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26.12.09 / Von der Kanzel die »Kristallnacht« angeprangert / Ulrich Sporleder war Pfarrer der Bekennenden Kirche (BK) und Offizier – PAZ-Serie über ostpreußische Märtyrer (Teil 5)

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 52-09 vom 26. Dezember 2009

Von der Kanzel die »Kristallnacht« angeprangert
Ulrich Sporleder war Pfarrer der Bekennenden Kirche (BK) und Offizier – PAZ-Serie über ostpreußische Märtyrer (Teil 5)

Pfarrer, Offizier und Widerstandskämpfer sind die drei Berufe eines Mannes, der im Alter von nur 33 Jahren kurz nach dem Hitler-Attentat vom 20. Juli 1944 eines gewaltsamen Todes starb. Der 1911 geborene Pfarrer Ulrich Sporleder wirkte als evangelischer Pfarrer der Bekennenden Kirche (BK) in Marienburg und Marienwerder, war hoher Offizier der Wehrmacht und Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus. Sein kurzer Lebensweg hinterließ ein lebendiges Zeugnis für ein mutiges und kämpferisches Leben als Christ.

Ähnlich wie sein berühmter Mitkämpfer der BK Dietrich Bonhoeffer wuchs Ulrich Sporleder in einer begüterten Familie mit großbürgerlichen und adligen Beziehungen auf. Seine Familie prägte ihn auf dem Rittergut Steinbeck (bei Bellin/Meck­lenburg) teils monarchistisch-nationalkonservativ, teils christlich-sozial und sozialdemokratisch. Durch seine Mutter Marie Anna Katharina, die Geschäftsführerin des monarchistischen Königin-Luise-Bundes war, kam der Junge schon früh in Kontakt mit der christlichen Jugendbewegung, insbesondere der Michaelsbruderschaft der liturgischen Berneuchener Bewegung.

So war der Weg zum Theologiestudium nicht weit, das Sporleder 1930 an der Universität Marburg begann. Dort wirkte zu dieser Zeit als Professor des Neuen Testaments der „Entmythologisierer“ Rudolf Bultmann und der spätere führende Kopf der BK Hans Freiherr von Soden. Gerade letzteren lernte der junge Student kennen und schätzen. Nach dem Wechsel an die Universität Königsberg 1934 setzte Sporleder sein Studium bei den Professoren Hans Joachim Iwand und Martin Noth fort, ebenfalls führenden Köpfen im Kampf der BK gegen die mit den Nationalsozialisten verbandelten Deutschen Christen (DC).

Als Fachschaftsleiter der Theologiestudenten kündigte Sporleder am 9. November 1934 eine Diskussion mit dem Professor Hans Michael Müller an. Thema der Aussprache im Audimax der Universität sollte dessen brisantes Buch „Vom Staatsfeind“ sein. Im selben Monat beteiligte sich der Student federführend an der Gründung der Bruderschaft junger Bekenntnistheologen. Ein halbes Jahr später, am 12. April 1935, protestierte Sporleder namens der Theologenschaft scharf im ostpreußischen Bruderrat gegen die vom Reichs- und Preußischen Minister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung am 15. Januar 1935 erlassenen Richtlinien zur „Vererbungslehre und Rassenkunde im Unterricht“. Solche Aktionen und Proteste galten schon Mitte der 30er Jahre als hochgefährlich und stempelten den Protestierenden als Staatsfeind ab.

Davon unbeirrt legte Sporleder 1936 sein Erstes Theologisches Examen bei der BK ab und geißelte auf einem Studententag am 15. Juni 1936 in Posen in einer Predigt über den Hebräerbrief die Nürnberger Rassegesetze: „Heute sind wir [Christen und Juden] mehr denn je ein Geschlecht [das heißt aus dem Geschlechte Davids].“ Seine am 1. Mai 1936 begonnene Vikarszeit im ostpreußischen Heilsberg unterbrach er im Oktober für eine Ausbildung als Offiziersanwärter in einem der traditionsreichen Husarenregimenter Ostpreußens. Ab 1937 widmete er sich wieder seiner kirchlichen Laufbahn als Vikar bei Pfarrer Werner Lehmbruch in Rehhof und dem Aufbau einer Bekenntnisgemeinde in Marienwerder, was nicht ohne Folgen bleiben sollte.

Als er am 14. November 1937 gemeinsam mit anderen Pfarrern, Hilfspredigern und Prädikanten in verschiedenen Kirchen Elbings im Rahmen eines „Kirchentages“ der BK predigte, wurde er zusammen mit Pfarrer Lehmbruch und fünf weiteren Geistlichen in Elbing inhaftiert. Bei den Verhören stellte sich heraus, dass seine Predigten, Telefongespräche und der Briefverkehr bereits seit einiger Zeit überwacht wurden. Sie dienten nun zur Begründung der Untersuchungshaft und der Anklageerhebung. Die BK setzte daraufhin den Vikar am 7. und 14. Dezember 1937 als letzten (Nr. 87) auf die reichsweite Liste der Fürbitten der BK, die von Pfarrer Martin Niemöller (Nr. 1) angeführt wurde.

Nach seiner Haftentlassung wurde Sporleder am 1. Mai 1938 zum Hilfsprediger der BK in Marienburg ernannt. Dort stand er ebenso wie sein Vorgänger als einziger Bekenntnisgeistlicher vier DC-Pfarrern gegenüber. In diese Zeit fallen auch erste intensivere Kontakte zu späteren Mitgliedern des militärischen Widerstandes. Spitzel der Gestapo besuchten seine Gottesdienste; mehrfach wurde er von Gemeindemitgliedern wegen des Inhalts seiner Predigten und seines Konfirmandenunterrichts denunziert. Wegen der Sammlung von Kollekten für die BK und Predigtfürbitten für gemaßregelte und inhaftierte Pfarrer stand er im Herbst des Jahres 1938 in zwei Prozessen als Angeklagter wieder vor Gericht. Davon ließ sich Sporleder jedoch nicht einschüchtern und prangerte in der Marienkirche im Silvestergottesdienst 1938 die Novemberpogrome gegen die jüdische Bevölkerung an. Darauf enthob man ihn – auf gemeinsames Betreiben des Konsistoriums, des Reichskirchenministeriums und der Gestapo – Anfang 1939 rück­wirkend zum 31. Dezember 1938 seines Amtes und belegte ihn mit Redeverbot.

Den Beginn des Zweiten Weltkrieges am 1. September 1939 erlebte Sporleder als Offizier einer im Wehrkreis I aufgestellten Panzerjägereinheit („Gruppe Brandt“), und er nahm am Polenfeldzug teil. Seit dem 10. Mai 1940 erfolgte der Einsatz beim Frankreichfeldzug im Rahmen der so genannten Panzergruppe von Kleist. Während des Krieges gegen die Sowjetunion war er als Hauptmann Kommandant einer mit den Panzertypen „Sturer Emil“, „Dicker Max“, „Elefant“ und „Hornisse“ beziehungsweise „Nashorn“ ausgerüsteten schweren Panzerjäger-Kompanie beziehungsweise -Abteilung und wurde mehrfach schwer verwundet.

Im Anschluss an einen Lazarett­aufenthalt legte Sporleder im Januar 1942 sein 2. Theologisches Examen ab und wurde anschließend in Marienburg ordiniert. Den vom Konsistorium geforderten so genannten „Führereid“ lehnte er (wie zuvor) wei­ter­hin ab. La­za­rett­auf­ent­hal­te und Heimaturlaube nutzte er nun vermehrt, um den Kontakt zu seiner Gemeinde und zu Widerstandsgruppen zu pflegen und sich politisch zu betätigen. Wohl im Zusammenhang mit diesen Aktivitäten wurde er 1942 erneut vor dem Reichskriegsgericht angeklagt. Nur durch die Protektion von Teilen der Generalität entging Sporleder einer Verurteilung. Seit kurz nach dem Hitler-Attentat vom 20. Juli, genau seit dem 25. Juli 1944, galt Sporleder in der Nähe von Lublin als vermisst. Ob er sich zusammen mit fünf weiteren Offizieren seiner Einheit in der Nacht vom 23. auf den 24. Juli 1944 durch einen Kopfschuss selbst getötet hat, wie fragwürdige Augenzeugen behaupteten, ist nicht gesichert. Sicher ist dagegen, dass sich Ulrich Sporleder als Pfarrer, Offizier und Widerstandskämpfer, im Gehorsam gegen das Wort Jesus, treu bleiben wollte, wie es Dietrich Bonhoeffer einmal ausdrückte.     Hinrich E. Bues


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