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23.01.10 / Russki-Deutsch (51): Towarisch

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-10 vom 23. Januar 2010

Russki-Deutsch (51):
Towarisch
von Wolf Oschlies

Der russische „Towarisch“ ist der deutsche „Genosse“ – weiß doch jeder. Ist ja auch fast richtig, obwohl das Wort im Russischen „towarischdsch“ ausgesprochen wird. George Bernhard Shaw hat 1910 eine Sprechhilfe erfunden, als er in seiner Komödie „Messalianz“ eine Abendgesellschaft „Fisch-Dschungel“ sagen lässt, was der russischen Aussprache „schdsch“ gleichkommt.

Sprachgeschichtlich sind „towarisch“ und „Genosse“ gleich alt. Auch beider Bedeutung ist fast identisch: Ob jemand mit mir an derselben „tovar“ (Sache, Ware) werkelt oder mit mir dieselbe Nutznießung hat, wie es im althochdeutschen „ginoz“ anklingt, sollte so unterschiedlich nicht sein. Über Jahrhunderte war das Wort allslawisches Gemeingut, was sich erst mit der Politisierung des Begriffs als Anrede in sozialistischen und kommunistischen Parteien änderte. Danach gab es ihn nur noch bei Russen und Ukrainern, auch bei Sorben (towars), Polen (towarzysz) und sogar Rumänen (tovaras), nicht aber bei Tschechen, Bulgaren, Serben, Kroaten, Albanern. 

Im Grunde war der „towarisch“ russischer Alleinbesitz, was zu Sowjetzeiten oft demonstriert wurde, zum Beispiel als die Russen 1947 das vor Rügen versenkte deutsche Segelschulschiff „Gorch Fock I“ heben und überholen ließen, um es 1951 als „Towarisch“ wieder in Dienst zu stellen. Ständig lustig machte man sich in der DDR über steife Wortkombinationen der Sowjets wie „dorogie towarischi“, was wörtlich „teure Genossen“ heißt und mit Blick auf die Besatzungskosten der 410000 Soldaten der „Gruppe sowjetischer Streitkräfte in Deutschland“ süffisant betont wurde.

In der Wende 1989 verschwand der „Towarisch“ praktisch über Nacht, am witzigsten bei den Ungarn. Führende Oppositionspartei war dort das „Ungarische Demokraten-Forum“ (MDF), das bei der ersten freien Wahl mit einem unvergeßlichen Plakat antrat: Stiernackiger Sowjetoffizier von hinten gezeigt, darunter russisch-kyrillisch die Parole „Towarischi, konez“ (Genossen, Ende). Besonders russische Touristen waren hinter dem Plakat her. Nur im postsowjetischen Russland muss man sich an solche Dinge ständig erinnern, denn dort lautet bei Armee, Flotte und Polizei die offizielle Anrede unverändert „Towarisch“.


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