29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
06.02.10 / Moment mal! / Gemäßigte Taliban – gibt es die?

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 05-10 vom 06. Februar 2010

Moment mal!
Gemäßigte Taliban – gibt es die?
von Klaus Rainer Röhl

Letzte Woche diskutierten sie bei Maybrit Illner über den Afghanistan-Krieg: der „Zeit“-Herausgeber Josef Joffe, der neue FDP-Entwicklungsminister Dirk Niebel, der einst bei der Kinderolympiade in meinem Garten noch keine Medaille errang, die Grüne Claudia Roth, der ZDF-Reporter Uli Gack, der lange Jahre in Afghanistan verbracht hat, und mein kluger Danziger Landsmann Rupert Neudeck, der immer auf der Seite der kleinen Leute steht und nie Angst vor großen Leuten hat. Vor allem Neudeck war besonders überzeugend. Aber eigentlich waren alle gut. Doch was lernten wir über Afghanistan? Nichts.

Der Vorhang zu und alle Fragen offen. So deutlich mochte das nicht einmal Neudeck sagen: Der „Strategiewechsel“, mit dem sich Westerwelle so staatsmännisch aufgebrezelt hatte, als wenn er das Rad noch einmal erfunden hätte, ist nichts weiter als das Ende. Der Abzug der Westmächte aus Afghanistan. Sogar mit ziemlich genauem Abzugstermin, zwischen 2012 und 2015. Eine Niederlage, die  als Kompromiss verkauft werden soll, wie einst in Korea, wie in Vietnam. Die USA gewinnen seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs keine Feldzüge mehr. Da der Termin 2015 mit dem Ende der Regierungszeit des ohnehin bei den afghanischen Stammeshäuptlingen unbeliebten und nur durch sehr fragwürdige Wahlen legitimierten Präsidenten Hamid Karsai zusammenfällt, können die Taliban in aller Ruhe auf den endgültigen Abzug der US-Truppen warten. Schon jetzt können sie sich über die von Deutschland versprochenen Waffen und Polizeiausrüstungen freuen und auch noch das von Kanzlerin Angela Merkel und ihrem Außenminister zugesagte Geld kassieren, das an „gemäßigte Taliban-Kämpfer“ ausgezahlt werden soll. Viel ist es nicht, als dass es bei den Rieseneinnahmen, die die Organisation aus dem illegalen Drogenanbau und -verkauf zieht, Eindruck machen würde. (Afghanistan liefert 90 Prozent des weltweit gehandelten Opiums.) Aber das deutsche Geld wird sicher gern genommen. Die arbeitslosen Bauernjungen heuern, wie man hört, ja schon für 80 Euro bei den Taliban an und zeigen dann voll Stolz ihre Kalaschnikow und ihre in China produzierte Panzerfaust vor den Kameras: dazu die entschlossenen Mienen. Nichts auf der Hacke, aber stolz. Das waren die Afghanen immer, schon zur Zeit Alexanders des Großen (in Afghanistan seit 322 vor (!) Christus, und viel hat sich in den Bergdörfern seit damals nicht geändert).

Wer sind eigentlich die Taliban? Sie sind eine politische Vereinigung, die sich auf den Islam beruft, zunächst waren sie nichts weiter als eine unbedeutende Sekte innerhalb Afghanistans und Pakistans, die vom US-Geheimdienst ab 1980 gegen die russischen Besatzer des Berglandes in Stellung gebracht, bezahlt und mit modernen Waffen ausgerüstet wurde. Sie zwangen 80000 bis an die Zähne bewaffnete, aber schlecht motivierte russische Soldaten zum Abzug, übernahmen die Macht und zeigten der Welt, was sie für eine radikal-islamische Republik hielten. Sie sprengten in der Welt einmalige Buddha-Statuen in die Luft und schossen mit Schnellfeuer-Kanonen den Rest weg wie ein Glasröhrchen in der Schießbude auf dem Jahrmarkt. Sie schlossen alle Mädchenschulen und verboten Frauen zu studieren oder zu arbeiten und verbannten die weibliche Hälfte der Bevölkerung in die Burka, ein tragbares Dunkelzelt mit Sehschlitzen. Ihre Sache? Aber sie stellten das von ihnen eroberte  Afghanistan als Schutzraum und Trainingslager für die größte Terrororganisation Al Kaida und ihre Selbstmord-Kommandos zur Verfügung. Sie griffen schon seit ihrer Machtübernahme in Kabul über die Grenze nach Pakistan und damit nach den dort stationierten Atomwaffen.

Nicht die Kulturfeindlichkeit der Taliban oder die unterdrückten Frauen, sondern die Al-Kaida-Anschläge auf New York waren für die Amerikaner Grund genug, Afghanistan militärisch anzugreifen, unter Berufung auf das Recht auf Selbstverteidigung nach Artikel 51 der UN-Charta.

Den Staat Afghanistan militärisch in die Knie zu zwingen war verhältnismäßig leicht. Die Taliban aber wurden nie besiegt. Sie wichen in die unzugänglichen Berglandschaften aus und sickerten vor allem in die Grenzgebiete zu Pakistan ein, wo sie in den letzten Jahren immer erfolgreicher operierten. Von hier aus eroberten sie die Macht in ganz Afghanistan wieder zurück. Gleichzeitig forderten die Massenmedien in den USA und den verbündeten Staaten immer stärker den Abzug aller Truppen aus dem Land am Hindukusch. Die Stimmung in den USA schlug um. In Deutschland befürworteten in einer kürzlich durchgeführten Umfrage 69 Prozent der Bundesbürger den Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan. Von Präsident Obama erwarteten seine Wähler die Beendigung des Krieges am Hindukusch. Die deutschen Soldaten, ursprünglich zum Schutz der Bevölkerung und zum Aufbau des Landes bestimmt, sind nur noch mit der Rettung ihrer eigenen Haut beschäftigt, müssen inzwischen selbst von 6000 US-Soldaten geschützt werden. Schießen oder gar den Gegner angreifen sollen sie nach dem Zwischenfall mit dem Tankwagen bei Kundus am liebsten gar nicht mehr. Wo aber ist der Unterschied zwischen einem Taliban und einem Zivilisten? Taliban-Kämpfer tragen keine Uniform, die Deutschen aber sind leicht zu finden und durch Sprengfallen, Attentate, Selbstmordkommandos oder durch direkten Beschuss anzugreifen.

Was tun, Deutschland? Für die evangelische Landesbischöfin und EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßmann ist die Anwort sehr einfach: abziehen. Es gibt keinen gerechten Krieg, verkündete sie. Zum Krieg gegen Hitler sagte sie, statt Deutschland gewaltsam zu befreien, hätten die Alliierten lieber vorher Strategien entwickeln und „die Opposition in Deutschland stärken sollen“. Donnerwetter. Vielleicht gab es ja tatsächlich gemäßigte Nationalsozialisten? Wenn das so ist? Also her mit den sanften Taliban. Westerwelle hat den Traum fest im Visier. Wie eine Fata Morgana. Doch wir halten uns lieber an seinen – militärischen – Chef.

Was tut Obama? Er tut zunächst einmal gar nicht gemäßigt, sondern beschloss die Stationierung weiterer Truppen in großer Anzahl. Amerikas Hilfsvölker folgen, wenn auch zögernd. Zunächst 850 deutsche Soldaten gehen zusätzlich in das Land am Hindukusch. Unterstützt von den mit 80 Euro pro Bart von Deutschland besänftigten Taliban.

Machen wir uns nichts vor: Der Krieg ist verloren, und die afghanischen Frauen und Mädchen werden die Schulen und Universitäten wieder verlassen und die Burka anziehen. Oder in den Westen flüchten und dort mit Frau Käßmann über gerechte Kriege diskutieren, Plakate basteln und Handzettel verteilen. Und dann werden sie gut integrierte Migrantinnen sein.

Vielleicht hofft Obama auf ein Wunder. Er ist ja gläubig. Gottes Wege sind unergründlich. Eines allerdings noch sehr fernen Tages haben die Taliban ein Einsehen und schließen ein Abkommen mit den USA und laden US-Touristen ins Land, die zusammen mit chinesischen, indischen und russischen Urlaubern das Land friedlich erobern und sich die vielen Berg-Bunker und Unterstände zeigen lassen und den Schlupfwinkel von Bin Laden – so, wie heute die Vietcong-Tunnel in Vietnam besichtigt werden. All inclusive. Gott und Frau Käßmann werden siegen.

Oder aber doch Allah? Dann allerdings – gnade uns Gott.

Mehr in Klaus R. Röhls „Die Verbotene Trauer“ (Neuauflage). Vorwort von Erika Steinbach.

Foto: Hilfsbereite Afghanen oder Unterstützer der Taliban, die die Soldaten in eine Falle locken sollen? Für die Alliierten vor Ort sind Freund und Feind nur schwer zu trennen. Theoretische Debatten in ihrenHeimatländern helfen ihnen im Einsatz wenig. Bild: pa


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren