23.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
09.01.10 / Risse bei Rot-Rot / SPD-Senator nimmt Linksradikale demonstrativ unter Feuer – Zweifel an Wowereit

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-10 vom 09. Januar 2010

Risse bei Rot-Rot
SPD-Senator nimmt Linksradikale demonstrativ unter Feuer – Zweifel an Wowereit

Erst im Herbst 2011 wählen die Berliner ein neues Abgeordnetenhaus. Doch schon heute loten die Parteien Alternativen zur regierenden rot-roten Koalition aus. Auch bei der SPD, wo viele des Bündnisses mit den Postkommunisten überdrüssig sind.

Das Parteiengefüge der Hauptstadt kommt in Bewegung. Neben der CDU und der SPD machen sich die beiden anderen Parteien, denen zweistellige Wahlergebnisse vorhergesagt werden (Grüne 19 Prozent und Linke 17), Gedanken darüber, ob sie bei den im Herbst 2011 anstehenden Landtagswahlen nicht erstmals mit einen eigenen Bürgermeisterkandidaten antreten sollten. Nur bei der FDP ist von derlei Ambitionen nichts zu hören. Kein Wunder: Die Spree-Liberalen können nach der Forsa-Umfrage von Ende Dezember nur noch mit sieben Prozent rechnen. Beobachter sprechen von einem „Westerwelle-Tief“.

Allerdings mutet die Kandidatendebatte der Parteien etwas skurril an, denn nur SPD und CDU können derzeit mit mehr als 20 Prozent rechnen. Nur sie sind es auch, die genug Stimmen für eine Zweierkonstellation als Alternative zur regierenden rot-roten Koalition zusammenbrächten. Und es mehren sich Anzeichen dafür, dass innerhalb der SPD-Führung tatsächlich über ein anderes Bündnis nachgedacht wird.

In den vergangenen Wochen hat SPD-Innensenator Ehrhart Körting die Frage links motivierter Gewalt auffällig drastisch thematisiert. Dabei schoss er nicht etwa weit an seinem dunkelroten Koalitionspartner vorbei, sondern nahm indirekt die Postkommunisten selbst ins Visier und spielte somit bewusst mit der Stabilität des Senatsbündnisses. Zu einer Sollbruchstelle der Koalition könnte die kurdischstämmige Linken-Abgeordnete Evrim Baba werden. Sie sieht sich zunehmend dem Vorwurf ausgesetzt, Stichwortgeberin von Gewaltausbrüchen in der Stadt zu sein. Baba hatte wiederholt als offizielle Anmelderin von Demos angemeldet, die in Gewaltorgien ausarteten. Körting hat die linken Gewalttäter nun mit „Faschisten“ gleichgesetzt und sie sogar in die Nähe von RAF-Terroristen gestellt. Dabei hat er zwar bislang Baba nicht namentlich angeklagt. Doch an der Spree zweifelt niemand daran, auf wen die Attacken des Sozialdemokraten gerichtet sind: den radikalen Flügel seines eigenen Koalitionspartners. Daraus schließen nicht wenige, dass hier auf ein schleichendes Ende von Rot-Rot hingearbeitet wird. Als derzeit wahrscheinlichste Alternative gilt eine Neuauflage der Großen Koalition, welche die Hauptstadt bereits in den 90ern regiert hatte.

Doch was würde bei einem Wechsel von rot-roter zu rot-schwarzer Koalition im Berliner Rathaus aus Klaus Wowereit, der bundesweit gerade als Protagonist von Rot-Rot wahrgenommen wird? Insider beteuern zwar, dass Körting – der ja eigentlich dem linken Flügel seiner Partei zugerechnet wird – keineswegs die Absicht habe, den Regierenden Bürgermeister zu stürzen. Allerdings finden schon seit Monaten bei den Sozialdemokraten Hintergrundgespräche mit dem Ziel statt, den zunehmend als Belastung empfundenen Wowereit abzulösen. In diesem Zusammenhang fällt immer wieder der Name der früheren SPD-Finanzsenatorin in der Großen Koalition Annette Fugmann-Heesing. Auch die amtierende Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) soll vom Bündnis mit den Postkommunisten die Nase voll haben. Kein Wunder: In ihr Ressort fällt der Weiterbau der Autobahn A 100, den die Postkommunisten zu torpedieren versuchen (PAZ berichtete).

Eine absolute Mehrheit würden SPD und CDU 2011 nach aktuellen Umfragen auch zusammen nur ganz knapp erreichen. Zwar hat der moderat konservative Parteichef Frank Henkel die Hauptstadt-Union aus dem Tief von 19 Prozent, in das sie Vorgänger Friedbert Pflüger geritten hatte, auf nunmehr 26 Prozent wieder hochgefahren, während die SPD bei 21 Prozent dümpelt. Bei zurzeit zehn Prozent für Kleinparteien außerhalb des Parlaments käme so gerade noch eine Parlamentsmehrheit zusammen.

Die derart knappe Aussicht veranlasst einige Christdemokraten, alternativ über ein Bündnis mit Grünen und FDP nachzudenken. Das Beispiel Hamburg führt den Berliner Christdemokraten allerdings vor Augen, welche Gefahren ein Pakt mit den Grünen mit sich bringt: Dort probt die bürgerliche Basis gerade den Aufstand gegen die Schulpolitik von Schwarz-Grün, woran die Elbkoalition schon kommenden Sommer zerbrechen könnte.

Die Grünen wiederum sind hin- und hergerissen zwischen der Option „Jamaika“ und der Perspektive Rot-Rot-Grün, falls Rot-Rot 2011 seine Mehrheit verliert. Selbst CDU-Chef Henkel meint: „Bei der Bildungspolitik sind sie (die Grünen) beinahe eins zu eins der Auffassung von Rot-Rot.“ Der innenpolitische Sprecher der Grünen, Benedikt Lux, ist in einem schwarz-grünen Bündnis ebenfalls schwer vorstellbar. Der Besucher von Teenagerpartys im noblen Zehlendorf publiziert gern im antideutschen Blatt „Jungle World“ und zeigt ein seltsames Verhältnis zur Gewalt. So, als er im Vorfeld der letztjährigen Maikrawalle den CDU-Abgeordneten Kurt Wansner fragte, ob er „als Märtyrer enden“ wolle, als der Christdemokrat angekündigt hatte, sich vor Ort gegen die Gewalttäter stellen zu wollen.

Vor diesem Hintergrund erst entfalten die Attacken von Ehrhart Körting auf den linken Mob ihr koalitionstaktisches Gewicht. Die Gegensätze innerhalb möglicher Koalitionen unter Ausschluss der SPD geschickt nutzend, baut der Innensenator Brücken zur Union, indem er seine Distanz zu Teilen von Linkspartei und Grünen vergrößert und aufreizend in Szene setzt. Hans Lody

Foto: Von Rot-Rot die Nase voll? Berlins Stadtentwicklungssenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD) denkt angeblich über ein alternatives Bündnis nach. Für den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) könnte das gefährlich werden.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren