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06.02.10 / Leben eines »Staatsdieners« / Ex-Minister Jörg Schönbohm über sein Leben und seine Überzeugungen

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-10 vom 06. Februar 2010

Leben eines »Staatsdieners«
Ex-Minister Jörg Schönbohm über sein Leben und seine Überzeugungen

Jörg Schönbohm hat über ein ungewöhnliches Leben zu berichten: 1945 Flucht mit Mutter und Geschwistern aus der Heimat in Brandenburg nach Niedersachsen, schwere Anfänge im Westen, Berufsentscheidung für die Bundeswehr und Aufstieg bis zum Dreisternegeneral. Nach 1990 hat Schönbohm die Auflösung der NVA und ihre teilweise Eingliederung in die Bundeswehr zu bewältigen. Schon mit dem Amt des Staatssekretärs im Bundesministerium der Verteidigung hatte der Weg in die Politik begonnen, der dann bis zum Innensenator in Berlin und schließlich zum Innenminister und stellvertretenden Ministerpräsidenten in der Großen Koalition in Brandenburg führte.

Es ist das Leben eines „Staatsdieners“ (um einen außer Kurs geratenen Begriff zu verwenden) in Uniform und Politik, eines Mannes, der viel bewegt hat und der um den Ausgleich zwischen Militär und parlamentarischer Demokratie stets ebenso bemüht war wie um den zwischen Ost und West im schließlich wieder vereinigten Land. Die Beiträge von Eveline Schönbohm ergänzen das Gesamtbild aus der Perspektive der Ehefrau und der Familie überaus lebendig. Bei allem Dienst an Staat und Volk war und ist Schönbohm ein klassischer „Familienmensch“.

Der Autor hat den eigenwilligen Titel seiner Erinnerungen Ernst Jüngers „Marmorklippen“ entnommen: „Wilde Schwermut“. Schönbohms Schwermut gilt dem Rück-blick auf die Schönwetterzeit der alten Bundesrepublik. Und der Untertitel bezieht sich auf Thomas Manns „Betrachtungen eines Unpolitischen“ mit ihrer Klage über „seelische Verödung, Geldherrschaft und Korruption der politicians“, wie es bei Mann hieß. Auch Schönbohm bekennt sich zu den „bürgerlichen“ Tugenden der Leistungsbereitschaft und des Anstands, die den Wiederaufstieg der Bundesrepublik nach der Katastrophe ermöglichten. Eine zutiefst „konservative“ Staats- und Demokratieauffassung kommt für Schönbohm auch im Eid der Bundeswehr zum Ausdruck, „das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen“, Tugenden, ohne die die moderne Demokratie in Anarchie und Bürgerkrieg zerfallen müsste. Davon haben sich die zeitgenössische Spaßgesellschaft und ihre Massen weit entfernt, die von der geschichtlichen Herkunft nur noch wenig wissen und für die Sozialstaat und Wohlstand zu einer Art von Religionsersatz geworden sind.

In seinen politischen Ämtern lernte der Soldat dann auch den parteipolitischen Betrieb kennen, so als in der brandenburgischen CDU persönliches Profilierungsstreben dazu führte, dass die Landespartei sich „selbst versenkte“, wie am letzten Wahlergebnis im Herbst 2009 deutlich wurde.

Wilde Schwermut packte den Innenminister bei der Nachricht, dass eine Mutter zwischen 1988 und 1994 ihre neun Babies getötet und unter Erde „entsorgt“ hatte. Es war dies nicht nur ein schwerster Fall von Kindesmord, sondern auch von Verwahrlosung und Gleichgültigkeit der Umgebung. Als Schönbohm für diese „Proletarisierung“ auch den über 40 Jahre währenden SED-Sozialismus verantwortlich machte, erhob sich bei den Wortführern des linken Zeitgeistes in Ost und West ein Sturm der Entrüstung.

Mit Stolz zitiert der Verfasser die Laudatio zu seinem 70. Geburtstag 2007 von keinem Geringeren als Günter de Bruyn, der zur Orientierung über das Wesen des Konservatismus in unserer Zeit empfahl, sich an den Jubilar als „eine in dieser Hinsicht vorbildliche Persönlichkeit“ zu halten. Es ist zu erwarten, dass von dem Politiker und Soldaten Schönbohm auch weiterhin in Widerspruch und Zustimmung die Rede sein wird. Klaus Hornung

Jörg Schönbohm: „Wilde Schwermut – Erinnerungen eines Unpolitischen“, Landt Verlag, Berlin 2010, 464 Seiten, 29,90 Euro


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