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16.01.2010 / Wie aus »schwarzer Kunst« farbige wurde / Ausstellung im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg zeigt Hamburger Buchkunst aus dem 20. Jahrhundert

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 02-10 vom 16. Januar 2010

Wie aus »schwarzer Kunst« farbige wurde
Ausstellung im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg zeigt Hamburger Buchkunst aus dem 20. Jahrhundert

Von den exklusivsten Meisterwerken des Druckhandwerks bis zu den spektakulären Riesenholzschnitten der Rixdorfer – eine neue Ausstellung im Germanischen Nationalmuseum bietet Freunden der „schwarzen Kunst“ Einblicke in die überaus interessante Gruppe der Hamburger Buchkünstler.

Überwiegend aus eigenen Beständen zeigt die Ausstellung etwa 100 Bücher mit Originalgraphik, Einzelblätter aus Mappenwerken sowie Zustandsdrucke. Anlass für die Ausstellung mit Hamburger Buchkunst in einem Nürnberger Museum ist die Schenkung der Werkstatt des Buchkünstlers Otto Rohse an das Germanische Nationalmuseum. Nach Kriegsdienst und Gefangenschaft setzte der 1925 in Insterburg geborene Rohse seine in Königsberg bei Alfred Partikel an der Kunstakademie begonnenen Studien in Hamburg an der Landeskunstschule bei Ahlers-Hestermann und Richard von Sichowsky fort. Nachdem er als Assistent Sichowskys gearbeitet hatte, stellte er sich 1956 auf eigene Beine und wirkte fortan als freischaffender Künstler – mit einer kurzen Unterbrechung: 1960/61 leitete er die Klasse für Typographie und Buchgestaltung an der Werkkunstschule in Offenbach am Main.

1962 gründete er die Otto-Rohse-Presse und gab dort bibliophile Kostbarkeiten heraus. Stets legte der Insterburger Wert auf die Einheit von typographischer Gestaltung und Illustration. In einem Interview sagte Rohse einmal dem Ostpreußenblatt: „Mir selbst ist es eine Notwendigkeit, bei einem einmal gewählten Text gleichzeitig mit der Illustration Buchformat, Schriftwahl, Schriftgröße, Farbe, Papier entstehen zu sehen. Nur diese Art verschafft mir das Gefühl, den Zusammenhang mit dem Text lebendig zu wahren, und durch die gleichzeitige Beschäftigung mit allen Teilen der Arbeit glaube ich ein zusammengehöriges Ganzes schaffen zu können.“ „Rohse abstrahiert weitgehend“, schrieb Günther Ott über den Künstler. „Seinen Darstellungen haftet etwas Ornamentales, Dekoratives an, er denkt in Schwarz-Weiß, lässt sich vom Material und dem Handwerkszeug leiten – und wird nie gegenstandsfrei. Ausgangspunkt ist die beobachtete Wirklichkeit für ihn, den Illustrator, auch die Literatur, aber schließlich werden seine Arbeiten zu eigenständigen Kunstwerken.“

Die Kupferstiche, Radierungen, Holzstiche, die bibliophilen Ausgaben seiner Bücher sind nicht nur in Nürnberg und bei Freunden exquisiter Buchkunst zu finden, sondern mittlerweile auch in anderen renommierten Museen wie im Klingspor Museum in Offenbach, im Schiller-Nationalmuseum Marbach, in der Hamburger Staatsbibliothek und auch in der Johannes-Alasco-Bibliothek in Emden. Zu den wohl am weitesten verbreiteten Arbeiten des Graphikers Otto Rohse gehören die Briefmarkenserien, die er 1955 bis 1995 für die Deutsche Bundespost entwarf, so die Reihe „Deutsche Bauten aus 12 Jahrhunderten“ (übrigens in Originalgröße gestochen!). Rohse, der die schwierige Technik des Holz- und Kupferstichs autodidaktisch erlernte, gilt heute als Meister seines Fachs. Bewusst verzichtete er auf malerische Effekte. Mit seinen meist kleinen Formaten, seinen zarten, wie hingehaucht wirkenden Landschaften und Architekturmotiven „besticht“ er geradezu. Kraftvoll dagegen die Holzstiche, die etwa bizarre Formen von Bäumen besonders eindrucksvoll hervortreten lassen. Davon kann man sich schließlich in der Nürnberger Buchkunst-Ausstellung überzeugen. Die um 1900 einsetzende Buchkunstbewegung ist Teil der europäischen Reformbestrebungen des Kunstgewerbes am Ende des 19. Jahrhunderts. Ihre Anhänger erhofften sich mit der Abkehr von der industriellen Herstellung und der Rückbesinnung auf die Qualitäten des Handwerks eine neue kulturelle Durchdringung der Produkte sowie eine neue Gebrauchsmoral. Die Nürnberger Ausstellung gibt einen umfassenden Überblick über die Entwicklung der Buchkunst im 20. Jahrhundert und sie zeigt,  wie die „schwarze Kunst“ zu einer farbigen wurde.            
            Silke Osman /gnm

Die Ausstellung „Wunderbare Bücherwelten. Moderne Druck-kunst aus Hamburg“ ist dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr und mittwochs bis 21 Uhr bis zum 11. April im Germanischen Nationalmuseum, Kartäusergasse 1, Nürnberg, zu sehen, Eintritt 6 / 4 Euro, Katalog 207 Seiten und 118 Abbildungen, 25 Euro im Museum, im Buchhandel etwa  34 Euro.

Foto: Otto Rohse: Andreas Gryphius, Ausgewählte Sonette, Gedichte und Epigramme (Holzstich und Handsatz)


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