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23.01.10 / Ehrgeizige Forderungen / Die Verbände der Polen in Deutschland trumpfen auf – Lücke im Vertrag von 1991

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-10 vom 23. Januar 2010

Ehrgeizige Forderungen
Die Verbände der Polen in Deutschland trumpfen auf – Lücke im Vertrag von 1991

Mitten in die Diskussion um die Berufung von Erika Steinbach platzten weitgehende Forderungen des „Bundes der Polen in Deutschland“. Die ehrgeizigen Ziele sind schlecht begründet und der Zeitpunkt des Vorstoßes spricht für eine mit der polnischen Regierung abgestimmte Aktion.

Das deutsch-dänische Miteinander in Schleswig gilt als vorbildlich für den Umgang mit nationalen Minderheiten: Nördlich der Grenze leben gut 20000 Deutsche, südlich davon, auf deutscher Seite, an die 50000 Dänen. Beide Gruppen sind „bodenständige“ (autochthone) Minderheiten und leben seit Jahrhunderten auf ihrer Scholle. Deswegen haben Deutschland und Dänemark sich schon 1955 darauf geeinigt, beiden Volksgruppen „symmetrisch“ dieselben, ziemlich weitgehenden Rechte zuzubilligen. Es funktioniert bestens.
Ganz ähnlich haben sich das offenbar auch die Unterhändler Polens 1990/91 bei denVerhandlungen zum deutsch-polnischen Nachbarschafts- und Freundschaftsvertrag vorgestellt: Ein paar hunderttausend Deutsche und Deutschstämmige im Gebiet der Republik Polen, eine wohl ähnliche Zahl polnischstämmiger Menschen in der Bundesrepublik – da könnte man doch „Minderheitenrechte auf Gegenseitigkeit“ vereinbaren.

Doch die „Parallele zwischen Schleswig und Schlesien“ stimmt doppelt nicht. Zum einen sind die verbliebenen Deutschen in Schlesien, aber auch im südlichen Ostpreußen und anderen Teilen der heutigen Republik Polen durch Vertreibung der Mehrheit ihrer Landsleute und anschließende Grenzverschiebung überhaupt erst zu Minderheiten geworden. Deswegen stünde ihnen – weit über die Volksgruppenrechte hinaus - zunächst einmal Wiedergutmachung zu für Assimilierung und Enteignungen, die es im deutsch-dänischen Fall nie gegeben hat.

Vor allem aber stimmt die andere Seite der angeblichen Parallele nicht: Die Polen und polnischstämmigen Deutschen in der Bundesrepublik sind alles andere als eine autochthone Minderheit. Der überwiegende Teil dieser Gruppe ist sogar erst nach Abschluss des Nachbarschaftsvertrages von 1991 eingewandert, ein weiterer Teil ist, meist im späten 19. Jahrhundert völlig freiwillig auf der Suche nach besser bezahlter Arbeit ins Ruhrgebiet gekommen. Minderheitenrechte für eine solche Zuwanderergruppe sind aus gutem Grund international nicht vorgesehen. Andernfalls hätte Deutschland schon jetzt mehrere Hundert nationale Minderheiten, umgekehrt müsste in weiten Teilen der USA und Kanadas Deutsch zur Amtssprache erhoben werden.

Das alles wussten die Unterhändler des damaligen Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) ganz genau, und doch haben sie sich auf die polnische Forderung eingelassen. Trotz Kritik des Bundesinnenministeriums fand noch nicht einmal die fortbestehende deutsche Staatsangehörigkeit der meisten Deutschen im heutigen Polen Erwähnung.

Dass die ganze Konstruktion schief ist, zeigt die winzige Mitgliederzahl der Vereinigungen der Polen in Deutschland. Von „rund 1000“ Mitgliedern spricht der Bund der Polen in Deutschland, dabei soll es nach seiner Darstellung bis zu zwei Millionen (!) polnischsprachiger Menschen in der Bundesrepublik geben.

Bei seinem Besuch in Berlin am 18. Dezember hat Polens Außenminister Radoslaw Sikorski, noch in moderatem Ton, die Lage der Polen in Deutschland angesprochen. Nun hat Marek Wojcicki, seit einigen Monaten Vorsitzender des Bundes der Polen in Deutschland, Klartext gesprochen. Unter Berufung auf den Vertrag von 1991 verlangt er unter anderem mehr Polnischunterricht in Deutschland und zusätzliche Wiedergutmachung für NS-Unrecht aus den 1930er Jahren. Wieslaw Lewicki, Vorsitzender des „Konvents Polnischer Organisationen in Deutschland“, fordert gar die „Wiederherstellung“ des Minderheitenstatus der Polen in Deutschland. Konrad Badenheuer

Foto: 1908 auf Arbeitssuche in Berlin: „Sachsengänger“ nannte man die deutschen und polnischen Landarbeiter, die im Deutschen Kaiserreich die landwirtschaftlich geprägten östlichen Regionen verließen, um im Westen besser entlohnte Arbeiten zu finden.            Bild: akg

 

Zeitzeugen

Marek Wojcicki – Der Vorsitzende des 1922 gegründeten „Bundes der Polen in Deutschland“ ist auch Unternehmer. „Wir machen Unternehmensberatung und Konzernfinanzierung“, erzählte der 49-Jährige der „Welt“. Seit 2009 macht der Wahl-Frankfurter, der zeitweise FDP-Mitglied war, auch die Lobbyarbeit der Polen in Deutschland.

Christoph Bergner – Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister des Innern hat für Wojcickis Anliegen ein offenes Ohr. Der 1948 in Zwickau geborene CDU-Politiker will an diese Forderungen „ganz offen herangehen“ und pragmatische Lösungen finden. Der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten wurde 2009 vom Verband der deutschen sozial-kulturellen Gesellschaften in Polen mit einer Medaille ausgezeichnet.

Radolslaw Sikorski – Der 46-jährige, polnische Außenminister gab beim ersten Treffen mit seinem Amtskollegen Guido Westerwelle im Dezember an, polnischstämmige Bürger in Deutschland mehr unterstützen zu wollen. Seine Forderung, ihnen in Deutschland mehr Rechte und eine verstärkte Förderung ihrer Kultur und Sprache zu gewähren, haben nun polnische Organisationen in Deutschland konkretisiert.

Hans-Dietrich Genscher – 1991 ließ er als Bundesaußenminister zu, dass Deutsche in Polen, die durch die Vertreibung überhaupt erst zur Minderheit wurden, nicht mehr Rechte haben sollen als polnische Zuwanderer im verbliebenen Deutschland. Nicht einmal die deutsche Staatsbürgerschaft der meisten Polen-Deutschen wurde im Nachbarschaftsvertrag erwähnt.

Wojciech Korfanty – 1873 als Albert Korfanty in Schlesien geboren, saß er von 1904 und 1918 im Preußischen Landtag, wo er sich für die polnische Bevölkerung Schlesiens einsetzte. Kurz vor Ende des Ersten Weltkrieges plädierte er für den Anschluss großer Teile der deutschen Ostprovinzen an Polen. Kurz danach nannte er sich „Wojciech“ und organisierte Aufstände in Oberschlesien. Die Tatsache, dass 1921 59,6 Prozent für den Verbleib Oberschlesiens bei Deutschland stimmten, radikalisierte ihn weiter. 1922 war er für wenige Tage polnischer Ministerpräsident.


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