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16.01.2010 / Nach Nirgendwo

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 02-10 vom 16. Januar 2010

Nach Nirgendwo
von Harald Fourier

Den Schlager „Es fährt ein Zug nach nirgendwo“ kennen auch die meisten Berliner S-Bahnkunden. Doch für sie heißt der Refrain immer öfter: „Nirgendwo fährt mehr ein Zug.“ Die Negativschlagzeilen, die die S-Bahn schon 2009 produziert hat, waren rekordverdächtig: Ausfälle, Notfallpläne, Wartungsarbeiten – das ist der Stoff, aus dem die Albträume des Fahrgastes sind.

Seit dem Sommer laufen die Techniker der Bahntochter notwendigen Reparaturarbeiten hinterher, die angeblich wegen des Börsengangs der Bahn auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben worden sind. Zeitweise herrschte völliger Stillstand auf den wichtigsten Strecken, weil alle Züge überprüft werden mussten.

2010 sollte alles besser werden. So wurde kurz vor Silvester noch verkündet. Doch daraus ist wieder nichts geworden. Durch den Wintereinbruch ist der Zugverkehr erheblich in Mitleidenschaft gezogen worden. Am Montag nach Neujahr fielen wieder viele Züge aus, so dass nicht einmal der Notfahrplan eingehalten werden konnte. Die Probleme setzten sich die vergangene Woche über fort. Heinz Wegener, der Betriebsratschef der S-Bahn, musste einräumen, die Probleme seien sogar noch größer als bisher, weil Weichen einfrören und Züge aufgetaut werden müssten. Ist ja auch ein Unding: Minusgrade im Januar – wer konnte damit rechnen?

Selbst Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) hat sich jetzt eingemischt und die Deutsche Bahn aufgefordert, nach kundenfreundlichen Lösungen zu suchen. Der Senat, der monatelang untätig zugesehen hat, drohte nun mit einer Kündigung des Vertrages und damit, einen Teil des S-Bahnnetzes an einen privaten Betreiber zu vergeben. Und siehe da: Die Drohung war verspätet, aber sie zeigte Wirkung. Jetzt hat die S-Bahn 300 neue Leute eingestellt, die mit Hochdruck an der Wartung der Züge arbeiten, heißt es seitens der Bahn. Vielleicht klappt es ja bald wie bei der BVG, das sind die Berliner Verkehrsbetriebe, die die Bus-, Straßenbahn- und U-Bahnlinien betreiben. Bei der BVG gibt es keine witterungsbedingten Ausfälle.

Die S-Bahn muss sich sehr anstrengen, das verlorene Vertrauen zurückzugewinnen. Und zwar nicht nur bei den Berliner Kunden. Die könnten ihr fast egal sein, denn oft haben sie keine Alternative und müssen mit der S-Bahn fahren. Aber für den weltweiten Ruf des Unternehmens ist es natürlich ein Schlag ins Kontor, wenn die Deutsche Bahn AG in der Hauptstadt des eigenen Landes, der Stadt des Firmensitzes zudem, nicht einmal eine Stadtbahn betreiben kann. Auch ist ein solches Schauspiel dem Ansehen eines Landes, dessen Reputation wesentlich auf seiner Ingenieurskunst und seinem Organisationstalent beruht, alles andere als zuträglich. Ob das den Verantwortlichen überhaupt klar ist?


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