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12.12.09 / Berlin diskutiert über Minarett-Entscheid / Politiker verwerfen das Schweizer Referendum einhellig – Aus dem Volk kommen ganz andere Stimmen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-09 vom 12. Dezember 2009

Berlin diskutiert über Minarett-Entscheid
Politiker verwerfen das Schweizer Referendum einhellig – Aus dem Volk kommen ganz andere Stimmen

Gehören Minarette in Berlin dazu – oder nicht? Die deutsche Hauptstadt dis-kutiert die Schweizer Volksabstimmung: Die Politiker geben sich (offiziell zumindest) durchweg überrascht bis verärgert. Öffentliche Sympathiebekundungen gab es keine. Viele Bürger dagegen stellen sich auf die Seite der Schweizer. Der Neubau von Moscheen geht unterdessen weiter.

Aber der Reihe nach: Als erster prominenter Berliner meldete sich – wie könnte es anders sein? – Thilo Sarrazin zu Wort. Der frühere Finanzsenator und jetzige Bundesbanker sagte, der Ausgang des Referendums zeige, „dass in der Tiefe der Gesellschaft anders gedacht wird, als die politische Klasse und die Mehrheit der Medien glauben wollen“. Diesmal ging aber niemand auf die Äußerungen Sarrazins ein.

Ein Senatsgremium namens „Integrationsbeirat“ versicherte indes umgehend, Minarette seien ein „Teil europäischer Städte“. Über das Schweizer Votum sei man „besorgt“. Der Beirat hofft, dass das Ergebnis durch Gerichte gekippt wird. Zudem fordert das Gremium eine pro-mohammedanische Aufklärungskampagne des Senats im nächsten Jahr, die eine Wende im Verhältnis der alteingesessenen Berliner zur muslimischen Religion bringen solle. Ob das reicht? Kritiker bezweifeln, dass ein paar neue, politisch korrekte Hochglanzbroschüren etwas am schillernden Image des Islam verändern können.

In Berlin leben mindestens 220000 Moslems, denen schätzungsweise 80 Moscheen zur Verfügung stehen. Die Zahl jener Gebetshäuser ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen. Viele befinden sich in verlassenen Fabrik-etagen oder Hinterhöfen. Für Außenstehende sind sie kaum als Gotteshäuser zu erkennen.

Zwei jüngere Prestigeprojekte waren indessen stark umstritten und dies schon lange vor dem Schweizer Referendum: Einerseits die Sehitlik-Moschee am Columbiadamm − gegen sie machte die Bezirksstadträtin Stefanie Vogelsang (CDU) vor einigen Jahren wegen Baurechtsverstößen mobil, aber nur halbherzig. Am Ende konnte die Moschee an der Grenze zwischen den Bezirken Tempelhof und Neukölln gebaut werden. Die Ahmadiyya-Moschee im Stadtteil Pankow ist die erste Moschee auf dem Territorium des früheren Ostsektors. Sie wurde im Ortsteil Pankow-Heinersdorf gegen den erbitterten Widerstand zahlreicher Anwohner gebaut und vor einem Jahr feierlich eingeweiht.

Bisher haben sich die Gegner von Moschee-Neubauten in Berlin nie durchsetzen können. Würde ein Referendum wie in der Schweiz daran etwas ändern? Die Moschee-Befürworter argumentieren auch in Berlin, eine solche Volksabstimmung verstoße gegen das Grundgesetz, weil damit das Grundrecht der Muslime auf freie Religionsausübung beeinträchtigt würde. Im Zweifelsfall müssten Gerichte darüber entscheiden, ob ein solches Votum rechtskräftig sei oder nicht. Aber erst hinterher. Wenn eine Gruppe die Unterschriften zusammenbekäme, dann müsste erst einmal über den Gesetzesvorschlag abgestimmt werden. Ausgang ungewiss. Das haben bereits die Abstimmungen über den Flughafen Tempelhof und über „Pro Reli“ gezeigt.

Die Minarett-Gegner spielen in der veröffentlichten Meinung der Hauptstadt kaum eine Rolle. Nur in Internet-Foren artikulieren sie sich in großer Zahl. Selbst die Leser des linksliberalen „Tagesspiegel“ ließen hier Sympathien für die Schweiz erkennen. So beschwerte sich ein Leser über die Abgehobenheit der Politiker: „Die politische und intellektuelle Elite verliert immer mehr den Kontakt zum Volk. Und das Volk kümmert sich nicht mehr groß darum, was die Elite sagt oder schreibt.“

Ein anderer Leser fragt: „Warum darf die europäische Bevölkerung nicht selber über ihre Kultur und Zuwanderung entscheiden? Um nichts anderes geht es hier. Es wurde 40 Jahre sämtliche Diskussion zu diesem Thema unterbunden. Auch in den Medien.“ Ein dritter schließlich findet Minarette bei uns eigentlich unvorstellbar: „Minarette in der Schweiz? Ich habe mir diese Frage nie gestellt. Und wenn ich sie mir stelle, denke ich: Nein. Minarette in den Alpen liegen zur Zeit außerhalb meiner Vorstellungskraft. Das tun auch Minarette in Berlin.“ Markus Schleusener


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