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05.12.09 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 49-08 vom 05. Dezember 2009

Erst waschen! / Warum Nestlé jetzt bangen muss, wie das Volk abstimmungsfähig zu machen wäre, und wieso mit den Minaretten die Freiheit kommt
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Von denen hatten wir das ja nun gar nicht erwartet. Da verspielen sich ausgerechnet die Schweizer das Wohlwollen der islamischen Welt. Als vor ein paar Jahren überall dänische Fahnen brannten wegen der Mohammed-Karikaturen, und dänische Produkte in den muslimischen Städten auf die Straße flogen, da bettelte der Schweizer Nestlé-Konzern seine muslimischen Kunden noch auf Plakaten an: „Wir sind keine Dänen. Wir sind Schweizer!“

Irgendwo im Orient hatte jemand den Lebensmittelhersteller falsch zugeordnet und für dänisch erklärt, was gleich wie ein Lauffeuer rumging und den „Volkszorn“ auf die geschockten Schokoladenmacher lenkte. Die wuss­ten, wo die europäische Solidarität ihre Grenzen hat (nämlich da, wo’s anfängt, was zu kosten), und stellten die Sache klar. Hoffentlich hat’s nichts geholfen, barmten wir damals.

Unser Barmen wurde erhört, vom Schweizervolk höchstselbst. Was hat die nur getrieben? Die Antwort steht vielleicht in der Schweizer Geschichte: Am Anfang war Wilhelm Tell und der Rütli-Schwur. Ein kleines Volk, das darauf pfeift, was die Mächtigen von ihm halten. Arm, aber angesehen bei den Knechten ringsum, ein wenig einsam, aber frei.

Dann kamen die Banken. Die hängten sich an jeden reichen Rockzipfel und zupften daran in der Hoffnung, dass Geld rausfällt. Jetzt waren die Schweizer reich, aber im trüben Ruf, kein schmutziges Geschäft auszulassen, solange nur genug für sie dabei abfiel. Nun hatten sie auch immer viel Gesellschaft, darunter die übelsten Halunken des Planeten, denen ihr Schweizer Bankier dezent den Speichel vom Munde leckte, damit sie ihr Blutgeld nicht etwa bei der Konkurrenz versteckten.

Natürlich waren nur die wenigsten Schweizer Bankiers, dennoch sah es von draußen so aus,  als wären sie’s, bis Sonntag. Das hat das stolze Bergvolk offenkundig gewurmt. Da stieg ein gefährlicher Wunsch in ihm auf: Einmal wieder Wilhelm Tell sein, und auf Geld und Macht pfeifen.

Die Mächtigen reagieren ebenso verstört wie 1291, an den Höfen Europas ist man „beunruhigt“. Die Helvetier müssen verrückt sein. Sie haben es sich mit so ziemlich jedem auf der Welt verscherzt, der es wert wäre, bei Anne Will aufzutreten: fortschrittlich gesinnte Wissenschaftler, politisch korrekte Politiker, islamophile Kirchenfürsten, Grenzen öffnende Migrationsbeauftragte und ihr andächtig nickendes Publikum – kurz: alle, die sich für „die Mitte der Gesellschaft“ halten dürfen.

Die gibt es in der Schweiz natürlich auch, diese „Mitte der Gesellschaft“, und sie wird dort wie hier von (wie auch immer berufenen) „Repräsentanten“ streng bemuttert. Die „Repräsentanten“ (und nur sie) führen die „gesellschaftliche Debatte“, die wir uns im Fernsehen anschauen.

Dass es da draußen im Gebüsch auch noch so etwas wie ein „Volk“ gibt, das möglicherweise ganz anders tickt als pädagogisch erwünscht, war den „Repräsentanten“ zwischenzeitlich entfallen. Jetzt ist es in der Schweiz kurz rausgekommen und hat übel randaliert. In Deutschland debattieren die Sprecher der „gesellschaftlich relevanten Gruppen“ nun hektisch darüber, wie so ein heimtückischer Überfall in der Bundesrepublik zu verhindern wäre.

Zumal die SPD wieder in der Opposition ist. Was das damit zu tun hat? Nun: Immer, wenn die Sozialdemokraten nicht regieren dürfen, entflammen sie in heißer Sehnsucht nach Volksabstimmungen. Vor dem September 1998 konnten sie gar nicht genug bekommen von „mehr direkter Demokratie“, danach hatten sie umgehend genug davon. Das Thema war von einem Tag auf den anderen mausetot, als Gerhard Schröder die Sozis nach 16 Jahren Verbannung wieder an die Macht geführt hatte.

Um jetzt nur wenige Wochen nach der fürchterlichen Niederlage der SPD 2009 wieder aufzutauchen. „Das hält die Demokratie doch am Leben“, schwärmt SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz auf einmal. Potztausend! Die Grünen sind ebenfalls Mitglied in dem plebiszitären Swinger-Klub, wo die Liebe zum Volk so schnell entspringt, wie sie versiegt. Deren Rechtsexperte Jerzy Montag hat aber aus der schweizerischen Lektion gelernt und will vorsorglich Dämme bauen, denn, wie selbst Wiefelspütz einräumt: „Das Volk kann sich irren.“ Und dieses Manko unterscheidet das Volk von seinen Politikern?

So ist es wohl, weshalb Montag von vornherein klarstellt, dass es keine Abstimmungen über „Grundrechte“ geben dürfe. Versteht sich von selbst, eigentlich, das Grundgesetz verbietet selbst dem Parlament Abstimmungen über die Grundrechte. Daraus schließt Montag, dass die Deutschen auch nie über Minarette befinden dürften.

Demnach müssten einige Fragen geklärt werden, etwa diese: Wie muss die Bauvorschrift für die Außengestaltung von Gebetshäusern formuliert sein, damit sie keine Grundrechte verletzt? Gibt’s für lange Minarette mehr Grundrecht als für kurze oder gar keine?  Schwer zu sagen.

Und selbst wenn das erledigt ist  und im Grundgesetz steht: „Minarette unter 20 Metern verletzen die Grundrechte unserer muslimischen Mitbürgerinnen und Mitbürger“, ist da immer noch die Sache mit der fatalen Irrtumsanfälligkeit des Volkes. Der Politikwissenschaftler Udo Vorholt setzt auf Prävention: Direkte Demokratie sei nur sinnvoll, „wenn die Bevölkerung im Vorfeld in eine sehr breite Debatte einbezogen wird, wenn also eine Meinungsbildung stattfindet. Dazu müssen aber auch von politischer Bildung über die Schule bis hin zu den Medien entsprechende Vorarbeiten erbracht werden.“

Aha, mit anderen Worten: Das Volk muss man erst mal durch eine riesige ideologische Waschstraße jagen, wo ihm von allen Seiten die unkorrekten Gedanken à la Suisse ausgebürstet werden. Dann sollte sich ein kleiner Test anschließen, bei dem auf porentiefe Reinheit geprüft wird. Nicht allzu schwierig sollte er sein, schlichte Merksätzchen reichen, um die gute Gesinnung zu stützen, wie: „Islam heißt Frieden“ oder „Am islamistischen Terror ist der Westen schuld wegen der Ungerechtigkeit in der Welt, der Klimakatastrophe, der ungezogenen Touristen und der Schnapsnazis von Brummel-Kummelow“ und sowas in der Preislage. Man muss die Sätzchen nur oft genug wiederholen in der politischen Bildung, in der Schule und den Medien, dann sitzt das schon. Derart gesinnungsgespült und hirngetrocknet können wir dann zur Volksabstimmung schreiten.

Oder? Nordrhein-Westfalens Integrationsminister Armin Laschet ist sich da nicht so sicher, er fürchtet: „Die mutmaßlichen Mehrheiten wären meiner Ansicht nach gleichermaßen erschreckend“ gewesen, wenn wir auch über Minarette abgestimmt hätten. Deshalb will der CDU-Politiker keine Volksabstimmungen und holt den Joker raus: „Sollen wir in Deutschland über den Bau von Synagogen abstimmen?“ Gegen die hätten intolerante Leute früher, lange vor dem NS-Terror, auch protestiert, klärt uns der Erlanger Islamwissenschaftler Matthias Rohe auf. Deshalb sei es kein Zufall, dass „der Bau der ersten Synagogen in Deutschland zusammenfiel mit dem Erkämpfen bürgerlicher Freiheitsrechte“. Soll heißen: Die Minarette sind ein Symbol für den Siegeszug der Freiheit. Wir können aufatmen.

Die „ersten Synagogen in Deutschland“ waren übrigens die von Worms (erbaut anno 1034) und Erfurt (1094). Um welche „bürgerlichen Freiheitsrechte“ ging es im elften Jahrhundert noch gleich? Ach richtig, um den freien Zugang zum Heiligen Land, weshalb man alsbald die Rosinante sattelte, um  ... nein, das kann Rohe unmöglich gemeint haben. Vielleicht hat er sich bei der zeitlichen Zuordnung von Aufklärung und Revolution auch nur um ein paar Jahrhunderte vertan. Der großzügige Umgang mit historischen Fakten gehört bei Islamwissenschaftlern, die nicht „umstritten“ genannt werden wollen, bekanntlich zum guten Ton.


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