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26.12.09 / Nachgeben an der falschen Stelle / Die Kultusminister haben beschlossen, die Hochschulreform von Bologna zu reformieren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 52-09 vom 26. Dezember 2009

Nachgeben an der falschen Stelle
Die Kultusminister haben beschlossen, die Hochschulreform von Bologna zu reformieren

Im Juni 1999 haben sich 31 europäische Staaten in der gemeinsamen Erklärung von Bologna unter dem Titel „Der gemeinsame europäische Hochschulraum“ verpflichtet, bis zum Jahr 2010 vergleichbare Studienabschlüsse in Europa zu schaffen. Im Kern ging es dabei um die Einführung eines „gestuften“ Studiensystems mit den Abschlüssen Bachelor und Master.

In einem auf drei Jahre angelegten Studium bis zum Bachelor sollen eine Qualifikation erreicht und die Grundlagen für das weiterführende Studium zum Master gelegt werden. Im Anschluss an die jeweiligen Lehrveranstaltungen findet eine Erfolgskontrolle statt („Credit points“). Tatsächlich sind in den Universitäten und Fachhochschulen bereits eine Reihe von Diplom- oder Staatsexamen-Studiengängen entsprechend angepasst worden. Überlange Studienzeiten von zwölf Semestern und mehr, das hohe Durchschnittsalter beim Studienabschluss von 28 Jahren und eine hohe Abbrecherquote von bis zu 30 Prozent in einigen Fächern waren die Gründe für diese Reform. Sie war nicht nur an die Adresse der Studierenden gerichtet, die in dieser Zeit ein bestimmtes Pensum erarbeiten müssen, sondern vor allem an die Professoren, den Stoff so zu gestalten, dass er in dieser Zeit studierbar ist. Dass dies in vielen Fächern möglich ist, beweist das gesamte Ausland. Manche Hochschullehrer und viele Studierende sowie politisch Verantwortliche haben offenbar immer noch nicht begriffen, dass die Massenhochschule ein anderes Ausbildungssystem verlangt als die auf kleinere Zahlen ausgerichtete Universität der Vergangenheit. Innerhalb von 50 Jahren ist der Anteil der Studenten an der gleichaltrigen Bevölkerungsgruppe von drei auf über 35 Prozent gestiegen, in absoluten Zahlen von 300000 auf etwa zwei Millionen. Dieses Volumen nach dem gleichen Schema bewältigen zu wollen kann nicht funktionieren. Überlange Studienzeiten und hohe Abbrecherquoten waren die Folgen.

Inzwischen ist das Pendel in die andere Richtung ausgeschlagen. Die zum Teil berechtigten Klagen der Studenten über Stofffülle, zu viele Prüfungen und damit ein − jedenfalls nach sechs Semestern − nicht zu bewältigendes Bachelor-Examen haben eines klar gemacht:  Dort, wo man nicht konsequent nur soviel in die Studienpläne hineingenommen hat, wie auch bewältigt werden kann, sind sie überfrachtet. Die Ursachen dafür sind vor Jahrzehnten gelegt worden. Im Zuge der ersten großen Reformwelle an den Universitäten in den 1970er Jahren wurde eine große Zahl neuer Stellen für Professoren geschaffen. Zusätzlich gab es so genannte Überleitungen derart, dass Nachwuchswissenschaftler in einigen Ländern ohne förmliches Berufungsverfahren, Professuren erhielten. Oft kam es dabei zu einer Aufsplitterung von Fächern. Wegen der Teilhabe an den zu verteilenden Mitteln erfolgte die Verankerung der dabei neu definierten Fächer in den Prüfungsordnungen.

Die Kultusminister haben jetzt die Notbremse gezogen. Stofffülle und Prüfungen sollen begrenzt werden. Die Rede ist davon, dass der Zeitrahmen einschließlich des Selbststudiums 32 bis 39 Stunden pro Woche betragen soll. Außerdem wird die Zahl der Prüfungen sinken: Eine Lehreinheit, „Modul“ genannt, soll nur noch mit einer Prüfung abgeschlossen werden.

Die Proteste der Studenten und das teilweise begründete Verständnis dafür führen allerdings auch zu einem Nachgeben an der falschen Stelle. Man wird die Studienzeit verlängern, anstatt den Stoff zu reduzieren, mit der Folge, dass die Studiendauer wieder zunimmt und das Durchschnittsalter der Absolventen steigt. Sollte es darüber hinaus dazu kommen, dass die Schleuse zum Master geöffnet wird, haben wir bald wieder die alten Verhältnisse.    George Turner

Der Autor ist emeritierten Professor für Wirtschaftsrecht. Er war Präsident der Westdeutschen Rektorenkonferenz und Wissenschaftssenator des Landes Berlin.


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