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26.12.09 / Spuren im Schnee

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 52-09 vom 26. Dezember 2009

Spuren im Schnee

Wirbelflöckchen sanken in geschäftiger Eile zur Erde hinab. Es hatte ein paar Tage lang getaut, und nun sah es so aus, als hätten die weißen Sternchen die Absicht, schnell alle dunklen Stellen auszubessern, um den weißen Zauber zu Weihnachten in makelloser Pracht über der Erde liegen zu haben.

Im Forsthaus draußen, weit ab vom Dorf, schaute man voll Behagen durch die Doppelfenster und freute sich, nicht mehr hinaus zu müssen. Die Mutter zeigte sich vor allem darüber erfreut, dass die Tochter schon zu Hause war, die sie in der Frühe in die Stadt nach Rosenwasser, Mandeln, Rosinen und noch einigen anderen Kleinigkeiten geschickt hatte. Else war ziemlich durchgefroren zurückgekehrt. Jetzt saß sie auf der Ofenbank am molligen Kachelofen und wärmte sich auf. Die Füße steckten in einer Schüssel mit heißem Wasser, das ihr bald nicht mehr warm genug vorkam. Vor dem Fenster der Stube spielte ihr kleiner, zehn Jahre jüngerer Bruder Klaus. Den bat Else, ihr noch einen Stippel voll heißes Wasser zum Nachgießen zu holen. Der Junge tat jedoch, als höre er das nicht. „Klaus, du sollst mir noch heißes Wasser holen, hörst du!“ forderte Else jetzt energischer. „Ich? – Päh!“ erhielt sie zur Antwort. „Na, warte, wenn ich hier raus bin!“ drohte Else daraufhin. „Bis du da raus bist, bin ich dreimal weg!“

Zufällig kam die Mutter herein. Bei ihr beschwerte sich Else über die ständig zunehmenden Ungefälligkeiten des Bruders. Er wurde auch gleich von der Mutter zur Rede gestellt und an das bevorstehende Weihnachtsfest und den Weihnachtsmann erinnert. Das aber beeindruckte den Jungen keineswegs. Er reagierte statt dessen mit allerlei kleinen Petzereien, die die Schwester wütend machten.

„Was meinst du, was passieren wird, wenn ich dem Weihnachtsmann alles erzähle, was ich ihm von dir erzählen kann, Bürschchen!“ drohte die Schwester. Der Kleine grinste überlegen. „Na, dich hat er doch viel mehr auf dem Kieker! In Acht nehmen solltest eher du dich!“ Mutter und Tochter lachten. Dann aber fragte die Mutter nach den Hintergründen für die Behauptung. Klaus zögerte nicht, den Beweis zu erbringen. Schon länger, so sagte er, verfolge er die Spuren des Weihnachtsmannes, und jede Nacht führten diese zum Stubenfenster der Schwester. An seinem Fenster sei der Knecht Ruprecht noch nicht gewesen.

Auf Elses Wangen flammte siedende Röte auf. Verlegen hob sie ihren Blick dem der Mutter entgegen. Die kleine Geheimniskrämerei mit dem neuen Forstgehilfen musste nun wohl gestanden werden. Aber das fiel ihr nicht leicht. Doch die Mutter blickte beim Zuhören gar nicht einmal streng, eher verständnisvoll. Vor dem Fenster entdeckten die beiden Frauen etwas später in dem munteren Schneeflockentreiben den Vater mit dem Forstgehilfen. Sie standen dort, und begutachteten von allen Seiten den Weihnachtsbaum, den sie eben aus dem Wald geholt hatten.

„Mir wäre er als Schwiegersohn recht!“ sagte die Mutter mit einem Blick zur Tochter. Else strahlte. Klaus hingegen plapperte vor sich hin. Nie hatte er dem Kommen des Weihnachtsmannes so sorglos entgegengeblickt wie in diesem Jahr. In der Haut seiner Schwester hätte er hingegen ganz und gar nicht stecken mögen. Hannelore Patzelt-Hennig


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