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26.12.09 / Null Toleranz gegenüber Intoleranz

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 52-09 vom 26. Dezember 2009

Nachgefragt:
Null Toleranz gegenüber Intoleranz
von Hans-Jürgen Mahlitz

Die Religionen müssen alle toleriert werden, und der Fiskus muss nur das Auge darauf haben, dass keine der anderen Abbruch tue, denn hier muss ein jeder nach seiner Façon selig werden.“ Mit diesem vielzitierten Satz markierte Friedrich der Große im Jahre 1740 einen der geistigen Eckpfeiler seiner Regentschaft. Zusammen mit dem im selben Jahr erstmals formulierten Folterverbot machte die staatlich garantierte Religionsfreiheit das noch junge Königreich Preußen zum weltweiten Vorreiter in Sachen Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit.

Zur Zeit zitieren selbsternannte kritische Geister gern auch einen anderen Satz des damals noch recht jungen „Alten Fritz“, ebenfalls aus dem Jahre 1740: „Alle Religionen sind gleich und gut, wenn nur die Leute, die sie ausüben, ehrliche Leute sind; und wenn Türken und Heiden kämen und wollten das Land bevölkern, so wollen wir ihnen Moscheen und Kirchen bauen.“

Der Preußenkönig also als Kronzeuge gegen das Schweizer Minarettverbot – und gegen vermutlich ähnliche Abstimmungsergebnisse, hätte man den Mut, auch in Deutschland das Volk nach seiner Meinung in solchen Dingen zu fragen?

Blickt man genauer hin, erkennt man, dass Friedrich der Große hier etwas vor­eilig und oberflächlich vereinnahmt wird. Er hatte, wie seine Vorgänger und Nachfolger, klare Vorstellungen, was Religion ist, was Religionsfreiheit folglich zu garantieren hat – und was nicht. Hier zieht sich eine klare Linie über die Jahrhunderte, vom Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg über Friedrich den Großen bis zu König Friedrich Wilhelm IV., drei Namen, die jeweils mit einem so genannten Toleranz­edikt (anno 1685, 1740 und 1847) verbunden sind.

Nehmen wir also Friedrichs Empfehlung zum Bau von Moscheen (ob mit oder ohne Minarett und wenn ja, bis zu welcher Höhe, ist leider nicht überliefert). Religionen sind, so der König, nur dann „gleich und gut“, wenn ihre Gläubigen „ehrliche Leute“ sind. Nur dann, so ist die königliche Bauverordnung zu verstehen, soll der Staat die rechtlichen und räumlichen Voraussetzungen zur freien Ausübung des jeweiligen Glaubens bereitstellen. Wer aber eine Religion nur als Vehikel benutzt, um ganz andere, beispielsweise politische oder finanzielle Ziele zu verfolgen, schließt sich somit von allen Freiheitsprivilegien aus. (Genau darum ging es übrigens auch jetzt in der Schweiz: Die freie Religionsausübung will niemand den Muslimen verbieten, wohl aber das demonstrative Umfunktionieren des Minaretts vom religiösen zum machtpolitischen Symbol.)

Den preußischen Herrschern bedeutete Religionsfreiheit immer Freiheit für Religionen, in einem klar geregelten gesetzlichen Rahmen. Heute hingegen bedeutet für viele, die sich besonders lautstark an den aktuellen Diskussionen beteiligen, Religionsfreiheit eher Freiheit von Religion – Deutschland (und am liebsten natürlich auch die benachbarten Aufmarschgebiete der Steinbrück’schen Kavallerie) als „religionsfreie Zone“, das ist das erklärte Endziel. Dabei ist nahezu jedes Mittel recht; zum Beispiel ist es schon rein sprachlich mehr als abenteuerlich, wenn nach dem unerwünschten und politisch inkorrekten Entscheid der Eidgenossen gleich ein ganzes Volk als „populistisch“ abgekanzelt wird.

Gerade in diesen festlichen Tagen wird uns doch bei jeder passenden (und erst recht bei jeder unpassenden) Gelegenheit klargemacht, wie weit die Freiheit von Religion, sprich die Entchristlichung unseres gesellschaftlichen Lebens, bereits fortgeschritten ist. Weihnachten – die Älteren unter uns werden sich noch an dieses veraltete Wort für Xmas erinnern – wird fast nur noch wahrgenommen als Konsumschlacht und Dauerparty mit viel Glühwein und lustigen Santa-Claus-Kostümen. Ein letzter Hauch von Menschlichkeit weht allenfalls noch durch den Spendenmillionen-Wettbewerb, der zwischen diversen Fernseh­anstalten ausgetragen wird.

Die breite Mehrheit, selbst die der immer noch Kirchensteuer Zahlenden, weiß gar nicht mehr, was da eigentlich gefeiert wird – Hauptsache, man feiert mit. Öffentliche Bekenntnisse zum christlichen Glauben sind längst „out“, werden allenfalls noch halb staunend, halb belustigt zur Kenntnis genommen, wenn lateinamerikanische Fußballimporte nach erfolgreichem Torschuss Dankesgesten gen Himmel senden.

Zugleich nehmen wir wahr, wie sich der Islam, der ja dem Alten Fritz noch keineswegs unwillkommen war, immer stärker in unserem öffentlichen Leben ausbreitet. Wir sehen die Gefahr, dass aus unserem christlichen bald schon ein muslimisches Abendland werden könnte. Zumindest ist dies der Tenor der öffentlichen – nicht der veröffentlichten – Meinung in Deutschland und in unseren europäischen Nachbarländern.

Aber es reicht nicht, sich gegen diese Entwicklung so zu wehren, wie die Mehrheit der Schweizer das uns jetzt dankenswerterweise vorgemacht hat. Entscheidend ist ein Versäumnis in uns selbst: zu wenig Bekennermut, zu wenig christliches Selbstbewusstsein, zu wenig Glauben. Dafür umso mehr Angst, als „intolerant“ zu gelten.

Wie unberechtigt solche Angst ist, lehrt ein Blick in das literarisch bedeutendste Dokument zum Thema Toleranz, Lessings Ringparabel. Da spricht der weise Jude Nathan zum Muslim Saladin: „Wie kann ich meinen Vätern weniger / Als du den deinen glauben? ... Kann ich von dir verlangen, dass du deine / Vorfahren Lügen straftst, um meinen nicht / Zu widersprechen? ... Das nämliche gilt von den Christen.“ Mit anderen Worten: Toleranz bedeutet nicht, sich selber, den eigenen Glauben, die eigenen Ziele und Lebensvorstellungen gering zu achten und zu schwächen. Und Selbstbewusstsein, Eigenwertgefühl oder auch Nationalstolz haben nichts mit Intoleranz zu tun.

Zu Recht betont Wilhelm v. Gottberg in seinem Beitrag auf Seite 1 dieser Ausgabe, dass Toleranz Grenzen hat. Diese Grenzen haben einen Namen: Intoleranz! Wer selber zu keinerlei Toleranz bereit ist, wer da, wo er das Sagen hat, anderen keine freie Religionsausübung gestattet, wer gar Christen, Juden oder andere Menschen um ihres Glaubens willen verfolgt, hat jeden Anspruch auf Toleranz verwirkt. Ohnehin wird er, wo ihm Toleranz im Sinne Lessings oder der preußischen Könige entgegentritt, diese eher als Schwäche empfinden, die er als der vermeintlich Stärkere rücksichtslos ausnutzen darf.

Was soll nun gelten? Das alttestamentliche „Auge um Auge“ (Ex 21,24) oder das neutestamentliche „Wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin“ (Mt 5,39)? Beide Textstellen muss man, wie Jesus es tat, im Kontext sehen. Die eine ist eben kein Aufruf zu Intoleranz, sondern verleiht, zusammen mit anderen Regeln, dem menschlichen Zusammenleben auf Erden Struktur. Die andere steht nicht für Toleranz im Sinne eines extremen Pazifismus, sondern ist eher vergleichbar dem Kampf zweier Hunde, der damit endet, dass der Unterlegene aufgibt, sich auf den Rücken legt und die Kehle anbietet, der Sieger aber nicht zubeißt.

Die wahre Kunst des Lebens besteht wohl darin, zwischen diesen Positionen den goldenen Mittelweg zu finden: Toleranz ja, aber nicht als Einbahnstraße. Und null Toleranz gegenüber Intoleranz!


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