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12.12.09 / Für Kinder, Soldaten und Frauen / Lina Morgensterns soziales und sozialpolitisches Engagement half vielen Benachteiligten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-09 vom 12. Dezember 2009

Für Kinder, Soldaten und Frauen
Lina Morgensterns soziales und sozialpolitisches Engagement half vielen Benachteiligten

Vor 100 Jahren, am 16. Dezember 1909, starb Lina Morgenstern. Sie war eine der umtriebigsten und vielseitigsten Sozialaktivistinnen und Frauenrechtlerinnen Preußens. Dabei stellte sie ausgiebig ihre schriftstellerische Begabung in den Dienst ihrer sozialpolitischen Ziele.

Lina Morgenstern entwickelte schon als Minderjährige sozialpolitisches Engagement. So gründete die am 25. November 1830 in Breslau geborene Tochter eines jüdischen Möbel- und Antiquitätenhändlers bereits an ihrem 18. Geburtstag zusammen mit einigen Freundinnen einen „Pfennigverein zur Unterstützung armer Schulkinder“.

Einen starken Willen zeigte sie auch, als sie sechs Jahre später trotz jahrelangen Widerstandes der Eltern den Kaufmann Theodor Morgenstern heiratete. Mit ihm zog sie nach Berlin, wo sie ihr gemeinnütziges Engagement fortsetzte. Kaum in Preußens Hauptstadt angekommen, gründete sie dort den ersten Kindergarten nach dem Konzept des von ihr verehrten Pädagogen Friedrich Fröbel. Wie andere liberale Juden versprach Morgenstern sich von der gemeinsamen Erziehung von Angehörigen verschiedener Schichten, Klassen und Glaubensgemeinschaften eine Minderung der sozialen und religiösen Spannungen in der Gesellschaft. Dass in Preußen Kindergärten damals wegen „destruktiver Tendenzen auf dem Gebiet der Religion und Politik“ als „atheistisch und demagogisch“ verboten waren, hielt Morgenstern von ihrem Engagement nicht ab. Vielmehr gründete sie 1859 mit Gleichgesinnten den „Frauenverein zur Beförderung Fröbelscher Kindergärten“. 1861 übernahm sie den Vereinsvorsitz. In ihre Amtszeit bis 1866 fällt die Gründung von acht Kindergärten und einer Bildungsanstalt für Kindergärtnerinnen.

Nachdem ihre Familie in finanzielle Schwierigkeiten geraten war, hatte Morgenstern 1857 mit dem Verfassen von Kinderbüchern begonnen, um zum Unterhalt beizutragen. Fortan sollte Morgenstern ihr schriftstellerisches Talent in den Dienst ihres sozialen Engagements stellen. So schrieb sie das erste deutsche Handbuch für Kindergärtnerinnen, „Das Paradies der Kindheit durch Spiel, Gesang und Beschäftigung“, das 1861 erstmals und 1905 bereits in der fünften Auflage erschien.

Als sich der preußisch-österreichische Deutsche Krieg von 1866 abzeichnete, rief sie in Berlin zur Begründung von Volksküchen zur Linderung des zu erwartenden kriegsbedingten sozialen Elends auf. Wenige Wochen nach dem Kriegsausbruch wurde die erste Volksküche eröffnet. Weitere folgten. Und wieder gründete Morgenstern einen Verein und stellte ihr schriftstellerisches Talent in den Dienst der Sache. Sie gründete den „Verein der Berliner Volksküchen“ und veröffentlichte 1868 ein Buch über die Volksküchen und die dort erprobten Rezepte, aus dem später das „Universal-Kochbuch für Gesunde, Kranke und Genesende und erstes Lehrbuch für Kochschulen“ hervorging.

Die Volksküchen waren derart erfolgreich, dass sie nach dem Kriegs­ende beibehalten wurden und Preußens Königin die Schirmherrschaft übernahm. Als 1870 der Dritte Einigungskrieg, diesmal gegen Frankreich, ausbrach, wurde die diesbezüglich bewährte Morgenstern mit dem Vorsitz über das „Komitee zur Verpflegung der Truppen, Verwundeten und Gefangenen“ betraut.

Aus Vorträgen im Verein der Berliner Volksküchen mit Themen wie „Was vermögen die vereinigten Hausfrauen gegen die willkürliche Vertheuerung der Lebensmittel?“ entstand der Impuls zur Gründung des „Berliner Hausfrauenvereins“. Auch dessen Vorsitz übernahm Morgenstern und wieder leistete sie schriftstellerische Hilfestellung. So gab Morgenstern ab 1874 eine „Deutsche Hausfrauenzeitung“ heraus, zu der sie auch viele Artikel beisteuerte.

Aus dem Engagement für die Hausfrauen fand Morgenstern schließlich zur Frauenbewegung. 1894 gründete sie mit anderen Frauenrechtlerinnen den „Bund deutscher Frauenvereine“. Analog zum Kindergarten, der gesellschaftliche Grenzen überwinden sollte, setzte sich die Jüdin dafür ein, dass auch Arbeiterinnenvereine in den Bund aufgenommen wurden. Höhe- und Glanzpunkt ihres frauenpolitischen Engagements war 1896 eine Rede vor rund 1800 Delegierten des von ihr mitorganisierten „Internationalen Kongresses für Frauenwerke und Frauenbestrebungen“ in Berlin. Manuel Ruoff

Foto: Die Reformerin Lina Morgenstern um 1900


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