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23.01.10 / Die ostpreußische Familie / Leser helfen Lesern

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-10 vom 23. Januar 2010

Die ostpreußische Familie
Leser helfen Lesern
von Ruth Geede

Lewe Landslied,            
liebe Familienfreunde

„Alles was zählt“ – das gilt seit jeher für Erfolge – nicht erst, seit das Fernsehen eine Vorabendserie so betitelt hat, und das gilt erst recht für unsere Ostpreußische Familie. Alles, was bei uns zählt sind die Erfolge, die durch unseren Leserkreis bewirkt werden, und dazu gehören nicht nur die kleinen und großen „Wunder“, sondern auch die Begegnungen, die sich aus der Veröffentlichung von Fragen und Antworten ergeben. Aber im Falle unserer „Wolfskinder“ – jener Landsleute, die im Kindesalter nach Litauen flüchteten und dort verblieben sind – zählt etwas noch mehr: nämlich die materielle Unterstützung durch die Hilfsaktion „100 Litas für Wolfskinder“, die ihnen im letzten Jahr zuteil wurde und zu der unsere Leserinnen und Leser durch die Übernahme von Patenschaften und zum Teil sehr großzügige Spenden beigetragen haben. Wir berichten darüber gesondert in der Meldungsspalte der Aufschlagsseite des Ostpreußenblattes, aber der unerwartete Erfolg erscheint uns doch so wichtig, dass wir auch in unserer Familie darauf näher eingehen müssen.

Was das für unsere in Litauen verbliebenen Landsleute bedeutet, kann man nur verstehen, wenn man bedenkt, dass sie keine Unterstützung oder Entschädigung durch die Bundesrepublik Deutschland erhalten. Viele von ihnen konnten sich beruflich nicht qualifizieren, da ihre Schulausbildung mangelhaft gewesen war. Die litauischen Familien, bei denen die deutschen Waisen Zuflucht fanden, mussten die Kinder vor den sowjetischen Fahndern verbergen oder gaben sie als ihre eigenen aus. So verloren die vor allem aus dem nördlichen Ostpreußen stammenden Zwei- bis 14-Jährigen ihre Sprache, ihren Namen und damit auch ihre Identität. Etwa 150 von ihnen konnten in den letzten Jahren – oft unter schwierigen Umständen – nach Deutschland übersiedeln. Wir haben in unserer Kolumne oft über ihr Schicksal berichtet und konnten ihnen zum Teil durch die Verbindung zu hilfsbereiten Landsleuten das Einleben hier im Westen erleichtern. Viele sind unserer Zeitung treu geblieben wie ich jetzt gerade aus ihren Wünschen zum Jahreswechsel entnehmen konnte. Unvergessen bleiben für uns auch die Erfolge, wenn wir Verwandte finden oder sogar mithelfen konnten, die Identität eines „Wolfskindes“ zu klären. Manchmal kamen wir aber auch zu spät, da waren die Suchenden oder Gesuchten verstorben, das tut weh. Und auch die ungelösten Fälle, über lange Jahre immer wieder an uns herangetragen, sind die Steine auf unserem langen Suchweg, die nicht weggeräumt werden konnten. Jetzt aber freuen wir uns mit unsern Landsleuten in Litauen, die dort ihren Lebensabend verbringen wollen oder müssen – weil eine Übersiedlung nach Deutschland aus physischen und psychischen Gründen nicht möglich ist –, dass ihnen dieser nun dank der Spendenaktion wesentlich erleichtert wird. „Es ist spät, aber nicht zu spät“, wie Freiherr von Stetten sagt, und das lässt weiter hoffen

Manche Spender wollen öffentlich unbekannt bleiben, wie die 85-jährige Rastenburgerin mit ihrer 10000-Euro-Gabe oder die gleichaltrige Memelländerin, die einen noch höheren Betrag spendete, weil sie sich besonders von dem Schicksal ihrer Landsleute angerührt fühlte. Sie war durch die litauische Währung Litas im Bericht über diese Aktion aufmerksam geworden, den Anita Motzkus im vergangenen Jahr für unsere Zeitung geschrieben hatte. Gerade dieser engagierte Artikel hat dazu beigetragen, dass der Anteil der PAZ-Spender solch einen hohen Stellenwert errang. Die aus dem Kreis Gerdauen Stammende ist selber als Kind bettelnd durch Litauen gezogen, und das verpflichtet sie noch heute zu einem unermüdlichen Einsatz für die „Wolfskinder“. Deshalb weiß sie auch, was 100 Litas für diese Menschen bedeuten. Für uns sind es 30 Euro! „Neben der materiellen Hilfe hat weit über die Hälfte der Wolfskinder zum ersten Mal die Möglichkeit erhalten, ein Konto zu eröffnen, und das trägt sehr zum Selbstgefühl bei!“, sagt Anita Motzkus.

Von Firmen, die als Spender auftreten, ist man nicht gerade Diskretion gewohnt, sie bleiben selten anonym, denn sie sehen ihre oft großzügigen Spenden als Werbeaktion in eigener Sache. Aber da kann man sich auch irren wie einer E-Mail von Frau Karin Banse aus Wieren zu entnehmen ist. Die Stellvertretende Vorsitzende der Kreisgemeinschaft Gumbinnen schreibt: „In der ,Familie Extra‘ in der Weihnachtsausgabe der PAZ schreiben Sie über die anrührende Geschichte von Ursula Strahl in mageren Kriegszeiten, sie bittet die Firma Dr. Oetker um Zutaten zum Plätzchenbacken und bekommt diese auch.“ Im Antwortschreiben der Firma Dr. Oetker steht der Satz: „Aber das ist einmalig, bitte nicht Reklame machen!“ Man würde es damals der Firma durchaus nicht übel genommen haben, wenn sie damit verhindern wollte, dass nach einer Veröffentlichung eine Flut von ähnlichen Kinderbriefen die Folge gewesen wäre. Aber Frau Banse kann mit einem weiteren, sehr gewichtigen Beispiel aufwarten, denn die Kreisgemeinschaft Gumbinnen hat vor zwei Jahren Folgendes erleben können, wie sie uns mitteilt:

„In unserer Heimatstadt wurde geplant, das Fresko von Professor Otto Heichert ,Empfang der Salzburger Emigranten vor König Friedrich Wilhelm I.‘ in der Aula der ehemaligen Friedrichschule zu restaurieren. Gemeinsam mit dem Salzburger Verein und der Vereinigung ehemaliger Fried­richschüler wurden viele Bittbriefe geschrieben. Und es trafen auch viele große und kleine Spenden ein, aber es reichte nicht. Erst als eine Delegation unserer Patenstadt Bielefeld im Jahr 2007 mit uns im heutigen Gusev war und die Restaurationsarbeiten in Augenschein genommen hatte, kam der Durchbruch. Voller Bewunderung für das Vorhaben und wahrscheinlich auch durch ein gutes Wort über unsere Bemühungen erfolgte eine großzügige Spende von der Rudolf-August-Oetker-Stiftung. So konnte das symbolträchtige Bild fachgerecht restauriert und die Aula wieder hergestellt werden. In dem Schreiben der Stiftung mit der Spendenzusage heißt es: ,… wobei wir bitten möchten, über die Höhe der Zuwendungen gegenüber der Presse keine Angaben zu machen.“ Wir sind dankbar für die Spende. Sie hat auch dazu beigetragen, dass unser Ansehen und die Anerkennung der Arbeit der Kreisgemeinschaft für unsere Heimatstadt deutlich gestiegen sind. Natürlich wurde auf der Spendentafel unter dem Fresko auch die Oetker-Stiftung genannt.“

Darüber kann man berichten, über die Höhe werden wir auch schweigen, selbst wenn sie uns bekannt wäre. Ihnen, liebe Frau Banse, einen herzlichen Dank für Ihre Ausführungen zu diesem für uns so wichtigen Thema.

In der letzten Zeit sind häufig Anfragen nach Orten aus Westpreußen und dem ehemaligen Warthegau an uns gerichtet worden, weil die Betreffenden sich nicht mit den durch die wechselvolle Geschichte mehrmals umbenannten Ortsnamen auskennen. Hier hat uns einer unserer eifrigsten Mitdenker, Frank Schneidewind aus Olpe, schon oft geholfen. Er konnte so manchem Fragesteller wichtige Hinweise und Auskünfte geben, weil er vor allem in alten Adressbüchern fündig wurde. Jetzt gibt er einen wichtigen Hinweis für alle diejenigen, die Orte in der ehemaligen Provinz Posen suchen oder andere wichtige Angaben über die Geschichte dieses Gebietes benötigen. Er bezieht sich auf eine Publikation, die von der Martin-Opitz-Bibliothek in Herne herausgegeben wurde. Es handelt sich um das „Historische Ortsverzeichnis der Provinz Posen und der Wojewodschaft Poznan (Posen)“, das alle Orte der Provinz Posen – Städte, Dörfer, Gutsbezirke und Wohnplätze – auf der Basis der Volkszählung von 1910 beziehungsweise 1905 umfasst. Sehr wichtig ist, dass auch die Struktur der Ortschaft zu jener Zeit, die Kreiszugehörigkeit, der deutsche Name sowie die Umbenennungen in den zwei Jahrzehnten zwischen den Kriegen, nach dem Polenfeldzug und der heute von den Polen benutzte Name angegeben sind. Die 232 Seiten starke Publikation ist zu beziehen über die Martin-Opitz-Bibliothek, Berliner Platz 5 in 44623 Herne.

Gerne erfülle ich Herrn Schneidewind auch einen Wunsch, den er für seine Mutter Hanna Günster stellt, die ihm lange Jahre eine stille, fleißige Helferin in seiner landsmannschaftlichen Arbeit gewesen ist. Es geht um Menschen, mit denen die Familie nach der Flucht zusammen war. Hanna Günster * 1928, lebte bis zur Flucht im Februar 1945 gemeinsam mit ihrer Mutter und drei jüngeren Schwestern einige Jahre im östlichen Brandenburg. Die Frauen verschlug es zuerst nach Thüringen in den Raum Saalfeld. Dort lebten sie in den Ortschaften Kirchhasel und Teichwalden, die sie aber bald auf behördliche Anordnung verlassen mussten. Der Weitertransport erfolgte nach Schleswig-Holstein in die Wilstermarsch. Die Frauen bekamen Quartier auf dem großen Hof des Bauern Wilkens in Dammfleth bei Wilster. Hier an der holsteinischen Westküste fanden sie Kontakt auch zu anderen Heimatlosen, vor allem zu ostpreußischen Flüchtlingen aus dem Ermland. Aus diesen ersten Nachkriegsjahren bis 1949 blieben noch einige Fotos erhalten. Die Aufnahme, die wir hier veröffentlichen, zeigte Hanna Günster mit zwei anderen, damals wohl noch unverheirateten Frauen, deren Namen auf der Rückseite vermerkt sind: Lydia Schneider und Luise (Ischen) Schwark. Sie müssen zum Freundeskreis von Frau Günster gehört haben, sind wahrscheinlich auch Flüchtlinge, vielleicht aus dem Ermland. Der Name „Schwark“ deutet darauf hin. Im „Ploetz für Ermländer“ des Priesters Lothar Ploetz wird er unter den typisch ermländischen Namen aufgeführt. Von dem weiteren Verbleib ihrer damaligen Freundinnen ist Frau Günster nichts bekannt, die Verbindungen rissen später ab. Geklärt werden konnte das Schick­sal einer anderen, damals noch unverheirateten Ostpreußin aus dem Kreis Mohrungen. Erna Dreher ist leider schon verstorben. Wenn sich eine der abgebildeten Freundinnen bei Herrn Schneidewinds Mutter melden würde, hätte der Sohn ihr mit diesem Suchwunsch eine große Freude bereitet. (Familie Schneidewind, Grubenstraße 10 in 57462 Olpe.)

Es ehrt mich sehr, wenn ich als „lebendes ostpreußisches Lexikon“ bezeichnet werde, aber auch das umfangreichste hat Lücken, und erst recht ein zweibeiniges. Frau Roswitha Kulikowski aus Hemmingen setzt sehr auf mein Erinnerungsvermögen, aber ich kann ihr nur sagen, dass ich die Königsberger Geschichte, nach der sie fragt, nie gehört habe. Ihr ist sie soweit bekannt, dass sie den Königsberger Dom betrifft. Dort soll einmal – wohl an einem Heiligen Abend – solch ein furchtbarer Schneesturm geherrscht haben, dass die Menschen, die an der für die Professoren bestimmten Domtür rüttelten, verzweifelt den sofortigen Einlass forderten. Wer weiß von dieser historischen Begebenheit? Frau Kulikowski würde sich freuen, und ich fülle auch gerne Lücken in meiner eigenen Königsberger Chronik auf. (Roswitha Kulikowski, Arnumer Straße 28, 30966 Hemmingen, OT Harkenbleck, Telefon 05101 / 2530.)

Eure Ruth Geede

Foto: Hanna Günster (links) mit ihren Freundinnen Lydia Schneider und Luise (Ischen) Schwark: Wer Hinweise zu Frau Schneider oder Frau Schwark geben kann, wende sich an Familie Schneidewind, Grubenstraße 10, 57462 Olpe.


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