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23.01.10 / »Die beste Sängerin ohne Stimme« / Bei Hildegard Knef scheiden sich die Geister: Die einen verehren sie als Star, den anderen ist sie der Inbegriff des Skandals

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-10 vom 23. Januar 2010

»Die beste Sängerin ohne Stimme«
Bei Hildegard Knef scheiden sich die Geister: Die einen verehren sie als Star, den anderen ist sie der Inbegriff des Skandals

Mit Glück ist sie schon als Kind nicht reich beschenkt worden. Krankheiten und Misserfolge prägten ihr Leben. Dennoch ließ sich Hildegard Knef von nichts und niemandem unterkriegen. Sie war ein Vorbild für das erwachende Selbstbewusstsein der sich zunehmend emanzipierenden Frauen.

In jungen Jahren ahnt noch niemand, dass das Kind einmal ein ebenso umjubelter wie umstrittener Star werden würde. Am 28. Dezember 1925 in Ulm geboren, erlebt Hildegard Knef die Schrecken des Zweiten Weltkrieges. Nach dem frühen Tod des Vaters kommt sie 1926 mit ihrer Mutter nach Berlin, wo sie zeitweise mit dem geliebten Großvater in einer Wohnung lebt. Erste gesundheitliche Probleme kündigen sich mit Kinderlähmung und rheumatischem Fieber an. Die zweite Heirat ihrer Mutter beschert der kleinen Hilde Bruder Heinz Wulfestieg, der später ein bekannter Jazztrompeter werden wird. Bereits in ihrer Jugend malt sie gerne Bilder, am liebsten Portraits. Ihr Talent kann sie 1942 als Zeichnerin bei den UFA-Studios beweisen, wo sie eine Lehre in der Malabteilung beginnt. Doch schon bald bemerkt Personalchefin Else Bongers ein weiteres Talent des außergewöhnlichen Mädchens und ermöglicht ihm Probeaufnahmen für die Schauspielabteilung. Kurz darauf erhält Hilde ein Stipendium und hat erste Engagements.

In der Endphase des Krieges wird sie von ihrer Mutter getrennt und macht sich als Soldat verkleidet auf den Weg zu ihr. Die Maskerade fliegt zwar auf, bleibt jedoch unbestraft. Dafür wird sie in ein polnisches Lager gesperrt, wo sie an Typhus erkrankt und sich am Kiefer verletzt. Nach drei Monaten gelingt ihr die Flucht, sie schafft es bis nach Berlin. Schon bald nimmt sie ihre Theaterkarriere wieder auf und wird von Wolfgang Staudte für die Hauptrolle in „Die Mörder sind unter uns“ besetzt, dem ersten deutschen Nachkriegsfilm. In der sowjetischen Militärzone ein Erfolg, wird er in der Bundesrepublik Deutschland erst zwölf Jahre später gezeigt.

Hilde ziert das Titelblatt des „Spiegel“ und die erste Ausgabe des „Stern“. Sie genießt die erste Welle ihres Ruhms. Selbst in den USA wird man auf sie aufmerksam. Hollywood-Produzent David O. Selznick macht Hilde ein Angebot, und so zieht  sie Anfang 1948 mit ihrem ersten Ehemann Kurt Hirsch in die USA und nennt sich wegen der einfacheren Aussprache Hildegard Neff. Währenddessen wird der Streifen „Film ohne Titel“ in Deutschland zum Erfolg, der ihr mehrere Auszeichnungen einbringt. Das Hoch sollte nicht von Dauer sein. 1950 nimmt sie die Rolle in Willi Forsts „Die Sünderin“ an und kehrt nach Deutschland zurück. Mit einer Nacktszene sowie den Themen Selbstmord und Sterbehilfe sorgt der Film im Nachkriegsdeutschland für eine Protestwelle, wie sie die junge Republik noch nie zuvor erlebt hat.

Insbesondere die Katholische Kirche rebelliert, Demonstranten besetzten die Kinos, die sich trauen, den Film zu spielen. Schließlich darf „Die Sünderin“ in Bayern gar nicht mehr gezeigt werden. 1952 lässt sie sich von Kurt Hirsch scheiden; sie produziert mehrere Flops, bei der Kritik fällt sie ebenfalls durch. Zugleich wird sie jedoch von vielen als Star gefeiert und verehrt.

Den Zenit ihrer Filmkarriere hat Hilde überschritten, sie wendet sich nun vermehrt der Musik zu und veröffentlicht mit „Ein Herz ist zu verschenken“ ihre erste Platte, die großen Zuspruch findet. Aufträge als Werbemodell zieht sie ebenfalls an Land.

Zurück in den USA nimmt Hildegard Knef 1955 als erste Deutsche eine Hauptrolle in einem Broadway-Musical an. „Silk Stockings“ (Seidenstrümpfe oder Ninotschka) mit der Musik von Cole Porter wird ein großer Erfolg. Sie soll auch in der Verfilmung von Metro-Goldwin-Meyer (MGM) mitspielen. Allerdings darf sie durch die vertragliche Bindung an 20th Century Fox nicht in einer MGM-Produktion mitwirken. Die Rolle geht an ihre Freundin Marlene Dietrich, Hilde kehrt wutentbrannt und enttäuscht nach Deutschland zurück.

Dort kann man sie wegen des Skandals mit „Die Sünderin“ immer noch nicht besonders leiden. Deshalb dreht sie in Frankreich und England, wo sie ihren zweiten Ehemann David Cameron kennenlernt. Auch damit setzt sich die Knef in die Nesseln. Da Cameron noch verheiratet ist, wird sie als Ehebrecherin beschimpft. Aber Hilde wäre nicht Hilde, wenn ihr die Meinung der anderen nicht herzlich egal gewesen wären.

Immer mehr rückt die Musik in den Vordergrund. Hilde begeistert dabei weniger mit einer virtuosen Gesangstechnik, als vielmehr durch ihre tiefe, rauchige Stimme, die den Chansons Nachdruck verleiht. Ella Fitzgerald nennt sie „die beste Sängerin ohne Stimme“. Sie fängt an, ihre Texte selbst zu schreiben, das kommt beim Publikum an. Das 1968 erschienene Chanson „Für mich soll’s rote Rosen regnen“ wird zu ihrer Erkennungsmelodie. Im selben Jahr kommt Tochter Christina Antonie, genannt „Tinta“, zur Welt. 1970 erscheint ihr autobiografisch geprägtes Buch „Der geschenkte Gaul“. Nach dieser Vorlage entsteht 2009 der Film „Hilde“, in dem Heike Makatsch die Knef spielt.

Es folgen weitere Bücher, weitere Platten und 1977 eine dritte Ehe (mit Paul von Schell). Dabei verschlechtert sich ihre finanzielle Situation zunehmend. In Los Angeles kann sie nicht mehr Fuß fassen, auch in Deutschland plagen sie nicht unerhebliche Schulden. Auch die Gesundheit lässt den in die Jahre gekommenen Star immer wieder im Stich. Darmprobleme, Leber- und Lungenkrankheiten und Brustdrüsenkrebs bestimmen ihr Leben zunehmend.

Da sie, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen, in der Öffentlichkeit über ihre Krebserkrankung spricht, sorgt sie erneut für einen Skandal, legt damit jedoch den Grundstein zur Enttabuisierung des Themas. Auch ihr offener Umgang mit ihrer eigenen Schönheitsoperation sorgt für Wirbel. Doch die ständigen Reibereien zehren an den Energiereserven. Am 1. Februar 2002 gibt die Kämpfernatur Hildegard Knef sich endgültig geschlagen. Sie stirbt im Alter von 76 Jahren an den Folgen einer Lungenentzündung.            Bettina Friemel / Ricore

Foto: Umstrittener Streifen: Proteste der Kirchen machten „Die Sünderin“ zu einem Kassenerfolg. Als die Knef sich „Neff“ nannte: Abdrücke vor dem Grau-man’s Chinese Theatre am Hollywood Boulevard


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