20.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
23.01.10 / Benötigt Deutschland eine konservative Partei?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-10 vom 23. Januar 2010

Moment mal!
Benötigt Deutschland eine konservative Partei?
von Klaus Rainer Röhl

Nun ist die „Berliner Erklärung“ heraus, die die Perspektive der CDU bis 2013 beschreiben soll. Der Vorstand stellte sich hinter Merkel, nachdem die Erklärung wegen des lauten Murrens in den Landesverbänden noch ein wenig umfrisiert wurde und die Stammwähler an die erste Stelle rückten: „Es wird mehr denn je drauf ankommen, die eigenen Stammwähler zu binden – und neue Wähler hinzu zu gewinnen.“ Vorher hatte es zunächst geheißen, dass die CDU für die Wähler der FDP, der SPD sowie der Grünen attraktiver werden wolle. Nun wurde der Absatz über „die treuen und langjährigen Wähler“ nach oben gesetzt. „Konkrete Angebote werden ihnen aber nicht gemacht“, stellt die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ nüchtern fest.

Das ist mehr als erstaunlich. Denn über zwei Millionen Stammwähler hatte die CDU im letzten Wahlkampf verloren, 1,1 Millionen an die FDP – offensichtlich Wähler, die die Große Koalition um jeden Preis abwählen wollten; aber 900000 Millionen Stimmen verlor die Union an die „Nichtwähler“. Auf der Klausurtagung nannte man sie „konservative Wähler“ das Wort „national“ fiel nicht.

Unser wiederholter Rat an die Kanzlerin und ihre Berater war, etwas mehr „deutschfreundlich“ zu sein. Sonst passiere etwas, was noch niemand für möglich gehalten hätte. Die 900000 waren Menschen, die diesmal gar nicht gewählt haben, weil sie sich in der CDU nicht mehr wiedererkennen konnten, aber auch keiner anderen Partei ihre Stimme geben wollten. Es sind – nicht ich habe das angesprochen, sondern vier CDU-Fraktionsvorsitzende der Landesparlamente – potenzielle Wähler einer „neuen konservativen Partei“, und am Ende war es die Kanzlerin selbst, die auf sie zu sprechen kam: Es sei ihre Aufgabe, diese Debattenbeiträge aus den Ländern zu integrieren, „schon, um das Entstehen einer neuen demokratischen Partei rechts der CDU zu verhindern“ („FAZ“ vom 16. Januar).

Nun ist das Wort also heraus: Es könnte eine neue, demokratische Partei rechts der CDU entstehen. Keine rechtsradikale Gruppierung, sondern eine demokratische Kraft rechts der Mitte, wie es sie in fast allen Ländern Europas gibt.

In Österreich hat diese Partei ein Potenzial von 31 Prozent und regiert, wenn auch nicht mehr im Gesamtstaat, so doch in zwei Bundesländern mit. Zwar haben sich die „Freiheitlichen“ des charismatischen Parteichefs Jörg Haider vor einigen Jahren gespalten, aber gerade an diesem Wochenende sieht es so aus, als wenn es dem erst 40-jährigen Landesobmann (Parteivorsitzenden) von Kärnten, Uwe Scheuch, gelingen werde, als Nachfolger Haiders die gespaltenen Teile der österreichischen Rechten, die FPÖ und die BZÖ, wieder zu vereinen. I

n Deutschland ist die Schwesterpartei der FPÖ schon lange einen eigenen Weg gegangen und hat ihren nationalen Flügel, den es durchaus gab, abgetrieben. Die Nationalliberalen, zu denen unter anderen der ehemalige Generalbundesanwalt Alexander v. Stahl und Manfred Brunner, der frühere bayerische Parteichef und spätere Kabinettschef des EU-Kommissars Bangemann, gehörten und die mit rund 20 Prozent der Mitglieder rechnen konnten, wurden in den 90er Jahren erbarmungslos ausgegrenzt. Erledigt durch Nichtbefassung. Vergeblich erinnerten die Mitglieder der „Liberalen Offensive“ an das Wort des großen alten Mannes der FDP, Graf Lambsdorff: „Immer, wenn versucht wurde, Freiheit, Rechtsstaat und offenes geistiges Klima dadurch zu schützen, dass man sie einschränkt, war der Totalitarismus hinterher eher stärker als schwächer ... Genau das geschieht aber, wenn schon manchem Konservativen aus den demokratischen Parteien ein hässlicher rechter Aussatz angedichtet wird oder wenn schon bei den nationalliberalen Mitgliedern der FDP eine Gleichsetzung mit Rechtsradikalen erfolgt. Nationalliberale sind immer ein Teil der FDP gewesen.“ Nach dem Tod von Möllemann war endgültig Schluss mit der Debatte.

In Deutschland ist an der Stelle, wo im Nachbarland Österreich oder, mit anderen Schwerpunkten, in der Schweiz eine rechte, aber unbestritten demokratische Partei aktiv ist, ein Vakuum. Bloß nicht werden wie Haider, heißt es in der FDP. Haider, der Populist. Ist aber Guido We-sterwelle nicht selber Populist? Ist Angela Merkel keine Populistin?
Ist nach der Klausurtagung von Leipzig nun Schluss mit der Debatte in der Union, bis zum Jahre 2013? Kaum. Denn der Mensch ist, wie der Dichter sagt, sehr brauchbar. Er hat nur einen Fehler: Er kann denken. Das gilt auch für CDU-Wähler. Und die fragen sich, wohin die Union unter Angela Merkel steuert. Warum ist sie so schwer zu verstehen für ihre Wähler?

Liegt es an ihr? An ihrer Biographie? An ihrer unglücklichen, von ihr als gar nicht so unglücklich empfundenen Jugend?

Angela Merkel lebte bis zu ihrem 35. Lebensjahr nicht aus freien Stücken, wohl aber nach dem Willen ihres Vaters, der freiwillig aus der Bundesrepublik in die DDR übergesiedelt war, zusammen mit 17 Millionen Leidensgenossen im falschen Staat. Unter einem Regime, das zu den treuesten Anhängern der Sowjet-union gehörte, die während der Zwangskollektivierung viele Millionen Bauern, die sogenannten Kulaken, kaltblütig ermordet hatte. Der kleinen Angela Merkel wurde diese Sowjetunion in Schule und Lehrbüchern als eine friedliche Macht dargestellt, die Hitler besiegt hatte. Die Vertreibung von 15 Millionen Deutschen aus den Ostprovinzen und dem Sudetenland, die Ermordung von 2,2 Millionen dieser Opfer, überwiegend Frauen, Kindern und Alte, war in ihrem Schulunterricht kein Thema, im Gegenteil. Die Rotarmisten wurden in der DDR als Helden verehrt. „Wer hat vollbracht all die Taten / Die uns befreit von der Fron / Das waren die Sowjetsoldaten / Die Helden der Sowjetunion“, das wurde in der FDJ gern gesungen.

Und später? Was bei uns allen im Westen, besonders bei den konservativen Mitglieder der Union, tiefe Spuren hinterlassen hat und prägend wurde, blieb Merkel als persönliche Erfahrung versagt: Auch der Aufstieg und Zerfall der 68er Bewegung, das Auftreten ihrer hässlichen Zerfallsprodukte und Folgeerscheinungen und schließlich der Speerspitze der APO, der Roten Armee Fraktion. Alle diese Ereignisse, die damals Deutschland in tiefgreifender Weise veränderten, hat sie nicht persönlich erfahren. Bis 1989 war die Pfarrerstochter, Mitglied der Jungen Gemeinde und der FDJ und spätere Naturwissenschaftlerin, von allen überprüfbaren Informationen, auch solchen über die CDU in der Bundesrepublik, abgeschnitten. Wie wirkte sich das auf den politischen Standort und das Wertesystem von heute aus? Wo will Frau Merkel mit der Union hin? Zur Mitte? Warum dann neue Wähler von der FDP, der SPD und den Grünen mobilisieren? Vielleicht auch von den „Linken“?

Ist das einzige Ziel die Erhaltung der Macht? Dann brauchte die politische Landschaft in Deutschland wirklich eine Ergänzung.

Auf 15 Prozent beziffert das Allensbacher Institut seit Jahren das Wählerpotential für eine rechte Mitte. In Bayern wird dieses Reservoir fast völlig von der CSU ausgeschöpft. Aber in den übrigen Ländern? Dort ist an der Stelle, wo eine demokratische Rechte sein müsste, ein Vakuum. Das ist ein Problem für die Stammwähler der Union.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren