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19.12.09 / Körtings Flucht nach vorne / Berlins SPD-Innensenator erklärt Linksextreme zu »rot lackierten Faschisten«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 51-09 vom 19. Dezember 2009

Körtings Flucht nach vorne
Berlins SPD-Innensenator erklärt Linksextreme zu »rot lackierten Faschisten«

Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) kämpft derzeit an mehreren Fronten: Er soll sich konsequent gegen permanent verschärfende linksextreme Gewalt einsetzen. Dabei will er aber weder den Koalitionspartner Linkspartei beschädigen noch in Konflikt mit seinem eigenen Weltbild kommen: dem Kampf gegen Rechts.

Berlins Opposition kann sich kaum beklagen, im Innensenator ein langweiliges Gegenüber zu haben. Die wiederkehrenden Mai-Krawalle erklärte der stets um Verständnis bemühte Jurist dieses Jahr so: „Das ist wie bei Sexualdelikten – ist die Frau erst mal ausgezogen und vergewaltigt, dann fällt es anderen leichter, auch mitzumachen.“ Aktuell steht Körting wegen einer Äußerung zu „rot lackierten Faschisten“ in der Kritik.

Ein Auslöser von Körtings Ausfall ist der Berliner FDP-Rechtsexperte Sebastian Kluckert. Er gehört seit langem zu den schärfsten Kritikern des Senators – sei es in der Frage von Volksbegehren oder beim Skandal um Drogenschmuggel in Berliner Strafanstalten im Jahr 2007. Seit der Serie von Brandanschlägen und linker Gewalt kommt Körting nicht mehr aus der Schusslinie. Ende November warf Kluckert ihm „hilfloses Agieren“ gegen linke Gewalt vor. Die Studie des Berliner Verfassungsschutzes „Linke Gewalt in Berlin“ war gerade erschienen, da fragte Kluckert nach Verbindungen der autonomen Gewalt-Szene in die Linkspartei – das zielt ins Herz von Rot-Rot.

Tatsächlich melden parallel zum hektischen Bemühen des rot-roten Senats, Aktivität gegen Linksextreme zu zeigen, Linkspartei-Politiker wie Evrim Baba regelmäßig Demonstrationen an, bei denen es zu gewalttätigen Übergriffen kommt. Bei der ebenfalls von ihr angemeldeten Demo am         21. November wurden Polizisten verletzt. Polizeipräsident Dieter Glietsch sagte nebulös, „gewisse Leute“ hätten die Kundgebung „missbraucht“. Die Initiatorin und Linke-Abgeordnete Baba beharrt unbeirrt auf gemeinsamen Aktionen mit gewaltbereiten Linken. „Linke Freiräume schaffen gegen Nazis, Staat und Kapital“ war das Motto der von ihr angezettelten Aktion. Seither steht Kluckerts Vorwurf, Körting schone den roten Koalitionspartner unbeantwortet im Raum. Jüngst erneuerte der Liberale seine Kritik.

Körting und die SPD gingen in der Sache lange nicht darauf ein. Stattdessen warf der Senator Kluckert pauschal „Brunnenvergiftung“ vor. Doch jetzt trat Körting mit einem verbalen Ablenkungsmanöver gegen „rot lackierte Faschisten“ die Flucht nach vorn an, zitierte den Behauptungswillen der SPD Kurt Schumachers aus den Nachkriegsjahren gegen Linksextreme. Anlass von Körtings verbalem Befreiungsschlag ist allerdings nicht nur der Druck der Opposition. Vielmehr spitzt sich die linke Gewalt zu: Zeitgleiche und womöglich abgestimmte Angriffe Links-Autonomer auf das Bundeskriminalamt in Berlin-Treptow und eine Polizeiwache in Hamburg eröffneten eine neue Dimension der Gewalt. In Hamburg war eine Polizistin aus ihrer Wache gelockt und mit Steinen beworfen worden. Zwei Polizeiautos wurden angezündet. Ein Bekennerschreiben verweist auf die linksautonome Szene, so die Ermittler – Tötungsabsicht inklusive. Drei Tage später wollte sich Körting mit dem Faschisten-Vergleich Luft verschaffen.

Im Innenausschuss des Abgeordnetenhauses sagte er, der Begriff „trifft auch auf Teile der linksextremen Szene zu“ und: „Ich meine, dass eine demokratische Partei es sich nicht leisten kann, auch nur in Teilbereichen ein gebrochenes Verhältnis zu Gewalt zu haben.“

Körting vermeidet indes nach wie vor direkte Kritik an der Linkspartei. Linke-Landeschef Klaus Lederer nahm diese Rücksicht gern auf und beteuerte: „Da gibt es weder offene noch heimliche Sympathie.“ Eine neue Studie, diesmal zur autonomen Gewalt am 1. Mai und von der Freien Universität erstellt, soll zur Aufklärung beitragen, kündigt der Innensenator an. Denn: Täter und Unterstützer treten bei bisherigen Äußerungen Körtings kaum auf. Milieus, Stimmungen, der Kiez – dort liegt das offizielle Erkenntnisinteresse. Kritiker spotten, Körting verstehe alles, tue aber nichts.

Seine Wendung zu Schumacher könnte laut Beobachtern statt eines Tadels auch ein Angebot an die Linke enthalten: Wir erklären die Autonomen gemeinsam zu „rot Lackierten“, also zu Nazis, womit die Sache unter den „Kampf gegen Rechts“ fiele. Koalitionsfriede und Weltbild ließen sich so wieder in Einklang bringen. Die Linke müsste sich dafür allerdings von den Autonomen abnabeln, wozu sie erkennbar nicht bereit ist.

Erfolge im Aufspüren der Täter bleiben derweil gering, was Nachahmungstäter auf den Plan ruft. Diese verschwommen linken Mitläufer machen die Szene unübersichtlicher. Das Unübersichtliche nutzt Körting: Ein Bundespolizist und ein türkischer Familienvater, die er als Beispiele der Steinewerfer vom Mai nannte, gehörten jedenfalls nicht zur linken Szene, stellt er fest. Sein Kampf für die Ächtung linksextremer Gewalt soll somit weiterhin als Kampf ohne klar umrissenen Gegner geführt werden. An eine Koordination oder bundesweite Zusammenarbeit Linksextremer glaubt der Senator nicht: „Die gibt es nicht mal in Berlin.“         Sverre Gutschmidt

Foto: Die Verflechtung von Linkspartei und gewaltbereiter Linker wird zur Belastung für die rot-rote Senatskoalition: „Antifaschisten“ auf dem Marsch durch  Berlin, Sommer 2009

Bild: action press


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