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23.01.10 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 03-10 vom 23. Januar 2010

Es tickt / Wer in den Keller muss, warum wir das Geschenk aus Berlin so zittrig befingern, und wie Maria Böhmer auf die Wirklichkeit prallte
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Zum Abschied gab Angela Merkel den Traditionswählern der CDU noch ein paar beruhigende Worte mit auf ihren Weg in den Gerümpelkeller. Dort unten, im Limbus der Mundtoten, soll sie niemand mehr hören, wenn sie mit ihren reaktionären Ketten rasseln, die Konservativen und die Kirchgänger, die Nationalliberalen, die Vertriebenen und wer noch alles: Konservativ sei sie ja auch, irgendwie, beteuert Merkel mit müder Stimme. Und Kirche? Ach Gottchen, sie ist immerhin Pastorentochter. Das sollte reichen. Für die Nationalliberalen spult die CDU-Chefin das Bekenntnis zu Vaterland,  Freiheit und Marktwirtschaft routiniert ab, und für die Belange der Vertriebenen hat Frau Merkel immer ein offenes Ohr, das nur dieser Tage dummerweise verstopft ist.

Auf ihrem Zug in die Verbannung aus dem Kreis der „wahlkampfrelevanten Wählerschichten“ dürfen die Abgemeierten alles mitnehmen, was sie an politischen Flausen und überkommenen Gesellschaftsentwürfen mit sich herumschleppen. Nur eines bleibt gefälligst da, wo es immer war: ihre Stimme. Die soll künftig auch nicht mehr an irgendwen „verliehen“ werden, wie Volker Kauder mahnt, sondern ist pflichtgemäß auch weiterhin bei der CDU abzugeben. Wen sollten sie auch sonst wählen?

Dieser klare Schnitt war lange überfällig. Merkels Wahlforscher haben nämlich herausgefunden, dass die alten CDU-Milieus dahinwelken und keine Zukunft mehr haben. Und dass die neuen Wähler immer sprunghafter werden und leichtfüßig von einer Partei zur anderen hüpfen. Da müsse man hinterher springen, wenn einem die Leute nicht entwischen sollen. Sonst würde die CDU bald zur 20-Prozent-Partei schrumpfen.

Die zeitgemäßen Medien sind hingerissen davon, wie Merkel die CDU endlich öffnet „für alle Wählerschichten“ (bis auf die im Keller). Genauso hingerissen, wie sie es vor zwölf Jahren von Gerhard Schröder und seiner „Neuen Mitte“ waren. Damals hatten die Wahlforscher herausgefunden, dass die alten SPD-Milieus dahinwelken und keine Zukunft mehr haben. Wie Merkel war auch Schröder die Partei mit ihren „Stallgerüchen“ und Traditionen sowieso eher lästig als lieb, weshalb er sich ebenso freudig „öffnete“. Im schicken Brioni mit teurer Havanna im Mundwinkel machte er auf „Genosse der Bosse“ und bändelte mit „allen relevanten Wählerschichten“ an. Das Gemaule aus den Niederungen der SPD perlte an ihm ab. Sozial, das war Schröder als Sozialdemokrat doch von Natur aus. Und wen sollten die beleidigten Sozis, die sich mit dem neuen Chic nicht anfreunden wollten, denn sonst wählen?

Heute ist die SPD eine 20-Prozent-Partei. Die von Basta und Brioni verscheuchten Traditionswähler haben sich nämlich nicht an die Prognosen von Schröders Milieuforschern gehalten und fanden etwas auf der Abraumhalde der deutschen Par­teiengeschichte: die Linkspartei. Aber war die für SPD-Wähler denn nicht zu unappetitlich? Blödsinn: Nach 20 Jahren „Wandel durch Annäherung“ und weiteren zwei Dekaden Geschichtsklitterung hatten sich die „guten Seiten der DDR“ doch als ihr alles überragendes Merkmal herausgestellt! Warum also nicht?

Mit den Wählern ist das halt so eine Sache. Keiner weiß so recht, was die umtreibt. Jetzt hat man Millionen von ihnen die Steuerlast gesenkt, doch statt das Geld auszugeben und die Konjunktur anzuschieben, packen sie die Knete auf die Seite. Sie behandeln das „Steuergeschenk“ mit der zitt­rigen Reserve, mit der man ein prachtvoll eingewickeltes Präsent befingert, in dem etwas tickt: Sieht ja toll aus, fliegt mir aber vermutlich bald um die Ohren.

Wann die Bombe hochgeht, ist noch nicht ganz raus. Die meisten  tippen auf den 9. Mai, den Tag der NRW-Wahl. Wir sollten das mit Rücksicht auf unsere genervten Politiker aber nicht so laut sagen, sonst müssen sie immer so grausig flunkern, dass die Wahl ganz und gar nichts mit der Bekanntgabe der weiteren Finanzplanung zu tun habe. Wir sollten uns da wie Erwachsene verhalten, wenn Kinder ihre Weihnachtsgeschenke auspacken: Natürlich wissen wir, was drin ist. Aber um der Spannung willen und zur Rettung der Geschichte mit dem Weihnachtsmann tun wir trotzdem völlig überrascht. So machen wir’s im Mai, wenn Schäuble uns vom „unerwarteten Ausmaß der Steuermindereinnahmen“ berichtet und einräumt, dass nun einige der von der Koalition fest vereinbarten Entlastungen so schnell nicht umsetzbar seien. Derzeit spricht er unpräzise von „Einschnitten“, weiß aber angeblich noch nicht, welche. Ha!

Zusätzlich sind unabsehbare Löcher in den Sozialkassen absehbar, die ebenfalls geschlossen werden müssen – durch höhere Abgaben. Die Deutschen wissen das und legen etwas zurück für die mageren Tage. Aber wie gesagt, all das behalten wir vorerst für uns, wir wollen der Koalition doch ihre Auftritte nicht versauen.

Ein verhagelter Auftritt ist für einen Politiker nämlich so ziemlich das Schlimmste, was ihm passieren kann. Wenn dabei noch herausrutscht, dass der arme Mensch keine Ahnung hat, wovon er redet, artet die Vorstellung in Folter aus.

Da hat Maria Böhmer derzeit allen Grund zum Wehklagen. Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung hat gefordert, es müssten deutlich mehr Migranten in den Öffentlichen Dienst. Schon waberte die Vokabel „Quote“ durch den Debattenraum.
Was jedoch als tolle Idee gedacht war, endete fürchterlich. Ausgerechnet der für Multikulti sonst so aufgeschlossene nord­rhein-westfälische Integrationsminister Armin Laschet beschied seiner CDU-Parteifreundin Ahnungslosigkeit: Nur 13 Prozent der Abiturienten in seinem Land hätten einen Migrationshintergrund, und die wollten „Karriere machen, aber nicht im Amt“. Neuköllns nimmermüder SPD-Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky setzte noch einen drauf: 40 Prozent der Azubis in seinem Bezirksamt hätten schon einen Migrationshintergrund, doch übernehmen werde er wohl keinen – wegen des Berliner Einstellungsstopps. Von dem hatte Frau Böhmer offenbar gar nichts mitbekommen. Das Berliner Rathaus ist ja auch etliche hundert Meter vom Reichstag entfernt. Und woher soll die Fahrbereitschaft der Bundesregierung wissen, wo Neukölln liegt?

Maria Böhmer wird aus dieser Karambolage mit der Wirklichkeit hoffentlich ihre Lehren ziehen und Bezüge zur Realität künftig meiden. Auf Symposien und Kulturfestivals, wo Harmonie Pflicht und Wirklichkeit ein Schimpfwort ist, macht sich eine Integrationsbeauftragte wie sie ohnehin viel besser.
Solche Dialog-Sausen verleihen Glanz, haben keinerlei Folgen (also auch keine peinlichen) und kosten Geld. Und bemisst sich die Bedeutung einer Behörde nicht immer noch an der Höhe des Etats, den sie verschleudert?

Ja, Geld regiert die Welt, und bange Bürger fragen sich bei jedem neuen Gesetz, was das nun wieder kostet. Die Bundestagsopposition meint die Antwort gefunden zu haben auf die Frage, was ein Gesetz kostet: so um die zwei Millionen. Soviel soll Mövenpick-Miteigentümer August von Finck auf die Tische von FDP und CSU geblättert haben, um die Mehrwertsteuer-Ermäßigung für Hotelübernachtungen durchzukriegen.

Die SPD faucht entzückt „Klientelpolitik!“ und würde am liebsten eine richtig flotte Spendenaffäre herbeizaubern. Finck – klingt doch fast wie Flick. War das nicht eine Riesensache damals, Anfang der 80er? Die FDP und die CSU weisen indes jeden Zusammenhang zwischen Spende und Gesetz empört zurück, was die Freude der Sozialdemokraten über ihren Fund aber in keiner Weise mindert. Den Dämpfer besorgte etwas anderes: Blöderweise kam ans Licht, dass die SPD kurz vor der Abwrackprämie Spenden aus der Autoindustrie erhalten hat. Die SPD weist indes jeden Zusammenhang zwischen Spende und Gesetz empört zurück.


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