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12.12.09 / 65 Prozent Ungeist

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-09 vom 12. Dezember 2009

65 Prozent Ungeist
von Konrad Badenheuer

Erst wenige Wochen ist es her, dass die Staats-und Regierungschefs der Europäischen Union der Tschechischen Republik eine Art Schutzklausel für die Benesch-Dekrete zugestanden haben. Die EU-Grundrechtecharta − an sich ein fester Bestandteil des Reformvertrages von Lissabon − solle jedenfalls in Tschechien nur insoweit anwendbar sein, dass die durch die Dekrete bewirkte komplette Enteignung der 3,2 Millionen Sudetendeutschen nicht infrage gestellt werden könne.

Dieser bedrückende „Verhandlungserfolg“ des tschechischen Präsidenten Václav Klaus hat Edvard Benesch und seinen Dekreten in der Tschechischen Republik zu neuer Beliebtheit verholfen. Laut einer Umfrage des Soziologischen Instituts der Akademie der Wissenschaften des Landes von Anfang November ist die Zahl der Befürworter der fortdauernden Gültigkeit der Dekrete wieder angestiegen. 65 Prozent der Befragten äußerten sich in diesem Sinne. 2006 und 2007 war „nur“ gut die Hälfte der Tschechen dieser Ansicht. Lediglich sieben Prozent glauben, eine Entschuldigung Prags bei den Betroffenen sei angebracht. Und nur vier Prozent sprachen sich für eine Entschädigung oder eine Rückgabe des Eigentums der Vertriebenen aus.

Wie gering dieser Anteil ist, wird daran deutlich, dass rund zwei Prozent der in der CR lebenden Menschen von einer solchen Wiedergutmachung selbst profitieren würden, weil sie entweder deutschstämmig sind oder zur Gruppe der als (angebliche) Kollaborateure ebenfalls enteigneten Tschechen gehören.

Bemerkenswert ist diese Umfrage aber vor allem aus einem anderen Grund. Sie belegt, dass in der Demokratie nicht nur fragwürdige Bewertungen zu falschen politischen Entscheidungen führen können, sondern auch umgekehrt. Ethisch und rechtlich unhaltbare politische Signale haben eine fatale Rück-wirkung auf das Denken breiter Schichten. Dieser Effekt kann immer wieder beobachtet werden: Nachdem Helmut Kohl 1997 die deutsch-tschechische Erklärung ohne eindeutige Verurteilung der Vertreibung der Sudetendeutschen unterschrieben hatte, stieg wenig später der Anteil der Tschechen, die die Vertreibung in Ordnung fanden. von den damals üblichen 65 Prozent auf den Rekordwert von 83 Prozent.

Auch in Deutschland lassen sich Beispiele für diesen Effekt finden: Laxe Gesetze oder allzu milde Gerichtsurteile etwa in Sachen Kindstötung unmittelbar nach der Geburt haben hier zu einer deutlichen Verflachung des Unrechtsbewusstseins geführt. Was früher als besonders abscheuliches Verbrechen galt, geht heute fast als eine Art verspätete Abtreibung durch.

Politiker müssen das wissen. Ihre Verantwortung für Fehlentscheidungen wie die des EU-Gipfels wird dadurch umso größer.

Foto: Welches Europa wollen wir: Eine Rechtsgemeinschaft auf der Grundlage der christlich-jüdischen Zehn Gebote oder ein Europa des Materialismus und Nationalismus, für das die Benesch-Dekrete symbolisch stehen? Das Motiv aus Prag mit einem Benesch-Denkmal links und der Loreto-Kirche rechts setzt diese Alternative ins Bild.


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