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16.01.2010 / Mehr Trennendes? / Autorin beharrt auf Ost-West-Unterschiede

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 02-10 vom 16. Januar 2010

Mehr Trennendes?
Autorin beharrt auf Ost-West-Unterschiede

Nach ihrem Bestseller „Zonenkinder“ aus dem Jahr 2002 wurde Jana Hensel zur Jugendbeauftragten in Sachen Mauerfall, Wende und neue Bundesländer schlechthin. Kein Radiointerview, keine Fernsehshow, keine Podiumsdis-kussion, zu denen die heute 33-jährige Journalistin nicht eingeladen gewesen wäre. Mit ihrem neuen Buch „Achtung Zone“ versucht Hensel, an ihren Erfolg anzuknüpfen – und scheitert kläglich.

Während zum 20. Jahrestag des Mauerfalls überall der Geist der Einheit beschworen wurde, geht die gebürtige Leipzigerin auf Konfrontationskurs: Mit dem fälschlicherweise Willy Brandt zugeschriebenen Satz „Nun wächst zusammen, was zusammengehört“ habe die „Geschichte der Einheit schon mit einer Lüge begonnen“. Zwischen den Bewohnern des Ostens und des Westens der Bundesrepublik Deutschland gebe es große Unterschiede und das sei gut so. Die Bewohner der neuen Länder seien keine Menschen zweiter Klasse, die noch nicht den Standard der restlichen Bundesrepublik erreicht hätten. Vielmehr hätten sie eine eigene Identität, die andersartige Erfahrungen, Lebensweisen und politische Verhältnisse vor und nach 1989 widerspiegle.

Umfragen scheinen der heute in Berlin lebenden Autorin Recht zu geben. Nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes ist die Bevölkerung im Osten im Vergleich zur westdeutschen zwar stärker von Armut bedroht, weist eine geringere Wirtschaftsleistung auf und verzeichnet mehr Wähler rechtsextremer Parteien und Nichtwähler, zugleich verfügt sie jedoch über ein flächendeckendes System von Kindertagesstätten und einen höheren Anteil an erwerbstätigen Frauen.

Ferner fallen Mentalitätsunterschiede auf. In den alten Bundesländern betonen 42 Prozent die Differenzen zu ihren Mitbürgern in den neuen Bundesländern. Umgekehrt sagen 63 Prozent der ehemaligen DDR-Bürger, kaum etwas gemein zu haben mit ihren westdeutschen Landsleuten.

Nach so vielen Zahlen erwartet der Leser, dass die Autorin erklärt, warum die Bürger der neuen Länder anders sind, doch Hensel schwimmt an der Oberfläche und bedient das Klischee des (n)ostalgischen Jammerossis. Der Mauerfall sei eine „offene Wunde“ und sie sei traurig darüber, „was aus der Zone geworden ist“?

Aus Einzelfällen webt Hensel den Mythos eines kollektiven Wir. Doch die Geschichten über das DDR-Schauspielerehepaar Ulrich Mühe und Jenny Gröllmann, die ihn bespitzelt haben soll, über den fremdenfeindlichen Anschlag auf ein Rostocker Asylantenheim im Sommer 1992, über den Bergarbeiter-Hungerstreik von Bischofferode oder über die Hartz-IV-Demonstrationen in Leipzig, fügen sich nicht zu einem großen Ganzen.

Die Erklärung rechtsextremer Ausschreitungen als Zeichen von Perspektivlosigkeit und Werteverlust klingt verharmlosend. Für das Wende-Jubiläum hätte man sich eine tieferschürfende Untersuchung gewünscht.             Sophia Gerber

Jana Hensel: „Achtung Zone. Warum wir Ostdeutschen anders bleiben sollten“, Piper, München 2009, kartoniert, 192 Seiten, 14,95 Euro


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