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16.01.2010 / Strom aus der Nordsee / Anrainer planen Hochspannungsnetz für 30 Milliarden Euro

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 02-10 vom 16. Januar 2010

Strom aus der Nordsee
Anrainer planen Hochspannungsnetz für 30 Milliarden Euro

Sieht so der Energiemix der Zukunft aus – teils kommt unser Strom aus der Sahara, teils aus der Nordsee? Wenige Monate nach dem Wüstenstromprojekt „Desertec“ (siehe PAZ 10/09 und 26/09) wurde nun die „Offshore-Grid“-Initiative präsentiert, ein 6000 Kilometer langes System „intelligenter“ Hochspannungsleitungen, das die Ausbeute von Wind-, Wasser-, Gezeiten- und Solarkraftwerken in und an der Nordsee bündeln soll.

Damit sollen die spezifischen Nachteile regenerativer Energieträger ausgeglichen werden. Wind und Sonne haben nämlich die unangenehme Eigenart, nicht gerade dann zu scheinen oder zu blasen, wenn der meiste Strom gebraucht wird. Die Folge: Zu Spitzenlastzeiten reicht das Angebot nicht aus, in verbrauchsarmen Phasen überlastet zu viel ungenutzter Strom die Netze.

Hochrangige Vertreter der Nordsee-Anrainer Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Belgien, Holland, Norwegen und Dänemark sowie Irlands und Luxemburgs haben sich darauf verständigt, gemeinsam in den nächsten zehn Jahren ein modernes, großenteils unter Wasser verlegtes Hochspannungsnetz zu installieren. Es soll fern von den Küsten auf gigantischen Stahlfüßen installierte Offshore-Windparks mit Gezeitenkraftwerken in Belgien und Dänemark, Solar- und Windkraftwerken in Küstennähe sowie norwegischen Wasserkraftwerken verbinden und an die Verbrauchsnetze anbinden.

Den Norwegern kommt in diesem System eine Schlüsselrolle zu. In verbrauchsarmen Zeiten können sie den überschüssigen Wind- und Sonnenstrom speichern, indem Wasser in hochgelegene Seen gepumpt und später bei Verbrauchsspitzen wieder in die Turbinen abgelassen wird.

Zugleich kann das geplante neue Hochtechnologie-Netz unterschiedliche Verbrauchsgewohnheiten und -zeiten in den einzelnen Staaten effektiver ausgleichen. Die heutigen Netze sind großteils technisch veraltet und hoffnungslos überlastet, wie die eiskalten Wintertage gerade erst wieder lehrten.

Das Projekt unter Federführung von Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle wird mit Kosten um die 30 Milliarden Euro veranschlagt. Das klingt, im Vergleich zu den 400 Milliarden Euro von „Desertec“, fast schon bescheiden. Es schafft allerdings lediglich die entscheidende Voraussetzung für eine effektive Nutzung der geplanten Windparks in der Nordsee mit einer Gesamtkapazität von 100 Gigawatt (entsprechend 100 konventionellen Kohle- oder Atomkraftwerken).

Über deren Kosten kann derzeit munter spekuliert werden. Optimisten gehen von 1,5 Milliarden Euro pro Gigawatt aus, andere von mindestens dem Doppelten. So oder so wird der Öko-Strom auch auf lange Sicht nicht mit Kohle, Gas, Öl und Atom konkurrieren können. Welchen Preis uns die Schonung natürlicher Ressourcen und Landschaften, die Unabhängigkeit von unsicheren Lieferländern und die führende Beteiligung deutscher Firmen an all diesen Projekten wert ist, dies ist und bleibt also vorrangig eine politische und weniger eine ökonomische Frage.   Hans-Jürgen Mahlitz


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