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16.01.2010 / Für die Truppe ein »Trauerspiel« / Gezerre um die Übernahme der Mehrkosten des Militär-Airbus A400M: Wer ist schuld am Aufpreis?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 02-10 vom 16. Januar 2010

Für die Truppe ein »Trauerspiel«
Gezerre um die Übernahme der Mehrkosten des Militär-Airbus A400M: Wer ist schuld am Aufpreis?

Mit Drohgebärden und Schuldzuweisungen ringen europäische Regierungen, darunter die deutsche, und der Luftfahrtkonzern EADS um die Verteilung der Zusatzkosten für den Militär-Airbus A400M. Derweil wartet die Truppe in Afghanistan sehnlichst auf den dringend benötigten Ersatz für die veraltete Transall.

Wer trägt die Zusatzkosten für den Airbus-Militärtransporter A400M? Mehr als fünf Milliarden Euro sollen die Regierungen, vor allem die der Hauptabnehmer Deutschland, das 60 Flieger bestellt hat, Frankreich (50), Spanien (27) und England (25) dazuzahlen, fordert Hersteller EADS. Das Unternehmen will 3,6 Milliarden übernehmen.

Doch Berlin sträubt sich. Bis Ende Januar muss eine Einigung her. EADS drohte bereits, das ganze Projekt einzumotten. Informierte Kreise gehen davon aus, dass Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) dessen ungeachtet hart verhandeln werde. Doch am Ende werde eine Einigung stehen, da sind sich die Experten sicher. Zuviel stehe für die Politik wie für EADS auf dem Spiel. Allein in Deutschland hängen 11000 Arbeitsplätze an dem Projekt, mehr als in jedem anderen Land, insgesamt sind es 40000.

Die Schuld für die Mehrkosten in Höhe von insgesamt fast zehn Milliarden Euro wird derweil munter hin- und hergeschoben zwischen EADS, den Zulieferern und der Politik, die sich laut EADS in die Auswahl der Zulieferer zu sehr eingemischt habe. Bei näherem Hinsehen erweist sich, dass an allen Schuldzuweisungen ein wenig dran ist: Die europatypisch komplizierte Vermengung von Kompetenzen und Einflussnahmen hat  ihr kostentreibendes und zeitraubendes Werk getan.

Der Hickhack um den A400M füllt die politischen Schlagzeilen. Wie jedoch fast immer, wenn es um politische Streitereien über  militärische Fragen geht, spielt eine Frage auch diesmal so gut wie keine Rolle: Wie kommt der heimische Zank eigentlich bei den Soldaten draußen im Feld an?

„Die Truppe schüttelt den Kopf“, so Wilfried Stolze, der Sprecher des Bundeswehrverbandes, im Gespräch mit der PAZ. Das Gezerre sei „ein Trauerspiel“. Die Dimension der Tragödie kann ermessen, wer sich die schier endlose Vorgeschichte des A400M vor Augen führt. Schon Anfang der 80er Jahre erkannten die Militärstrategen in West-Deutschland, Frankreich und anderen europäischen Staaten, dass sie ein Nachfolgemodell für ihre damals schon nicht mehr ganz taufrische Flotte von Militär-Lufttransportern benötigten.
Der „Lastesel“ der Bundeswehr war damals und ist bis heute die Transall, eine Entwicklung der 60er Jahre. Zwar wurde die Maschine technisch immer wieder nachgerüstet. Doch hält sie den heutigen Anforderungen im Auslandseinsatz bei weitem nicht mehr stand.

Zumal die Transall auch gar nicht für Transportleistungen bei Fernoperationen wie den Afghanistan-Einsatz erdacht und gebaut wurde: Mit ihrer maximalen Reichweite von 1850 Kilometern und einer Ladekapazität von 16 Tonnen oder 88 Soldaten plus fünf Besatzungsmitgliedern sollte der Flieger vor allem Fallschirmjäger bei der Verteidigung West- und Mitteleuropas gegen die Sowjetunion absetzen.

Schon beim ersten großen Ferneinsatz der Bundeswehr in Somalia 1993 offenbarte sich das Manko: Alles musste aus Deutschland zunächst ins friedliche Nachbarland Kenia transportiert werden, um vom dortigen Luftwaffenstützpunkt bei Mombasa per Transall ins Einsatzgebiet geschafft zu werden.

Entsprechend geriet der Einzug der Bundeswehr in Afghanistan vor acht Jahren zur wochenlangen Odyssee, über die damals schon bitter gelacht wurde. Noch heute müssen alle Soldaten und Geräte zunächst in zivilen Airbus-Maschinen oder in von der Ukraine gemieteten Antonow-Fliegern ins usbekische Termes geschafft werden, um von dort aus in den kleinen Transall-Flugzeugen der Luftwaffe ihren Weg ins afghanische Kampfgebiet zu finden. Zeitaufwendig, umständlich und teuer ist das, denn die Ukraine lässt sich ihre Ausleihungen mit Millionensummen vergüten.

Der Direkttransport mit Ziviltransportern nach Afghanistan scheidet aus, weil die Maschinen nicht die notwendigen Sicherheitseinrichtungen aufweisen. Die modern nachgerüstete Transall etwa verfügt über ein System für die Ablenkung von Boden-Luft-Raketen: Das Flugzeug schießt eine Art von Feuerwerkskörpern ab, deren Hitzestrahl die Zielsensoren der angreifenden Raketen auf sich lenkt.

Der A400M wird von der Truppe sehnlichst herbeigewünscht. Der Flieger hat mit bis zu 37 Tonnen Last mehr als die doppelte Ladekapazität der Transall. Seine Höchstreichweite beträgt (leer) rund 9000 Kilometer, bei 20 Tonnen Last kommt er etwa 6500 Kilometer weit, bei 30 Tonnen Beladung immer noch knapp 4500 und bei voller Last 3300 Kilometer. Maximal könnten sechs Jeeps nebst Anhängern und Besatzung transportiert werden oder 116 Fallschirmjäger in voller Ausrüstung. Auch kleine Panzer sowie Kampfhubschrauber oder Krankenwagen finden in dem Militärtransporter Platz.

Doch selbst wenn sich Politik und EADS einigen, wird die erste Auslieferung frühestens zur Jahreswende 2012/2013 erwartet. Mit allen geforderten Extras soll er erst 2015 in Dienst gehen können. Die deutschen Soldaten am Hindukusch müssen sich also so oder so in Geduld fassen.             Hans Heckel

Foto: Veraltet und nicht für Auslandseinsätze gemacht: Die Bundeswehr benötigt dringend Ersatz für die Transall.


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