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05.12.09 / Von Licht und Schatten / Die Kunsthallen in Hamburg und Bielefeld zeigen Werke von Impressionisten und ihrem Wegbereiter

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 49-08 vom 05. Dezember 2009

Von Licht und Schatten
Die Kunsthallen in Hamburg und Bielefeld zeigen Werke von Impressionisten und ihrem Wegbereiter

Als den Beginn des Impressionismus betrachtet man gemeinhin die Bilder des Franzosen Claude Monet, der ab 1874 Aufsehen erregte. Als früher Wegbereiter des Impressionismus gilt heute der Maler Carl Blechen, dem in Hamburg eine Ausstellung gewidmet ist, während sich die Bielefelder Kunsthalle mit den deutschen Impressionisten und ihren Werken beschäftigt.

Zehn Tage war er mit Skizzenblock und Pinsel in Italien unterwegs. In den Bergorten Amalfi, Ravello, Minuto und Scala sowie im Mühlental hinter Amalfi fertigte der Cottbuser Carl Blechen (1798–1840) im Mai 1829 zahlreiche Landschaftszeichnungen, die zum Höhepunkt seines Schaffens zählen. Die mit Bleistift, Sepia und Aquarellfarben festgehaltenen Eindrücke auf 66 großformatigen Seiten sind unter dem Begriff Amalfi-Skizzenbuch zusammengefasst.

Die Hamburger Kunsthalle zeigt in der aktuellen Sonderausstellung „Mit Licht eingefangen“ zum ersten Mal alle zum Skizzenbuch gehörenden Blätter (64 aus der Kunstsammlung der Akademie der Künste, Berlin, zwei aus dem Kupferstichkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin). Obwohl einzelne Blätter in neuerer Zeit mehrfach ausgestellt und publiziert wurden, ist doch das Skizzenbuch in seiner Gesamtheit einem allgemeinen Publikum bisher weder im Original noch in der Reproduktion bekannt. Die Akademie der Künste in Berlin, deren Mitglied und Professor für Landschaftsmalerei Blechen war, erwarb nach dessen Tod die Skizzenbücher und Ölskizzen aus dem Nachlass, löste die Zeichnungskladden mehrheitlich auf und verwandte sie im Akademieunterricht als Studienmaterial. Von Zeit zu Zeit waren einzelne Blätter auf Ausstellungen zu sehen, jedoch nie das gesamte Skizzenbuch. Am Ende des Zweiten Weltkriegs wurden dazu noch 19 Blätter als Beutekunst nach Moskau verschleppt. Erst Mitte der 50er Jahre wurden sie an die Ost-Berliner Akademie der Künste zurückgegeben. Der Mauerfall schließlich brachte auch die Blätter aus dem Skizzenbuch wieder zusammen.

Nur etwa 15 Jahre waren Blechen zwischen der Aufnahme des Studiums 1822 und dem Ausbruch seiner Geisteskrankheit 1836 vergönnt, in denen er seiner künstlerischen Tätigkeit nachgehen konnte. In dieser knapp bemessenen Spanne entstand ein für diese Zeit einzigartiges OEuvre. Der zarte Strich auf den heute meist vergilbten Blättern ist oft nur schwer zu erkennen. Viele wirken wie flüchtig dahingeworfen. Meist sind es lediglich Konturen, die zu erahnen sind, dann wieder Einzelheiten, die den Meister erkennen lassen, etwa wenn er ein Gehöft zeichnet, einen Esel auf den Platz davor stellt und dieser Esel sogar einen Schatten wirft. Mit sicherem Blick hat der Zeichner architektonische Eigenarten aufgespürt und sie mit spitzem Stift festgehalten. Die meist „farblosen“ Aquarelle in braun- bis grauschwarzen Sepiatönen wecken beim Betrachter Erinnerungen an eigene südliche Eindrücke.

Schon seine Zeitgenossen bewunderten Blechens Genialität. Mit seinen formal und inhaltlich neuen Sichtweisen provozierte er sein Publikum. Heute wird er international als einer der bedeutendsten Künstler des 19. Jahrhunderts geschätzt. Blechens Kunst verbindet eine Frühform realistischer Wahrnehmung mit einer Technik der Pleinairmalerei, die zu dieser Zeit und in dieser Form in Europa neu war. Für diese Kombination gibt es weder direkte Vorläufer noch unmittelbare Nachfolger.

Mit sicherer Hand fing Blechen die vielfältigen Stimmungen ein, die wechselnden Licht- und Schattenspiele. „Diese Zeichnungen sind kunstgeschichtliche Inkunabeln. Blechen war damit seiner Zeit weit voraus und gilt völlig zu Recht als Vorläufer der Impressionisten“, betont Mareike Hennig, Kuratorin der Ausstellung, die auch noch in Berlin und in der Casa di Goethe in Rom gezeigt wird.

Gut fünf Jahrzehnte später entdecken deutsche Künstler für sich das Seherlebnis des Impressionismus. Statt die Natur auf der Leinwand nachzuahmen, schildern sie mit dem Pinsel ihre Eindrücke von Licht und Landschaft. Mit etwa 180 Werken stellt die Kunsthalle Bielefeld in einer umfangreichen Überblicksausstellung den deutschen Impressionismus als eine landesweit auftretende Kunstbewegung in Deutschland vor.

Künstler wie Max Liebermann und Max Slevogt mussten sich gegen den starren Kunstgeschmack im Kaiserreich durchsetzen. Neben die Hinwendung zur Natur und zum intimen Interieur mit familiärem Beisammensein treten in Deutschland auch die Bilder der Arbeitswelt und des Alltags der weniger privilegierten Schichten, die der Kaiser höchstpersönlich, nicht zuletzt mit Blick auf Max Liebermann, als „Rinnsteinkunst“ beschimpft. Doch gibt es bald mehr Künstler, die sich den akademischen Vorgaben widersetzen. In der „Berliner Secession“ treten sie mit ihren neuen Werken gegen den etablierten Akademismus an und werden zu Hauptvertretern des Impressionismus in Deutschland. Auch andernorts sind die Impressionisten auf dem Vormarsch. Neben Werken des berühmten Dreigestirns Liebermann, Slevogt und Corinth gilt es in Bielefeld auch die Arbeiten der vielen heute zu Unrecht vergessenen Künstler zu entdecken. Thomas Herbst, Gotthard Kuehl, Hermann Pleuer, Otto Reininger, Maria Slavona, Fritz von Uhde sind zu nennen. Das Interieur, Die Stadt, Der Garten, Die Landschaft, Das Wasser, Die Arbeit sind Themen in der Ausstellung, die mit prägnanten Arbeiten veranschaulicht werden.  Silke Osman

Die Ausstellung „Mit Licht gezeichnet“ ist bis zum 17. Januar dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis 21 Uhr in der Hamburger Kunsthalle zu sehen, Eintritt 8,50 / 5 Euro. Vom 29. Januar bis 11. April wird die Ausstellung in der Alten Nationalgalerie Berlin gezeigt, vom 28. April bis 18. Juli in der Casa di Goethe, Via del Corso, Rom.

Die Ausstellung „Der deutsche Impressionismus“ ist bis zum 28. Februar in der Kunsthalle Bielefeld täglich außer montags von 11 bis 18 Uhr, mittwochs bis 21 Uhr, sonnabends von 10 bis 18 Uhr geöffnet, Eintritt 7 / 5 Euro.

Foto: Carl Blechen: Einfache Häuser an der Landstraße (Aquarell über Graphit, 1829)


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