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26.12.09 / Aufrappeln nach dem Absturz / Der Ausblick auf das Jahr 2010 – Die Wirtschaftsforscher erwarten einen verhaltenen Aufschwung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 52-09 vom 26. Dezember 2009

Aufrappeln nach dem Absturz
Der Ausblick auf das Jahr 2010 – Die Wirtschaftsforscher erwarten einen verhaltenen Aufschwung

Privatleute und Firmenlenker planen für das neue Jahr. Die Krise im Jahr 2009 ist unter dem Strich glimpflicher verlaufen als zu Jahresanfang meist befürchtet. Für 2010 erwarten die Experten nun einen moderaten Aufschwung.

Nach Meinung aller namhaften Forschungsinstitute kann Deutschland im kommenden Jahr mit einem maßvollen Wirtschaftswachstum rechnen. Der seichte Aufschwung sei jedoch recht instabil und könne sich schon im darauf folgenden Jahr wieder abschwächen. Vor diesem Hintergrund findet auch das geplante Rekord-Schuldenmachen der öffentlichen Haushalte die Billigung vieler Experten. Die Arbeitslosenquote soll ziemlich konstant bleiben. Mit dieser Voraussage korrigieren die Institute ihre letzten Schätzungen zum Besseren.

Nach Auffassung des Münchner ifo-Instituts hat Deutschland die schwerste Rezession nach dem Zweiten Weltkrieg überwunden. Allerdings fehle noch die rechte Aufschwungdynamik. Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn brachte seine Lagebeschreibung darum in ein plastisches Bild: „Wir sind von der Klippe abgestürzt, liegen am Boden und krabbeln jetzt auf allen Vieren wieder hoch.“ Das sei ein langsamer und mühseliger Prozess. Angesichts dieser Benommenheit rechnen die Münchner im nächsten Jahr lediglich mit einem Wachstum von 1,7 Prozent nach einem Schrumpfen von 4,9 Prozent im laufenden Jahr. Bislang hatte das ifo-Institut ein Minus von 6,3 Prozent in 2009 und ein nochmaliges Absinken um 0,3 Prozent im Jahr 2010 prognostiziert.

Andere führende Institute teilen diese etwas optimistischere Sicht zumindest tendenziell. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) erwartet im nächsten Jahr einen Anstieg des Bruttoinlandsprodukts um 1,2 Prozent, das Hamburger Weltwirtschaftsinstitut um 1,5 Prozent, das Institut für Wirtschaftsforschung Halle um 1,9 Prozent und das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) um sogar zwei Prozent. Gleichwohl betonen alle Experten das dünne Eis, auf dem die Entwicklung ruht. Postbank-Volkswirt Thilo Heidrich mahnte: „Es scheint sich die Erwartung durchzusetzen, dass die Erholung doch nicht so nachhaltig ist und dass es Rückschläge gibt.“ Im Klartext: Die deutsche Wirtschaft ist trotz Konjunkturprogrammen noch von einem selbsttragenden Aufschwung entfernt. Der Chef der fünf Wirtschaftsweisen Wolfgang Franz, zugleich Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), gab die düsterste Erklärung: Wir seien „nach wie vor in einem Rezessionstal“.

In dieser Lage sieht nicht nur die schwarz-gelbe Bundesregierung keine Alternative zur massiven Erhöhung der Neuverschuldung. Infolge der Wirtschaftskrise hat Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) einen Haushaltsentwurf für 2010 mit der Rekord-Neuverschuldung inklusive der Nebenetats von über 100 Milliarden Euro vorgelegt. Das sei, so der „Schatzmeister“ des Bundes, „bitter, aber wirtschafts- und sozialpolitisch richtig“. Ifo-Chef Sinn erteilte dem nicht unumstrittenen Vorhaben die Absolution: „Wir können nicht aufhören mit dem Schuldenmachen im nächsten Jahr, weil wir dann die Wirtschaft abwürgen würden.“ Der Etat enthält neben dem Wachstumsbeschleunigungs-Sofortprogramm nur 28,7 Milliarden Euro Investitionen. Ein Großteil des Programms besteht aus Entlastungen für Wirtschaft und Steuerzahler. Ab 2011 will die Koalition dann strikt sparen – aus grundsätzlichen Erwägungen, aber auch, weil dann die Schuldenbremse zu „beißen“ beginnt.

Wie sich die Konjunktur und mit ihr die Steuereinnahmen bis dahin tatsächlich entwickeln werden, bleibt abzuwarten. Während ifo-Präsident Sinn 2011 ein gegenüber 2010 abgeschwächtes Wachstum von 1,2 Prozent erwartet, sieht das Kieler IfW die Entwicklung optimistischer: Im übernächsten Jahr werde die Konjunktur mit einem Wachstum von dann zwei Prozent spürbar anziehen. Vor allem die Steuererleichterungen für Arbeitnehmer kurbelten den Konsum an. Einigkeit herrscht wiederum in der Erwartung, dass Deutschland den kräftigen Einbruch des laufenden Jahres so schnell nicht werde kompensieren können. Global betrachtet werde die Europäische Union längere Zeit brauchen, um die Folgen der Krise hinter sich zu lassen, als etwa die dynamischeren Regionen Asiens. Ifo-Chef Sinn sieht in Brasilien, Indien und China – die bereits vom momentanen Einbruch viel weniger betroffen sind – die Triebkräfte des Aufschwungs.

Für den Arbeitsmarkt geben die Forscher unterdessen teilweise Entwarnung. Laut IfW Kiel werde die Arbeitslosigkeit 2010 bei ungefähr 3,8 Millionen im Jahresschnitt liegen. Das entspräche einer Quote von 9,2 Prozent. Das DGB-nahe IMK sieht hingegen nur einen Anstieg um 180000 auf 3,6 Millionen. Das deckt sich mit den ifo-Prognosen. Die Münchner erwarten auch einen nur leichten Anstieg der Inflation auf 0,6 Prozent. Jost Vielhaber

Foto: 2010 wieder schwarze Zahlen? Der Augsburger Roboterbauer leidet unter der gesunkenen Nachfrage der Automobilbranche.        Bild: pa


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