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26.12.09 / Sie gab ihm einen Lutschbonbon / Berühmte Liebespaare der Kulturgeschichte: Leopold von Anhalt-Dessau und die Apothekerstochter Anna Luise Föse

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 52-09 vom 26. Dezember 2009

Sie gab ihm einen Lutschbonbon
Berühmte Liebespaare der Kulturgeschichte: Leopold von Anhalt-Dessau und die Apothekerstochter Anna Luise Föse

Mit einem Blechsäbel fuchtelnd stürmte Leopold, Erbprinz im Fürstentum Anhalt-Dessau (1676–1747), in die Stadtapotheke. Dort hatte er ein kleines Mädchen entdeckt, bei dessen Anblick sein Knabenherz einen Hopser tat. Apothekerstochter Anna Luise Föse hantierte am Tresen. „Ich darf nichts verkaufen“, rief sie ihm zu. „Ich habe Husten“, log Leopold.

„Dann gebe ich dir einen Lutschbonbon.“ Die Siebenjährige kam zu ihm. Wieder hopste sein Herz. So etwas Hübsches hatte der als „Rabauke“ bekannte Leopold noch nicht gesehen. Ihr steifes Röckchen bauschte sich, weiße Spitzen lugten hervor. Auf der Stirn kringelten sich helle Locken.

Um noch zu bleiben, fragte Leopold: „Was machst du hier?“ Sie wies auf ein schimmerndes Deckelgefäß: „Ich putze einen Albarello. Fass’ ihn nicht an, du bist zu grob. Er ist aus Venedig. Sehr teuer. Salben werden darin aufbewahrt.“ Leopold war es schnuppe.

Der künftige Kriegsheld fasste Mut: „Kannst du reiten?“ Luise verneinte. „Ich habe ein Pony“, triumphierte er. „Ich hole dich morgen ab und zeige dir, wie man reitet. Willst du?“ Luise wollte.

Beide ahnten nicht, dass ihre lebenslange Liebe begann...

Die Anhalt-Dessauer waren von den beiden „unzertrennlichen Kindern“ begeistert. Luise durfte im Schloß verkehren und nahm spielend höfische Manieren an. Bald war sie es, die Leopold aufforderte, sich besser zu benehmen.

Bedingt durch Leopolds militärische Ausbildung galt es, erste Trennungen zu verschmerzen. Kaum 17-jährig wurde er Kommandeur des brandenburgischen Infanterieregiments von Anhalt-Dessau. Stolz kehrte er in die Heimat zurück, eilte zu Luise. Sie waren nun junge Erwachsene; scheu begrüßten sie sich.

Langmut war nicht Leopolds Sache: „Ich liebe dich und werde dich heiraten.“ Luise schüttelte den Kopf: „Bald bist du Landesfürst, du musst standesgemäß heiraten.“ Er riss sie an sich: „Das werden wir ja sehen.“ Sie trafen sich täglich.

Besorgt nahm es Leopolds Mutter, Fürstregentin Henriette, wahr. Das war keine Kinderliebe mehr. Als Leopold ihr seinen Heiratsplan verriet, musste sie eingreifen. Eine Bürgerliche als Landesfürstin! Indiskutabel! Sie arrangierte für Leopold eine Bildungsreise nach Italien. Dort gab es Ebenbürtige genug, die der Ehe wert waren. Nach 15 Monaten war Leopold wieder in Dessau. Entgegen aller Etikette besuchte er nicht zuerst seine Mutter, sondern Luise. Er packte sie, setzte das Federgewicht auf den Tresen. „Wir heiraten. Sag‘ ja!“ Er rüttelte sie: „Sag’ ja, sag‘ ja!’ Endlich japste sie: „Ja!“ Dann ließ er sich bei seiner Mutter melden. Auch ihr sagte er, dass er unverzüglich heiraten werde. „Man wird über die Apothekertochter spötteln“, warnte Henriette. Ruppig erwiderte Leopold: „Luise ist Apothekerin. Verehrte Frau Mutter, können Sie Pillen drehen, Salben mischen, Medizinen zusammenmengen? Mit ihr werde ich gesund bleiben.“ Henriette unterdrückte ein Lachen. „Also geh’ und heirate deine Doktorin!“

Im Mai 1698 übernahm er vorzeitig die Regentschaft, im September fand die Vermählung statt. Als Hochzeitsgeschenk erbat er sich von Luise den Albarello. „Den von damals.“ Wovor Henriette gewarnt hatte, trat ein. Ganz Anhalt-Dessau fühlte sich düpiert. Man hatte Besseres verdient, raunten die Lästermäuler. „Ich werde ihnen die Mäuler stopfen“, schwor Leopold. Durch seine Beziehungen zum Wiener Hof erreichte er, dass Luise vom Kaiser zur „unabhängigen Reichsfürstin“ erhoben wurde. Damit stand sie im Rang höher als Leopold. 92000 Taler hatte die Urkunde gekostet. Vergnügt rieb er sich die Hände. Anhalt-Dessau dünkte sich urplötzlich „mit dem Kaiserhaus verwandt“.

Als Landesvater führte Leopold sein Zwergfürstentum in den Wohlstand. Er ließ Straßen, Brücken, Elbdämme bauen. In Wirtschaftsflauten erließ er die Steuern. Luise ihrerseits war für die Verwaltung aller Projekte verantwortlich.

Ab 1713 begann sein legendärer Aufstieg in der preußischen Militärgeschichte. Auf verschiedenen europäischen Kriegsschauplätzen erfocht er Sieg um Sieg. Stets kämpfte er in der ersten Reihe seiner Soldaten mit. Wie durch ein Wunder verletzte ihn nur einmal ein Streifschuss. Eine für ihn tödliche Verletzung erlitt er am 8. Februar 1745. Ein Eilbote aus Dessau meldete: „Herr Feldmarschall, ich habe die furchtbare Aufgabe, Ihnen den Tod Ihrer Frau Gemahlin mitzuteilen.“ Leopold taumelte. Für alle sichtbar, befiel ihn zunehmende Körperschwäche.

Noch einmal zwang er das Feldherrenglück. Mit dem Sieg der Schlacht bei Kesselsdorf gewann er für Friedrich II. den zweiten Schlesischen Krieg. Danach zog es ihn ins Schloss Dessau. Er wurde immer magerer, hinfälliger. Beim bloßen Anblick von Speisen war er schon satt.

Die Ärzte waren ratlos: „Der alte Dessauer ist kerngesund.“ Kurz der Leibarzt: „Er stirbt an der Liebe.“ Jeden Abend betrachtete Leopold den Albarello, „den von damals“. Sie hatte ihm einen Lutschbonbon geschenkt. Vorsichtig berührte er den Deckel. „Bald, Luise, ich komme.“ Das bewahrheitete sich.

Am 9. April 1747 starb er inmitten seiner Tafelgäste. Stocktrocken bemerkte der Koch: „Es hat ihm wieder nicht geschmeckt.“                Esther Knorr-Anders

Foto: Leopold von Anhalt-Dessau: Denkmal für einen Feldherrn.


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