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09.01.10 / Streit um »gläserne Arbeitnehmer« / Der Elektronische Entgeltnachweis bedrohte Persönlichkeitsrechte - kurz vor Einführung nachgebessert

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 01-10 vom 09. Januar 2010

Streit um »gläserne Arbeitnehmer«
Der Elektronische Entgeltnachweis bedrohte Persönlichkeitsrechte - kurz vor Einführung nachgebessert

Müssen Behörden wissen, ob ein Arbeitnehmer berechtigt gestreikt hat oder wie viele Tage im Jahr er gefehlt hat? Datenschützer und Gewerkschaften meinen, die staatliche Datensammelwut gehe zu weit.

„Damit aus Elena kein Elend wird.“ Mit diesem Satz warb in der zweiten Dezemberhälfte ein Hersteller für Computerprogramme für sein neues Gehaltsabrechnungssystem. Zu diesem Zeitpunkt fühlte sich zumindest schon die zuständige Pressesprecherin im Ministerium für Arbeit und Soziales ziemlich elend, denn der Elektronische Entgeltnachweis, kurz Elena, sorgte noch wenige Tage vor Einführung für einigen Diskussionsbedarf und führte somit zu Nachfragen.

„Big Sister weiß alles“ titelte die linke „taz“ und entwarf das Bild eines sammelwütigen Staates, der absolut alles von seinen arbeitenden Bürgern wissen will und diese Daten keineswegs sicher zentral speichert. Einige der Vorwürfe sind allerdings nicht aus der Luft gegriffen. Vor allem handwerklich scheint es bei der Umsetzung von Elena, das selbst Verdi-Chef Frank Bsirske als ein „sinnvolles Projekt“ bezeichnete, einige Abstimmungsprobleme gegeben zu haben.

Grundsätzlich geht es beim Elektronischen Entgeltnachweis darum, manuelle Gehaltsabrechnungen und Arbeitgebernachweise auf Papier gegen ein modernes, einfacheres und unbürokratischeres System auszutauschen. Bisher schicken die etwa 3,2 Millionen Arbeitgeber für ihre Arbeitnehmer zur Ermittlung von Sozialleistungen Bescheinigungen an die Behörden. Diese auch mit aufwändigen Archivierungspflichten verbundene „Zettelwirtschaft“ soll der Vergangenheit angehören. Seit dem 1. Januar müssen Arbeitgeber die Entgeltdaten ihrer Mitarbeiter verschlüsselt an die zentrale Speicherstelle (ZSS) der Rentenversicherung in Würzburg übermitteln. Ziel dieser Änderung ist neben dem Abbau des bürokratischen Aufwandes auch ein Wegfall von Wartezeiten, denn wenn ein Arbeitnehmer ab 2012 Rente, Arbeitslosen-, Wohn- oder Elterngeld beantragt, muss er nicht erst die Nachweise beim Arbeitgeber erbitten, sondern erteilt der zuständigen Behörde die Erlaubnis, seine Daten bei der ZSS einzuholen. Positiv an dem neuen Verfahren ist für den Antragsteller von Sozialleistungen zudem die Tatsache, dass sein (ehemaliger) Arbeitgeber es nicht mehr erfährt, wenn Sozialleistungen beantragt werden, da keine Einkommensnachweise mehr extra angefordert werden müssen. Nach Schätzungen des Normenkontrollrats sparen allein die deutschen Arbeitgeber durch den Wegfall des Ausfüllens der Formulare und Nachweise jährlich rund 85 Millionen Euro ein.

In die Kritik geriet Elena dann jedoch Anfang Dezember, als der 41-seitige Datenbogen publik wurde. Erst wenige Wochen bevor das System ans Netz gehen sollte, gab das federführende Ministerium für Arbeit und Soziales bekannt, welche Daten die Arbeitgeber nach Würzburg senden sollten. Zu den Pflichtangaben gehörten dann keineswegs nur Informationen über die Höhe des Lohnes, sondern auch Meldungen über Fehlzeiten, Abmahnungen, Kündigungsgründe und sogar Beteiligungen an berechtigten und unberechtigten Streiks. Das wiederum geht dem Bundesdatenschutzbeauftragten Peter Schaar und den Gewerkschaften zu weit. Derart viele persönliche und zum Missbrauch reizende Informationen seien bei den Papiernachweisen nicht üblich gewesen und würden arbeitsrechtliche Standards bedrohen. Das bei Elena federführende, FDP-geleitete Wirtschaftsmi-nisterium wies jegliche Verantwortung von sich, denn die Ausarbeitung des am 2. April verabschiedeten Gesetzes geschah noch unter der alten schwarz-roten Regierung. Und da Wirtschaftsminister Rainer Brüderle, damals noch in der Opposition, das Gesetz mit den Worten „mangelhaft, nachsitzen“ kritisiert hat, war er vermutlich froh, darauf verweisen zu können, dass bezüglich der Ausarbeitung des Kataloges die Hauptverantwortung beim Ministerium für Arbeit und Soziales liegt. Das seit Ende November von Ursula von der Leyen (CDU) geführte Ministerium gibt zu Bedenken, dass der Bundesrat erst im Februar abschließend über den Katalog entscheidet. Da es Verzögerungen bei der Abstimmung zwischen verschiedenen Ressorts gab, konnten die Richtlinien nicht mehr vor dem Jahreswechsel beide Parlamentskammern passieren. Auf einer kurzfristig einberufenen Sitzung des Beirates für Elena seien jedoch Mitte Dezember noch Veränderungen an dem Datenkatalog vorgenommen worden, die auf die Streitpunkte eingingen, so dass nur noch anlassbezogene Daten zu melden seien, heißt es aus dem Hause von der Leyens. Da diese Änderungen die Kritiker noch nicht überzeugten, verlangten der Bundesdatenschutzbeauftragte und Verdi noch zwischen den Feiertagen weitere Anpassungen. Das Ministerium für Arbeit und Soziales entgegnete, dass Vertreter von Verdi und Datenschützer auch bei der Ausarbeitung des Kataloges dabei gewesen seien, doch das rief Widerspruch hervor. „Wir haben definitiv an der Erarbeitung dieses Kataloges nicht mitgewirkt“, beteuerte Christoph Schmitz, Pressesprecher von Verdi, gegenüber der PAZ. Bis 2007 sei ein Kollege mit im Projekt zum Gesetzentwurf für Elena gewesen, doch schon am Gesetz selber sei die Gewerkschaft nicht mehr beteiligt gewesen. Da der Datenkatalog nun sehr kurzfristig fertig geworden sei, habe man erst Anfang Dezember Stellung beziehen können und gleich mit Klage gedroht. Erst dann sei das Wirtschaftsministerium an Verdi herangetreten.

Die beteiligten Ministerien bleiben dabei, dass das Verfahren absolut sicher vor Datenmissbrauch sei. Die vom Arbeitgeber übermittelten Informationen würden pseudonymisiert gespeichert und seien nur abrufbar, wenn der Antragsteller von Sozialleistungen mit seiner bis Ende 2011 erhaltenen Karte, die einer EC-Bankkarte optisch gleicht, und der Eingabe seiner Geheimnummer die Freigabe erteilt. Auch sei die Eingabe des Kündigungsgrundes wichtig, um bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes mögliche Sperrzeiten berücksichtigen zu können. Zudem handele es sich bei Elena nicht um eine umstrittene neue Form der Vorratsdatenspeicherung, da die Daten nur bei Bedarf und dann zweckgebunden abgerufen werden. Am 29. Dezember, wenige Stunden bevor Elena ans Netz ging, meldete der Datenschutzbeauftragte Schaar: „Ich werde ein wachsames Auge darauf haben, dass die gesetzlichen Anforderungen eingehalten werden. So dürfen nur diejenigen Daten erhoben werden, die für die Erstellung von Einkommensnachweisen wirklich erforderlich sind.“ Rebecca Bellano


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