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06.02.10 / Schmutzige Wäsche – 30 Jahre abgehangen / Canisius-Kolleg muss sich alten Missbrauchsfällen stellen – Boulevardblatt: »Gymnasium des Grauens«

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-10 vom 06. Februar 2010

Schmutzige Wäsche – 30 Jahre abgehangen
Canisius-Kolleg muss sich alten Missbrauchsfällen stellen – Boulevardblatt: »Gymnasium des Grauens«

So viel Aufmerksamkeit hatte eine kirchliche Einrichtung in Berlin lange nicht: Die Berliner Presse überschlägt sich mit Geschichten über das Berliner Canisius-Kolleg. Das vom Jesuitenorden geleitete Gymnasium ist durch einen Missbrauchsvorwurf in Verruf geraten.

Vor allem für die Boulevardpresse ist das eine große Geschichte. Frühere Schüler berichten über nervige Anrufe von Reportern. Dabei geht es nicht immer um saubere Recherche. Ein Boulevardblatt titulierte die Schule gleich nach der ersten Veröffentlichung als „Gymnasium des Grauens“. Für das „Neue Deutschland“ ist die ganze katholische Kirche sowieso ein „Sumpf, der trockengelegt werden muss“.

Die Missbrauchsfälle liegen indes schon 30 Jahre zurück. Was ist genau geschehen? Bislang haben sich 22 Opfer gemeldet. Die Schulleitung rechnet mit weiteren Personen, die hinzukommen könnten. Aus den Berichten der Opfer und einer Art Geständnis eines der beiden beschuldigten Lehrer lässt sich folgende Geschichte rekonstruieren: 1972 kam Pater R. an das Kolleg. Wenig später wurde die ehemals reine Jungenschule in eine gemischte Schule umgewandelt. Jesuitenpater R. arbeitete als Jugendseelsorger und Religionslehrer. Außerdem hatte er eine führende Rolle in der Gemeinschaft Christlichen Lebens (GCL), einem Verein, der der Schule und dem Orden angegliedert war.

Auf der mit Spannung erwarteten Pressekonferenz am Montag fasste Stefan Dartmann, der Leiter des deutschen Jesuitenordens, die Vorwürfe gegen seinen früheren Mitbruder so zusammen: „Es ging um Berührung, Selbstbefriedigung und Begrapschen.“ Ehemalige Schüler berichten, dass in der GCL eine Art Psycho-TÜV durchgeführt worden sei, bei dem Schüler ihre Sexphantasien erzählen und sich dabei auf den Schoß des Leiters setzen sollten.

Der andere Beschuldigte ist der ehemalige Pater S., der 1975 an die Schule kam und dort Deutsch, Religion und Sport unterrichtet hat. Ihm wurden laut Akten des Jesuitenordens exzessive Bestrafungsrituale vorgeworfen. Die Opfer berichten von Schlägen auf den nackten Hintern, aber auch von nacktem, gemeinsamem Duschen. Anders als R. bestreitet S. die Taten nicht. Er hat einen Entschuldigungsbrief an seine früheren Schüler geschrieben, aus dem am Montag im „Spiegel“ zitiert worden ist.

Bislang ist kein Opfer persönlich an die Öffentlichkeit gegangen. Zwei Zeitungen wollen mit einem Ex-Schüler gesprochen haben. So zitiert die „Berliner Morgenpost“ einen 47-Jährigen, der später wegen des Missbrauchstraumas in den Drogenkonsum abgerutscht sein will und jetzt unter einem gestörten Sexualleben leide.

Warum damals niemand über die Taten gesprochen hat, kann nur gemutmaßt werden. Stefan Dartmann zitiert aus einer           E-Mail: „Die Vorfälle mussten damals unentdeckt bleiben, weil einem damals niemand geglaubt hätte.“

Das stimmt so nicht ganz. Jemand muss sich offenbart haben, denn nach einigen Jahren wurden beide Patres vom Canisius-Kolleg entfernt. Ihnen wurde später der Austritt aus dem Orden nahegelegt. S. wurde nach vier Jahren mehrfach versetzt. Er fiel immer wieder durch neue Übergriffe auf und schied 1992 aus dem Orden aus. Seine Misshandlungen hat er selbst auf einer Art Austrittsformular dokumentiert. Das war 1991.

R. blieb bis 1981 am Canisius-Kolleg, wurde dann nach Niedersachsen versetzt. Auch bei ihm gab es später wieder Vorwürfe, er habe ein 14-jähriges Mädchen unsittlich angefasst. 1986 überlebte er den Anschlag eines ehemaligen Canisius-Schülers, der ihn aber nur leicht verletzte. Auch R. schied später aus dem Orden aus.

Vor der Presse entschuldigte sich nach dem Rektor der Schule, Pater Mertes, nun auch Dartmann ein weiteres Mal bei allen Missbrauchsopfern. Er sagte: „Ebenso bitte ich um Entschuldigung für das, was von Verantwortlichen des Ordens damals an notwendigem und genauem Hinschauen und angemessenem Reagieren unterlassen wurde.“ Der Jesuitenorden hat bereits 2007 eine Berliner Rechtsanwältin beauftragt, als Vermittlerin tätig zu werden. Auch Entschädigungszahlungen  werden nicht ausgeschlossen.      H.F.


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