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12.12.09 / Weiße Flecken in der Biographie / Autorin versucht, das Leben ihrer verstorbenen Eltern nachzuzeichnen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 50-09 vom 12. Dezember 2009

Weiße Flecken in der Biographie
Autorin versucht, das Leben ihrer verstorbenen Eltern nachzuzeichnen

Ist das möglich – ein Buch über das Schicksal der eigenen Eltern in der Kriegs- und Nachkriegszeit zu schreiben, ohne mit ihnen selbst eingehende Gespräche darüber geführt zu haben? Es geht, und zwar mit Hilfe einiger Kunstgriffe: Man kann sich als Autorin in dramatisierender Weise selbst in den Text einbringen. Darüber hinaus kann man besinnliche Gedanken über Heimat und Heimatlosigkeit, Sehnsucht, Glauben und Verantwortung einfließen lassen und schließlich in die Gegenwart überleiten; denn Flüchtlingselend gibt es auch heute in vielen Ländern der Erde.

Die christliche Autorin Andrea Schwarz, Jahrgang 1955, hat diesen Weg beschritten. 2004 starb ihr Vater, 2006 ihre Mutter. Ihr Buch „Wenn die Orte ausgehen, bleibt die Sehnsucht nach Heimat“ ist eine sehr persönlich gehaltene Betrachtung über ihre Eltern, deren Verlust der ostpreußischen Heimat und über den eigenen Lebensweg. Sie gedenkt darin auch ihrer älteren Geschwister, die sie nie kennenlernen durfte. Bruder und Schwester starben als Kleinkinder auf der Flucht in der eingekesselten Stadt Gotenhafen. Andrea Schwarz’ Mutter Hildegard musste am 19. März 1945 schweren Herzens ohne ihre beiden Kinder die Flucht über die Ostsee nach Dänemark auf der „Monte Rosa“ antreten. Nach der Kapitulation wurde ihre Mutter zwei Jahre im dänischen Internierungslager in Hevring-Hede festgehalten.

Was in dieser Zeit geschah, darüber weiß die Autorin nichts. Zum Schluss schlägt Andrea Schwarz den Bogen nach Afrika, zu einem Flüchtlingscamp an der südwestafrikanischen Küste. Sie kennt die schwierigen Lebensverhältnisse der Bewohner aus eigener Anschauung, da sie in kirchlichen Hilfsprojekten in einem benachbarten Township in der Nähe von Kapstadt mitarbeitet.

Doch zurück zum Anfang. Schwarz berichtet in knappen Sätzen. Es gelang ihr, die Lebensläufe ihres Vaters, geboren 1916 in Breslau, und ihrer Mutter, geboren in Heilsberg, bis zu dem Zusammentreffen der Eltern im Sommer 1947 in einem kleinen Taunusdorf zu rekonstruieren. Wichtig war dabei der schriftliche Nachlass. Wo immer es möglich war, füllte sie die Lücken mit Anekdoten und Rechercheergebnissen zu historischen Ereignissen. Ihrem Text hat sie anrührende Bilder aus dem Familienalbum beigefügt. 1948 zogen ihre Eltern nach Wiesbaden, nachdem ihr Vater eine Stelle bei der Stadtverwaltung gefunden hatte. „1950 wurde mein Bruder Michael geboren, im Oktober 1955 kam ich zur Welt. Ich wurde in Wiesbaden geboren – habe mich aber nie als Wiesbadenerin gefühlt.“

Auf ihr eigenes, lebenslanges Gefühl von Heimatlosigkeit beziehen sich denn auch immer wieder ihre Betrachtungen. Hat dieses Lebensgefühl vielleicht seinen Ursprung in dem Heimatverlust der Eltern? fragt sie. Schließlich fand sie neu zum Glauben und damit eine Art von Heimatersatz.               D. Jestrzemski

Andrea Schwarz: „Wenn die Orte ausgehen, bleibt die Sehnsucht nach Heimat – Fragmente einer geerbten Geschichte“, Herder, Freiburg 2009, geb., 109 Seiten, 12,90 Euro


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