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16.01.2010 / Die Hauptstadt ist Schlusslicht / Verfehlte Wirtschaftspolitik macht Berlin zum Armenhaus der Nation

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 02-10 vom 16. Januar 2010

Die Hauptstadt ist Schlusslicht
Verfehlte Wirtschaftspolitik macht Berlin zum Armenhaus der Nation

Knapp 20 Prozent der Berliner sind Hartz-IV-Empfänger, damit liegt die Bundeshauptstadt noch vor Bremen an der Spitze in Deutschland. Rechnet man die Rentner hinzu, lebt gut die Hälfte der Berliner von staatlichen Leistungen. Die Ausgabestellen von kostenlosen Lebensmitteln haben Hochkonjunktur. Viele finden die Wirtschaftspolitik des rot-roten Senats gar nicht mehr „sexy“.

Manche fühlen sich an den Alltag in der untergegangenen DDR erinnert, wenn sie am Dienstagvormittag vor der Trinitatis-Kirche im gutbürgerlichen Charlottenburg die wachsende Schlange sehen. Als die Suppenküche vor einigen Jahren eröffnete, fanden die Wartenden noch im Vorraum des roten Backsteinbaus Platz; inzwischen reichen die breiten Granitstufen vor dem Gotteshaus nicht mehr aus, und die Warteschlange geht über den halben Karl-August-Platz.

Die Ausgabestelle für „Laib und Seele“ ist eine von 45, in denen der Verein der Berliner Tafel kostenlose Lebensmittel verteilt. Die Zahl der „Kunden“ wächst, obwohl die Zahl der Arbeitslosen bislang weitgehend konstant blieb. Die Vorsitzende der Tafeln, Sabine Werth, beobachtet, dass die Menschen inzwischen „besser zu ihrer Armut stehen“. Waren es früher hauptsächlich Obdachlose und Sozialhilfeempfänger, die sich vor den Verteilstellen einfanden, so sind heute auch viele Rentner und Alleinerziehende dabei.

Vielen sieht man die Armut auf den ersten Blick nicht an. Trotz Erwerbstätigkeit oder Rente, berichtet die Tafel-Chefin, könnten die Menschen von den niedrigen Einkommen nicht leben. Sie müssten Hartz IV oder Grundsicherung beantragen.

Über den lustigen Spruch des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD), Berlin sei „arm, aber sexy“, kann schon langer keiner mehr lachen, denn es ist die Wirtschaftspolitik seines Senats, die es nicht geschafft hat, Arbeitsplätze in die deutsche Hauptstadt zu ziehen. Nach dem Wegfall der milliardenschweren Berlinförderung 1990 und der nicht wettbewerbsfähigen Industriearbeitsplätze aus DDR-Zeiten hat es die Politik versäumt, eine wirtschaftliche Perspektive für die Stadt zu entwickeln. Rechnet man die Arbeitsplätze ab, die in Berlin an den Bundesministerien und -behörden, an Verbänden, diplomatischen Vertretungen und anderen, hauptstadtbezogenen Institutionen hängen, dann zeigt sich, dass die Spreemetropole viel zu wenig große Arbeitgeber und somit Gewerbesteuerzahler zu bieten hat.

Und selbst das Geld, das über den Bund und den Länderfinanzausgleich hereinkommt, wird nicht eben optimal eingesetzt: Während Wirtschaftssenator Harald Wolf (Linke) das für 2009 um 20 Prozent gesteigerte Konjunkturprogramm des Bundes als „völlig unzureichend“ kritisiert, hatte die Verwaltung 2009 offenbar Mühe, die 173 Millionen Euro für die Gemeinschaftsaufgabe „Aufbau Ost“ überhaupt auszugeben. Gleiches gilt für die Mittel aus dem Konjunkturpaket II, die sich für 2009 und 2010 auf stolze 632 Millionen summierten.

Alljährlich fordert die Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK) in ihren Pressekonferenzen zum Konjunkturbericht daher das „Zurück­fahren aller bürokratischen Belastungen auf ein absolut unabänderliches Mindestmaß“. Dazu zählt die IHK besonders die Einführung einer einstufigen Verwaltung. Denn zwischen Berlins Bezirken und der zentralen Verwaltung bleiben viele Infrastrukturprojekte teilweise jahrelang hängen. Die Verlängerung der Stadtautobahn von Neukölln nach Treptow wird beispielsweise durch eine Klage des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg blockiert. So können die bereitstehenden Gelder nicht eingesetzt werden.

Daher fordert die IHK, die Vergabekapazitäten durch eine „Task Force“ aus Fachleuten aus allen beteiligten Ressorts auszubauen, die die Gelder schnell und unbürokratisch verfügbar machen könne. Berlin könne es sich nicht leisten, auf Bundes- oder EU-Mittel zu verzichten. Für private Investitionen müssten zudem die Rahmenbedingungen verbessert, insbesondere Anreize für die energetische Gebäudesanierung gesetzt werden.

Solche gut gemeinten Vorschläge stoßen weitgehend auf taube Ohren bei den Regierenden. Stattdessen jammert die rot-rote Stadtregierung über verlorene Industriearbeitsplätze und gängelt kleine Wirte mit dem Verbot von Heizpilzen in der Freiluft-Gastronomie. FDP-Fraktionschef Martin Lindner bezeichnet die Wirtschaftspolitik des rot-roten Senats als Mischung von „Marx und Murx“. Statt Heizpilzverbote und die Einführung einer zweiten Stufe der Umweltzone solle man sich lieber Gedanken über die Senkung von Gewerbe- und Grundsteuer sowie die Abschaffung des Straßenausbaubeitragsgesetzes machen.

Etwas Licht in das dunkle Berliner Wirtschaftsleben bringen kleine Existenzgründer, voran die „Onkel-Ahmed-Läden“. Neueröffnungen lagen 2008 um 26 Prozent über den Schließungen von Gewerben. Was früher unter dem Logo „Tante Emma“ firmierte, entwickeln türkische Händler erfolgreich weiter. Allerdings hält sich die Zahl der im Bereich von Handel und Dienstleistungen neu geschaffenen Arbeitsplätzen in Grenzen (2008: 2596). Flaute herrscht in der Industrie (2008: 590 neue Arbeitsplätze). Kein Wunder, dass die Kaufkraft der stark alternden Bevölkerung ständig sinkt und heute rund zehn Prozent unter dem Bundesdurchschnitt liegt.             Hinrich E. Bues

Foto: Die Kirchen helfen mit „Laib und Seele“: Der Berliner Erzbischof Georg Kardinal Sterzinsky (r.) schneidet vor der Ausgabestelle der römisch-katholischen Kirchengemeinde St. Sebastian in Berlin Brotlaibe zurecht.


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