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28.11.09 / Comics statt Kunst / Neue Unterhaltungstrends gefährden die klassische US-Filmindustrie

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 48-09 vom 28. November 2009

Comics statt Kunst
Neue Unterhaltungstrends gefährden die klassische US-Filmindustrie

Es ist das „Jahr der rollenden Köpfe“ in Hollywood. Über die Hälfte der großen Filmstudios hat seine führenden Leute gefeuert. Bob Iger, der oberste Boss von Disney, macht in der Führungsriege trotz zahlreicher Erfolge in Jahrzehnten Tabula rasa. Ziel sei es, Disney für die veränderte Zukunft vorzubereiten. Ein neuer Trend zeigt nämlich die zunehmende Neigung des Publikums, Filme lieber zuhause per DVD oder übers Internet zu selbst gewählten Zeiten zu sehen. Für die Kinoketten ist diese Entwicklung verheerend, doch die Filmstudios können reagieren. „Wir müssen dem Druck dieses Phänomens folgen“, sagt Iger.

Die Entlassenen waren bekannt dafür, dass sie von der traditionsreichen Vermarktung nicht abweichen wollten. Auch wurden sie völlig überrascht davon, dass Filme trotz Stars Millionen-Verluste einspielten. Der Film „Land der Verlorenen“ hatte 200 Millionen Dollar gekostet und war mit zig Millionen Dollar im Minus gelandet. Universal-Boss Jeff Zucker erfasste die Panik. Mindestens drei seiner im nächsten Jahr herauskommenden Filme – „Robin Hood“, „The Wolfman“ und das Irak-Drama „The Green Zone“ – haben je ein Budget von über 100 Millionen verschlungen. Plötzlich aber ist ihr Erfolg ungewiss.

Doch es sind nicht einzelne Filme, die enttäuschen. Flops gehören zum Filmgeschäft dazu. Seit den „Golden Twenties“ hat es sie in Hollywood immer wieder gegeben. Diesmal aber ist es anders. Die gigantischen Verluste treffen alle Studios gleichermaßen und zwingen die Verantwortlichen zu einem radikalen Umdenken. Hollywood ist nicht mehr das „Land der Träume“, sondern vielfach das „Land der Alpträume“. Die Weltwirtschaftskrise und die zunehmende Internetnutzung haben nicht nur zu weniger Kinobesuchern geführt, sondern den Hauptgrund für die Probleme der Filmindustrie geschaffen: den drastisch gesunkenen Verkauf von DVDs, mit denen die Studios bisher die Hälfte ihrer Gewinne erzielt haben. Produktions- wie Vermarktungskosten sind dabei gestiegen. 20-Millionen-Dollar-Gagen für Filmstars sind nicht mehr finanzierbar, zumal diese auch ihre Funktion als Zugpferd massiv eingebüßt haben.

Darüber hinaus hat sich der Geschmack der Kinobesucher immer stärker zum gedankenlosen Nervenkitzel hin entwickelt. Immer mehr Länder wie Japan, Indien und die Europäer drehen eigene Filme in ihren eigenen Sprachen und blicken nicht mehr einzig auf Hollywood. Die Folge: Aus Angst vor Verlusten stagniert die Finanzierung. Der Geldregen, der internationale Banken und andere Investoren sowie Privatleute so lange begeisterte, hat einer plötzlichen Dürre Platz gemacht.

Die Studios müssen nun in die eigene Tasche greifen. Und deshalb wartet die Hollywood-Guillotine auf jeden Kopf, der keinen sicheren Erfolg verspricht. Doch was ist ein sicherer Erfolg? Action-Filme, Horror-Streifen, Teenie-Komödien aus der Schüler-Welt und für die Familie mit Kleinkindern alles, was aus dem Spielzeugbereich stammt. Wichtigstes Ziel: Einen Markennamen zu schaffen für einen Film, der diverse Folgen garantiert sowie eine weltweite Vermarktung in Gestalt von film-bezogenen Verkäufen aller Art: Kleidung, Puppen, Spielzeug, Waffen wie sie „Star Wars“, „Superman“, „Piraten der Karibik“ und die Disney-Filme einspielen. An Kunst wagt keiner mehr zu denken. Romanzen à la Doris Day und Rock Hudson? Zu unsicher. Doch anstatt zu klagen muss man mit der Zeit gehen, meint Patrick Goldstein, einer der größten Insider der Filmindustrie. Er sieht den idealen Studio-Boss in einem jungen, hungrigen Pop-Kultur-Fan. „Denn es ist die weite Landschaft von Comic-Büchern, Kult-Fernseh-shows, Video-Spielen und dem Internet, welche die Studios mit dem Rohmaterial für die nächste Generation von Erfolgsfilmen versorgen wird.“ Liselotte Millauer

Foto: Hollywood: Stars locken nicht mehr ins Kino. Filme werden − illegal − online gesehen.


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