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23.01.10 / Königsberg als tickende Zeitbombe / Schluderiger Umgang mit alten Munitionsbeständen gefährdet die Sicherheit der Gebietsbevölkerung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-10 vom 23. Januar 2010

Königsberg als tickende Zeitbombe
Schluderiger Umgang mit alten Munitionsbeständen gefährdet die Sicherheit der Gebietsbevölkerung

Valentin Milowski, Ex-Offizier der Baltischen Flotte, lebt seit 1954 in Königsberg, für das er sich nach seiner Pensionierung zu interessieren begann. So entstand sein deutsch-russisches „Fotoalbum mit Anmerkungen“ zu „Spuren der Vergangenheit“, das im Internet (milovsky-gallery.albertina.ru) zu sehen ist. Besonders ausführlich hat Milowski „Spuren des Zweiten Weltkriegs“ dokumentiert, weil die heutigen Einwohner nach wie vor viel von unterirdischen deutschen Munitionsfabriken erzählen und in Stadt wie Region noch ungezählte Blindgänger gefunden werden.

Gäbe es nur diese Sorge, würde kein Königsberger Hahn danach krähen und die Arbeit am Projekt „Tourismus-Mekka Königsberg“ flott voran gehen. Davon kann leider keine Rede sein: In Russland häufen sich Explosionsunglücke in Militärdepots, das bislang letzte ereignete sich Mitte November 2009 in Uljanowsk an der Wolga. Die Wirkung war verheerend und sie könnte sich in Königsberg wiederholen, das eine ähnlich tickende Zeitbombe ist. Unter dem Eindruck von Uljanowsk begann Anfang Dezember in Königsberg und Umgebung eine Inventur militärischer Sprengstoff- und Munitionsbestände, deren erste Resultate den Zivilschützern unter Georgi Mchitarow Schrecken einjagen: Die allgegenwärtigen Munitionsdepots unterliegen keiner zentralen Aufsicht, in ihrer Nachbarschaft stehen Erdöllager und Fabriken – ein Horror!

Anschauung vermittelt Zimmerbude am Frischen Haff. Wie die mutige „Nesawissimaja Gaseta“ (Unabhängige Zeitung) berichtete, liegt im Stadtzentrum das Magazin für 1000 Tonnen abgeschriebener Torpedo- und Minenbestände der Baltischen Flotte. Gleich nebenan werden Raketen und Geschützmunition aufbewahrt und der Ölterminal „Baltnaft“ gebaut. Auch wächst die städtische Industriezone auf die Waffenlager zu

Selbst Militärstaatsanwälten missfällt dieser Wahnsinn von Zimmerbude. Politiker wie die Stadtabgeordnetete Julia Rubisch erinnern sich, dass es vor Jahren ein Referendum gegen die Öllager im Stadtzentrum gab, dem am Ende ganze 30 Stimmen zum Erfolg fehlten.

Sollten in Zimmerbude die Munitionsdepots explodieren, müsste man die Stadt von der Landkarte löschen und ein paar andere dazu, befürchtet Wladimir Wukolow, Vizepräsident des Regionalparlaments (Duma). Zu den gefährdeten Städten gehört auch Königsberg, in dessen Vorstädten zahlreiche Kasernen stehen, besonders solche von Artillerieeinheiten mit riesigen Munitionsdepots.

Michail Tschesalin, Regionalchef der Reformpartei Patrioten Russlands, befürchtet, dass die aktuelle Inventur der Munitionsbestände nur die „übliche Marktschreierei“ ist, weil niemand sich jemals daran erinnerte, dass in Russland gesetzlich verboten ist, in der Nähe militärischer Depots Zivilbauten zu errichten, die erhöhter Gefährdung ausgesetzt wären.

Gelten russische Gesetze für russische Militärs? Als Anfang der 1990er Jahre sowjetische Besatzungstruppen aus Polen und der DDR, wo sie 410000 Mann zählten, abgezogen wurden, haben sie Waffen und Munition mitgenommen und zum größten Teil im Königsberger Gebiet gelagert. Dort liegen sie und verbreiten wachsende Angst, vor allem im benachbarten Litauen. Dieses weigert sich seit Jahren kategorisch, russische Gefahrentransporte über sein Territorium in die Exklave Königsberg oder aus dieser heraus zu lassen. Der einzige Ausweg wäre, vor Ort Fabriken zu errichten, die die Waffen und Sprengmittel fachgerecht entsorgen. In ihrem Bericht äußerte die „Nesawissimaja Gaseta“ die Befürchtung, dass daraus nichts wird: „Seit Jahrzehnten wird darüber geredet, aber bislang hat es noch keine konkreten Schritte in dieser Richtung gegeben.“            Wolf Oschlies


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