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23.01.10 / Hoffen auf Einsicht in Berlin / Schuldenmachen wird in Deutschlands Kommunen immer mehr zum Alltag - Bürger merken die Folgen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-10 vom 23. Januar 2010

Hoffen auf Einsicht in Berlin
Schuldenmachen wird in Deutschlands Kommunen immer mehr zum Alltag - Bürger merken die Folgen

Im Jahre 2008 erwirtschafteten die deutschen Kommunen noch einen Überschuss, nun steht ihnen das Wasser bis zum Hals. Wegbrechende Steuereinnahmen und gekürzte Zuweisungen von Bund und Ländern rauben den Kämmerern den Schlaf. Nun kommen Lasten durch die geplanten Steuersenkungen hinzu. Viele Kommunnen müssen Schulden machen, obwohl sie das laut Gesetz gar nicht dürfen.

Hilferufe von Bürgermeistern dringen derzeit an die Öffentlichkeit. Die Wirtschaftkrise setzt den Gemeinden zu, jetzt zwingen die Steuerpläne der Bundesregierung zu noch mehr Einschnitten oder neuen Schulden – so die Proteste. Der Städte- und Gemeindebund warnt davor, dass die Kommunen „handlungsunfähig werden und immer tiefer im Schuldensumpf versinken“, sagt der Hauptgeschäftsführer des Städtebunds, Gerd Landsberg. 1,57 Milliarden Euro verlangten die Steuerpläne der Bundesregierung den Kommunen zusätzlich ab, kritisiert er. Die Kämmerer der örtlichen Finanzverwaltungen müssten ihre Haushalte nochmals eindampfen. Dabei stehe neuerdings vom Kindergarten bis zur Feuerwehr alles in Frage, Schonräume wären nicht mehr möglich, so der Tenor.

Um 6,7 Milliarden Euro lagen die Gesamtausgaben aller Gemeinden deutschlandweit in den ersten drei Quartalen 2009 über den Einnahmen, errechnet das statistische Bundesamt. 2008 erwirtschafteten diese Körperschaften noch 5,6 Milliarden Euro Überschuss. Zu hohe Ausgaben sind also die Ursache der Misere – schon vor den aktuellen Steuerdebatten. Bei der Gewerbesteuer, zentrale Steuerquelle der Gemeinden, ist im Vergleich vom zweiten auf das dritte Quartal 2009 über ein Drittel weniger in den Kassen der Städte und Dörfer verblieben – nach den üblichen Abgaben an Bund und Länder. Letztere machten ihre Steuergeschenke bevorzugt von dem, was sie nicht oder nur wenig betrifft, so der Vorwurf der Kommunen. Sie wiederum sollten zahlen: mehr Grundsicherung für Rentner, Eingliederungshilfen für Behinderte in den Arbeitsmarkt, um nur einige Extra-Aufgaben zu nennen.
Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust (CDU) sagt zur Steuerpolitik auf Bundesebene: „Das Ende der Fahnenstange ist für die Kommunen erreicht, wir können einfach nicht mehr sparen und darum hoffe ich, dass es 2010 zu keinen weiteren Steuersenkungen mehr kommt.“ Feuwehr- und Polizeistandorte standen in der Hansestadt nach Bekanntwerden von Steuersenkungsideen aus Berlin kurzzeitig in Frage. Das ist abgewendet, Hamburg steht aber bei den Steuereinnahmen noch gut da. Das Hoffen auf Einsicht in Berlin kann das CDU-regierte Wuppertal sich nicht mehr leisten. 1,8 Milliarden Euro Schulden hat die Stadt im Bergischen Land, 220 Millionen Euro beträgt der Fehlbetrag 2010. Doch bestehen die Probleme nicht seit Beginn der neuen Bundesregierung, wie die Stadt in ihrem „Haushaltssicherungskonzept“ gesteht. Duisburg regelt die Temperatur städtischer Bäder nach unten, Remscheid die Straßenbeleuchtung. Andere erhöhen die Hundesteuer oder die Kosten für die Musikschule. Orte, die bisher schon Geldsorgen hatten, werden jetzt auf eine harte Probe gestellt. Auch kleine Gemeinden müssen nachkalkulieren. Pinneberg (Schleswig-Holstein) bezahlt die privaten Träger von Kindertagesstätten nicht mehr nach deren Kosten, sondern nach einem „Referenzmodell“. Wer nicht genau weiß, was seine soziale Einrichtung kostet, bleibt als privater Träger am Jahresende auf den Kosten sitzen, so Befürchtungen.

Die Lage vieler Kleinstädte zeigt sich exemplarisch in Burg bei Magdeburg. Der Ort bemüht sich seit 2004 um eine Haushaltssanierung. Kämmerin Runa Bohne rechnet für die 24000 Einwohner dieses Jahr mit einer Million Euro weniger aus der Gewerbesteuer: „Wir sind doppelt bestraft, weil uns nicht nur die Gewerbesteuer, sondern auch die Zuweisungen von Bund und Land wegbrechen.“ Noch 7,1 statt 8,1 Millionen Euro (2009) Schlüsselzuweisungen erhält Burg dieses Jahr, es ist das von Bund und Land generell für die Aufgaben der Kommune bereitgestellte Geld. Dennoch zeigt sich am Beispiel Burgs, dass wichtige Investitionen weiter möglich sind. Steuersenkungen und Mindereinnahmen treiben allerdings den Schuldenstand herauf. Insofern kommt die Idee, Abgaben zu senken, zur Unzeit.

Ursache kommunaler Bedrängnis sind also nicht allein die Steuerpläne der Bundeskoalition. Sollten die Tarifabschlüsse für die öffentlich Bediensteten gar die geforderten fünf Prozent enthalten, dürfte sich die Krise zudem noch verschärfen. „Viele Städte wären gezwungen, weiter Personal abzubauen und öffentliche Dienstleistungen zurückzufahren“, kommentiert der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Stephan Articus.

Natürlich ist ein beachtlicher Teil der Altschulden selbst verantwortet, doch zusammen mit den neuen Aufgaben der Kommunen nehmen sie diesen die Luft zum Atmen. Im föderalen Verteilungsringen zwischen Bund und Ländern haben die Kommunen keine Lobby. Ihre fiskalischen Nöte sind daher allmählich gewachsen.

Die hohen Einnahmen der letzten Jahre verführten vielerorts Gemeinden zu unrealistischen Planungen. Nicht nur Mindereinnahmen bei höheren Ausgaben, sondern beispielsweise auch eine teils fragwürdige Praxis bei der Abschreibung von Investitionen legt es den Kommunen nahe, den Bürger zur Kasse zu bitten – über höhere Gebühren für kommunale Leistungen. Sverre Gutschmidt

Foto: Auf den Hund gekommen: Nach dem Einbruch der Gewerbesteuer suchen die Kommunen nach weiteren Einnahmequellen. Die Erhöhung der Hundesteuer entspricht aber nur einem Tropfen auf den heißen Stein.            Bild: pa


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