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05.12.09 / Schwarze Peter weitergereicht / Hochschulrektorenkonferenz übt Eigenlob und gibt Ländern Schuld an Bildungsmisere

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 49-08 vom 05. Dezember 2009

Schwarze Peter weitergereicht
Hochschulrektorenkonferenz übt Eigenlob und gibt Ländern Schuld an Bildungsmisere

Die Proteste an den Hochschulen dauern an. Nach der nun zu Ende gehenden „Aktionswoche“ fokussieren die Studenten ihre Proteste auf die Kultusministerkonferenz am kommenden Donnerstag in Bonn. Tatsächlich sind den verständnisvollen Worten der Politiker bisher kaum Taten gefolgt.

Bereits im Juni dieses Jahres kam es zu einer Protestwelle an Schulen und Universitäten mit über 100000 Teilnehmern. Als Reaktion darauf berief Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) die so genannte „Bologna-Konferenz“ ein, um mit allen Betroffenen vier Stunden lang über die Erfolge und Probleme der Umstellung der alten Diplom- und Magisterstudiengänge auf Bachelor und Master zu diskutieren. Verändert hat sich seitdem trotzdem nichts. Deshalb ist es nicht weiter verwunderlich, dass viele Studenten nun wieder auf die Straße gehen.

Einen vorläufigen Höhepunkt erreichte der Bildungsstreik, als am 23. und 24. November die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) in Leipzig tagte. Die Präsidentin der HRK, Margret Wintermantel, äußerte im Vorfeld Verständnis für die Studenten: „Es ist richtig, dass die Studierenden sich zu Wort melden und deutlich machen, dass ihre Studienbedingungen besser werden müssen und mehr für ihre soziale Sicherung getan werden muss.“ Die HRK vertritt gegenüber der Politik die Interessen von 256 Hochschulen in Deutschland. Gegen ihre Tagung in Leipzig demonstrierten Studenten massiv, weil die Rektoren an den Grundfesten des Bologna-Prozesses festhalten wollen.

Es ist symptomatisch für die derzeitige Situation der Hochschulen, dass alle die eigene Verantwortung für die Bildungsmisere bestreiten und den Schwarzen Peter weiterreichen. Wintermantel machte in Leipzig klar, dass die Umstellung auf Bachelor und Master „irreversibel“ sei.

Darüber hinaus zog die HRK ein positives Fazit: „Es ist den Hochschulen gelungen, nahezu alle Studiengänge aus eigener Kraft auf eine neue, international verständliche Struktur umzustellen, ohne dafür zusätzliche Mittel erhalten zu haben.“ Einzig die Länder kritisierte man, da sie die Hochschulen nicht ausreichend finanziell unterstützen und einen unflexiblen Lehrplan vorgeben würden.

Doch auch die Politik spielt auf Zeit. Annette Schavan hat am 1. Dezember für kommenden April einen „Bologna-Gipfel“ angekündigt, auf dem die Wissenschaftsminister der Länder, Hochschulrektoren und Studentenvertreter zusammenkommen sollen. Ein wirklich wegweisender Dialog über die Zukunft der deutschen Hochschullandschaft lässt also noch eine Weile auf sich warten. Derweil protestieren die Studenten weiter. Vom 30. November bis 6. Dezember findet eine Aktionswoche des Bildungsstreiks statt, und für den 10. Dezember mobilisieren Schüler und Studenten zur Besetzung der Kultusministerkonferenz (KMK) in Bonn.

Ob dies tatsächlich etwas bewirkt, kann bezweifelt werden, da einerseits die Forderungen des Bildungsstreiks utopisch und zuweilen abstrus sind. Die Protestler scheinen zum Beispiel nicht einzusehen, dass der weitere Abbau von Zulassungsbeschränkungen nur zu noch chaotischeren Zuständen an den Universitäten führen würde. Infolge dessen wäre eine weitere Absenkung des Ni-veaus der Lehre zu befürchten.

Unter den Streikenden tummeln sich viele Langzeitstudenten, die den Protest als große Party und Plattform realitätsferner Parolen missbrauchen. Auch das Argument, durch Studiengebühren könnten sich viele die Uni nicht leisten, bekommt Risse. Das Statistische Bundesamt hat festgestellt, dass sich überdurchschnittlich viele junge Leute in jenen Bundesländern immatrikulieren, die Studiengebühren erheben.

Andererseits sind für eine Reform des Bologna-Prozesses sowohl den Rektoren als auch der Politik solange die Hände gebunden, wie sie sich an die Vorgaben der Europäischen Union zur Schaffung eines gemeinsamen Hochschulraumes halten. Auch in den Nachbarländern Deutschlands gehen die Studenten auf die Straße, doch die Politik versucht die Probleme mit rhetorischen Floskeln schönzureden und hofft, dass die Proteste bald abebben.

Statt Qualität zählt für Bildungsministerin Schavan die Quantität. Als letzte Woche vom Statistischen Bundesamt Rekordzahlen bei den Studienanfängern vermeldet wurden, äußerte sie sich euphorisch: „Das ist eine sehr erfreuliche Entwicklung. Die neuesten Zahlen zeigen, dass die

Abiturienten in Deutschland ein Studium als attraktiv bewerten.“ 2009 haben sich 423600 neue Erstsemester an einer Hochschule eingeschrieben. Insgesamt studieren hierzulande 2,1 Millionen junge Erwachsene.            Felix Menzel

Foto: Zulassung erleichtern? Die Forderung gefährdet das Niveau der Universitäten.


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