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26.12.09 / Was bedeutet lebenslänglich?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 52-09 vom 26. Dezember 2009

Was bedeutet lebenslänglich?
von Hans Heckel

Die Bundesrepublik soll 50000 Euro Entschädigung zahlen für einen Schwerverbrecher, dessen Sicherungsverwahrung nachträglich verlängert wurde. Dies entschied der Europäische Menschenrechtsgerichtshof. Hauptbegründung: Als der Mann verurteilt wurde, galt noch ein altes Gesetz, das die Zwangsverwahrung von gemeingefährlichen Delinquenten nach Verbüßen ihrer Haftstrafe auf zehn Jahre begrenzte. Diese Begrenzung wurde erst 1998 aufgehoben, deshalb müsse für den besagten Inhaftierten die alte Zehnjahresfrist Bestand haben. Berlin will gegen das Urteil in Berufung gehen.

Es geht um den seit Jahren mit heftigen Emotionen geführten Streit um den Schutz der Öffentlichkeit auf der einen und die Rechte, die selbst ein Schwerstverbrecher hat, auf der anderen Seite.

Zu diesen Rechten zählt, dass ein Mensch für eine Straftat nicht zweimal bestraft werden darf, und sei die Tat auch noch so abscheulich. Im Falle des Klägers aber kann man es so auslegen: Bei seiner Verurteilung konnte er davon ausgehen, dass er nach Verbüßung seiner Haft und maximal weiteren zehn Jahren Sicherheitsverwahrung wieder auf freien Fuß kommt, obwohl ihn Gutachter als dauerhafte Gefahr für die Öffentlichkeit eingestuft hatten. Dass er nun vermutlich lebenslang hinter Gittern bleiben soll, legte er als unstatthafte Zweitbestrafung aus, worin ihm die europäischen Richter gefolgt sind.

Fachleute fordern seit längerem, das durch immer weitere Novellen kaum noch handhabbare Gesetz zur Sicherungsverwahrung endlich gründlich durchzuarbeiten. Schon in der schwarz-roten Koalition war eine Kommission damit befasst. Die geforderte tiefgreifende Reform lässt indes auf sich warten.

Eines der grundsätzlichen Probleme dürfte die Frage sein, ob Sicherungsverwahrung überhaupt Strafe ist. Der deutsche Gesetzgeber verneint das. Indes bleiben Sicherungsverwahrte im Gefängnis, daran ändern auch die verbesserten Haftbedingungen nichts, weshalb der Europäische Menschenrechtsgerichtshof die Verwahrung auch als Strafe einordnet.

Hier stößt das deutsche Recht auf kaum von der Hand zu weisende Widersprüche: Lebenslänglich bedeutet nach hiesiger Praxis meist 15 Jahre. Wenn danach aber ohnedies die Sicherungsverwahrung, seit 1998 auch buchstäblich lebenslang, folgt, dann sollten sich die Rechtsexperten der Politik lieber daran machen, die gängigen deutschen Vorstellungen von lebenslanger Haft zu überarbeiten. Das entließe sie aus der kaum gewinnbaren Debatte, ob Sicherungsverwahrung Strafe ist oder nicht. Denn kein freiheitsliebender Erdenbürger würde den Strafcharakter einer Zwangsverwahrung im Gefängnis bestreiten.

Foto: Anwohner protestieren gegen die Freilassung eines als gefährlich geltenden Sexualstraftäters: Viele Bürger wünschen sich, dass bestimmte Schwerkriminelle zumindest solange „weggesperrt“ werden, wie eine Gefahr von ihnen ausgeht − wenn nötig auch tatsächlich lebenslänglich. Bild: ddp


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