte umgedeutet, das deutsche Eigentum am gesamten Kulturbesitz des deutschen Volkes im Osten wird bestritten und die Vertreibungsverbrechen geleugnet bzw. durch den Krieg Hitlers und die NS-Verbrechen in Polen gerechtfertigt. Gelegentlich wird auch – so zum Beispiel von Bartoszewski – die Opferrolle der Polen dadurch herausgestellt, dass für die Vertreibung – natürlich wird immer nur von Umsiedlung gesprochen – ausschließlich eine kleine Clique verantwortlich gewesen sei, die von den Sowjets eingeschleust worden sei.

Manchmal wird polnischerseits auch behauptet, dass Polen überhaupt nicht die deutschen Territorien bis an Oder und Neiße hätte haben wollen. Das Land und die „Umsiedlung“ der Deutschen sei ihnen in Potsdam oktroyiert worden. Eine Geschichtsklitterung folgt der anderen. Wer den Kampf um Begriffe gewinnt, bestimmt das Denken. Die heutige Ordnung in Europa basiert auf einer Verständigung der europäischen Staaten über eine bisher in der Menschheitsgeschichte nie dagewesene Menschenrechtsverletzung an Deutschen.

Nach zehnjähriger Lobbyarbeit des BdV und seiner angeschlossenen Verbände, verbunden mit einem bewundernswürdigen Einsatz der BdV-Präsidentin Steinbach, ist es gelungen, für die ostdeutschen und sudetendeutschen Flüchtlinge und Vertriebenen eine unter der Obhutspflicht des Staates stehende Dokumentationsstätte zu errichten. Es ist die Stiftung: „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“.

Gewissermaßen in allerletzter Minute haben die staatlichen Organe in Deutschland erkannt, dass für die größte Massenaustreibung der Menschheitsgeschichte, deren Opfer Deutsche waren, eine angemessene Erinnerungsstätte geschaffen werden muss. In einem beispiellosen Akt der Selbstreinigung hat sich Nachkriegsdeutschland zu einem Vorzeige-Rechtsstaat entwickelt und fast alle Aspekte der NS-Tyrannei juristisch bewältigt. Hunderte Gedächtnisstätten in Deutschland und seinen Nachbarstaaten erinnern an die NS-Barbarei zwischen 1933 und 1945.

Vor diesem Hintergrund und um glaubwürdig zu bleiben, konnte Deutschland die eigenen Opfer nicht mehr negieren, wie das mehr als fünf Jahrzehnte lang allzu oft geschehen ist.

Meine Damen und Herren, was wir jetzt mit der Stiftung: „Flucht, Vertreibung, Versöhnung“ bekommen, ist nicht das, was wir vor rund zehn Jahren mit unserer Forderung „Europäisches Zentrum gegen Vertreibungen“ gefordert haben. Immerhin, der Staat dokumentiert und archiviert die Zäsur, die Deutschland 1945 hat hinnehmen müssen. An uns wird es liegen, dass die historische Wahrheit bei dieser Dokumentationsstätte ausreichend beachtet wird.

Das wird nicht einfach, denn der BdV besetzt nur drei von insgesamt 13 Stiftungsratssitzen. Dieser Stiftungsrat ist das entscheidende Gremium der staatlichen Stiftung.

Der Einfluss der Vertriebenen ist also gering, deshalb ist die polnische Agitation gegen den Einzug der Präsidentin in den Stiftungsrat umso weniger verständlich. Warschau hatte Berlin bei dieser Frage vor die Alternative gestellt: „Wir oder Frau Steinbach!“

Berlin hat Frau Steinbach das Nachsehen gegeben, mit Ausnahme von einem Dutzend CDU/CSU-Abgeordneten, die Frau Steinbach gestützt und unterstützt haben. Die deutsche Antwort auf die polnische Alternativ-Herausforderung hätte lauten müssen: „Erika Steinbach!“, weil es Freundschaft und gute Nachbarschaft so lange nicht geben kann, wie Polen seine unversöhnliche Haltung immer wieder und überaus akzentuiert formuliert und dabei polnische Verbrechen bei Flucht und Vertreibung negiert.

Besonders irritiert das unaufgeklärte Bewusstsein der polnischen Eliten. Während die westliche Welt regelmäßig die Menschen als freie, eigenverantwortlich handelnde Individuen betrachtet, räsoniert man östlich von Oder und Neiße ständig einseitig über deutsche Täter und polnische Opfer. Wie abwegig solche Kollektivschuld-Visionen sind, zeigt die Tatsache, dass die meisten Deutschen der Jahre 1933 bis 45, mangels entsprechender Gelegenheit, nicht zu Tätern gegenüber Polen werden konnten oder als Kinder von vornherein schuldunfähig waren. Obendrein gab es in Deutschland engagierte Widerstandskämpfer und NS-Verfolgte sowie Millionen Bürger, die diesem Unrechtsstaat spätestens 1939 die innere Gefolgschaft gekündigt haben.

Warum betrachtet Polen die Unterdrückung seiner nationalen Minderheiten, insbesondere der deutschen Minderheiten, nach 1918 oder die Frage, wie viele seiner Bürger unter welchen Umständen sich bei der Vertreibung der Deutschen bereichert haben, immer noch als Tabu-Themen? Wo bleibt die große Geste Warschaus gegenüber den Deutschen, die völkerrechtswidrig aus den östlichen Reichsgebieten vertrieben wurden, und ihren unmittelbaren Nachfahren, zumindest etwa die Einladung, unter Verzicht auf Schadensersatzforderungen in die alte Heimat zurückzukehren?

Fortsetzung in Folge 49

Foto: Der Sprecher der Landsmannschaft Ostpreußen, Wilhelm v. Gottberg


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