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12.12.09 / Kippt Schwarz-Grün? / Keiner schreibt der Hamburger Koalition noch Signalwirkung für den Bund zu

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-09 vom 12. Dezember 2009

Kippt Schwarz-Grün?
Keiner schreibt der Hamburger Koalition noch Signalwirkung für den Bund zu

Mit großen Ambitionen war die erste schwarz-grüne Koalition auf Länderebene gestartet. Der Hamburger CDU-Chef und heutige Finanzsenator Michael Freytag sprach euphorisch vom „Beginn einer wunderbaren Freundschaft“. Knapp zwei Jahre später kracht es mächtig im Gebälk der Koalition − und das nicht erst seit dem erfolgreichen Volksbegehren gegen ihr wichtigstes Reformprojekt.

Sichtlich genervt und innerlich angefressen zeigt sich die grüne Bildungssenatorin Christa Goetsch (GAL). Sie sieht ihr zentrales Projekt gefährdet und ist wohl kaum zu größeren Kompromissen bereit. Die sechs Jahre Einheitsschule seien nicht verhandelbar. Äußerlich gelassen versucht sich derweil der Erste Bürgermeister Ole von Beust (CDU) zu geben. Zwar zeigte er sich kurz nach dem sensationellen Ergebnis des Bürgerbegehrens „persönlich getroffen“, aber nun will er „Kurs halten“. Die Einheitsschule hält er für „vernünftig“ und schaltete den Unternehmer Michael Otto („Otto-Versand“) als Vermittler ein.

Für von Beust steht viel auf dem Spiel − nicht nur für ihn persönlich, sondern auch im Hinblick auf die Bundespolitik. Wohl mit ausdrücklicher Zustimmung von Bundeskanzlerin Merkel wagte er im Frühjahr 2008 den Einstieg in die bundesweit erste Koalition dieser Art auf Länderebene. Das galt damals auch als Testlauf für eine mögliche Beteiligung der Grünen an einer zukünftigen Bundesregierung. Die Differenzen zwischen linksliberalen Christdemokraten und den Elbgrünen schienen nach einem Verhandlungsmarathon von 100 Stunden geklärt. Schließlich einigte man sich auf die tiefgreifende Schulreform, den Bau eines umstrittenen Kohlekraftwerkes und die Vertiefung der Elbe.

Durch die bürgerliche Mehrheit bei der letzten Bundestagswahl ist die Frage einer schwarz-grünen Option zwar nicht mehr aktuell, aber bundesweit würde ein Scheitern der schwarz-grünen Option Signale setzen. Und für ein Scheitern gibt es bereits Indizien. Nach der jüngsten Umfrage des Psephos-Instituts hätte die schwarz-grüne Koalition ihre Mehrheit verloren − und noch schlimmer: Die CDU liegt gegenüber der letzten Wahl mit minus sechs Prozent hinten, die Grünen dagegen mit drei Prozent im Plus.

In einem aktuellen Interview zeigte von Beust Nerven. Äußerlich gelassen meinte er, „mich interessieren nur Stimmen und nicht Stimmungen“, er sei kein „Fähnchen im Wind“. Doch am Ende rutschte es ihm doch heraus: „Ich will auf keinen Fall eine Große Koalition.“ Indirekt verriet er damit, was ihn tatsächlich beschäftigt. Wenn der Bürgermeister im Falle von zunehmenden Problemen mit dem grünen Partner vorzeitige Neuwahlen, bei denen die CDU wohl einbrechen würde, vermeiden will, bliebe ihm nur die Große Koalition. Olaf Scholz, der neue Landeschef der SPD und ehemalige Arbeitsminister, hat von Beust dazu schon die Hand entgegengestreckt. Er sei bereit, über einen „Schulfrieden“ zu verhandeln. Immerhin bliebe v. Beust in dieser Konstellation Erster Bürgermeister, weil seine CDU 2008 deutlich stärker war als die SPD.

So pfeifen es Strategen und Taktiker derzeit wie die Spatzen von den Dächern: Nach einem Erfolg der Volksabstimmung im Sommer 2010 wäre die Koalition am Ende. Nach dem Desaster um die landeseigene HSH Nordbank mit milliardenschweren Stützungszahlungen für Fehlspekulationen der Banker könnte die Koalition nach einem Scheitern der Schulreform kaum noch weiterregieren. Die kommenden sechs Monate dürften daher bundesweit für Spannung sorgen. Gelingt doch noch der Kompromiss um eine veränderte Reform oder wechselt von Beust − wie schon einmal − einfach und plötlich die Pferde?               Hinrich E. Bues

Foto: Ole von Beust (CDU) und Christa Goetsch (Grüne): Noch ist man Koalitionspartner, doch der CDU-Politiker „denkt bereits fremd“.

 

Zeitzeugen

Walter Scheuerl – Der promovierte Anwalt ist Sprecher der Initiative „Wir wollen lernen“. Zusammen mit 250 Eltern gründete er sie im Mai 2008, unmittelbar nach dem Amtsantritt der grünen Bildungssenatorin Christa Goetsch. Generalstabsmäßig plante er das Bürgerbegehren, und nun erwarten die meisten, dass Scheuerl auch die Volksabstimmung im Sommer 2010 gewinnen wird. Er versteht sich selbst als Bewahrer der Bildungsvielfalt: „Das gemeinsame Lernen“, sagt er, „wäre doch wie die Kulturrevolution von Mao.“

 

Christa Goetsch – Die Schulreform ist das Herzensanliegen der grünen Zweiten Bürgermeisterin der Hansestadt und Bildungssenatorin. Die studierte Lehrerin für Chemie und Biologie begann ihre Schullaufbahn in der katholischen Schule St. Bonifatius in Wilhelmsburg. Seit 1979 ist sie Mitglied in der linken Lehrergewerkschaft GEW und seit 1995 bei den Elbgrünen.

 

Michael Otto – Der 1943 in Kulm bei Bromberg geborene Kaufmannssohn und Hamburger Milliardär soll im Schulstreit vermitteln. Der ehemalige Vorstandsvorsitzender der Otto-Gruppe, der sein ererbtes Unternehmen massiv ausbaute und sich lobenswert sozial engagiert, ist Vater zweier erwachsener Kinder.

 

Ole von Beust – Der gelernte Jurist und Christdemokrat ist seit 2001 Erster Bürgermeister der Hansestadt. Ein Bonmot in Hamburg lautet: Entweder regieren rechte Sozialdemokraten oder linke Christdemokraten. Der Freiherr war bisher flexibel: Zuerst regierte er mit dem rechtspopulistischen Ronald Schill, nun mit Linken von der Grün-Alternativen Liste (GAL). Von Beust bestreitet aber energisch, sein Fähnlein nach dem Wind zu hängen.

 

Sky Dumont – „Es ist fast schon kindliches Verhalten, wie sich Ole von Beust jeglicher Einsicht verweigert.“ So das Urteil des in Hamburg lebenden Schauspielers, der sich leidenschaftlich für die Initiative „Wir wollen lernen“ engagiert. Er ist Mitglied in der FDP, die als einzige Hamburger Partei die Initiative unterstützt. Der 1943 in Argentinien geborene Wahlhamburger hat mit seiner vierten Frau Mirja (*1976) zwei kleine Kinder.


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