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13.02.10 / Tote, Traumatisierte und Amputierte / Immer mehr Familien in den USA bekommen die Folgen der Kriegseinsätze hautnah zu spüren

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-10 vom 13. Februar 2010

Tote, Traumatisierte und Amputierte
Immer mehr Familien in den USA bekommen die Folgen der Kriegseinsätze hautnah zu spüren

Die beiden Kriege, die US-Präsident Barack Obama von seinem Vorgänger geerbt hat, beanspruchen den US-Haushalt im Fiskaljahr 2010/11 voraussichtlich mit 722 Milliarden Dollar und tragen somit viel zum Rekord-Staatsdefizit von 1,6 Billionen Dollar bei. Und dennoch sind die schmerzlichsten Opfer dieser Kriege nicht finanzieller Art.

Sie liegen in den menschlichen Tragödien, die sich jede Woche in den Familien der Militärs abspielen, wenn wieder Soldaten in Kämpfen und durch Bombenanschläge ums Leben gekommen oder zu Invaliden geworden sind. Eltern, die ihre Söhne und Töchter verlieren, junge Frauen, die zu Witwen werden, und vor allem zumeist kleine Kinder, die nun keinen Vater mehr haben. Ganz zu schweigen von schwersten Verletzungen wie Amputationen, die das Glück junger Familien für immer beeinträchtigen oder zerstören.

4375 gefallene US-Soldaten hat der Irakkrieg bisher gefordert, davon noch 149 im letzten Jahr und sechs allein im Januar 2010. Der Einsatz in Afghanistan hat bisher 978 Todesopfer gefordert, davon allein 317 im vergangenen Jahr und 31 im Januar. Die meisten starben nicht im Kampf, sondern durch Sprengfallen und Bombenanschläge.

Erschreckend ist auch die Anzahl der Verwundeten in beiden Kriegen: bis Dezember 2009 waren es 32616. Bis September 2006 wurden allein 725 Soldaten Arme oder Beine amputiert. Eine Zahl, die erheblich angestiegen sein dürfte. Im März 2008 erklärte ein Offizieller: „Mindestens 1600 von denen, die wir an die Front geschickt haben, sind mit dem Verlust eines ganzen Arms oder Beins zurückgekehrt.“

Ein besonderes Problem sind auch Kopfverletzungen mit traumatischen Gehirnschäden. Wie die Zeitung „USA Today“ im März vorigen Jahres berichtete, schätzt das Pentagon die Zahl der mit diesen Beschwerden zurückgekehrten Soldaten auf 360000, von denen 45000 bis 90000 sogar bleibende Schäden mit notwendiger Behandlung davongetragen haben.

Psychische Störungen gehören zu den kompliziertesten Folgeerscheinungen des Kriseneinsatzes. Viele junge Soldaten werden mit der unerwartet grausamen Realität des Krieges nicht fertig. Während der Ausbildung daheim werden sie auf Heldentum gedrillt, auf Kameradschaft, Mut, Pflichtbewusstsein, Führung und Verantwortung sowie den Umgang mit hochentwickelter Kriegstechnologie. Eine glänzende Karriere versprechen die Rekrutierungscenter in ihren Broschüren.

In den USA gibt es keine Wehrpflicht wie in Deutschland oder Israel, nach der jeder junge Mann dienen muss. Die US-Armee, bestehend aus 675000 Soldaten (davon 488000 im aktiven Einsatz oder einsatzbereit sowie 189000 Reservisten), ist eine reine Berufsarmee mit Freiwilligen. Also werben die Rekrutierungscenter mit dem gleichen Geschick wie ein Geschäftsunternehmen. Und es klingt in der Tat eindrucksvoll, was jungen Leuten auf der Suche nach einem Beruf versprochen wird: College-Studium in fast jedem Fach mit Lehrgängen und online neben der Militärausbildung, günstige College-Darlehen für später (auf Weiterbildung wird großen Wert gelegt), Krankenversicherung für den Soldaten und seine Familie sowie Zuschüsse zur Lebensversicherung. Kostenlose Unterkunft in hübschen Appartements für Soldaten mit Familie oder mit Kameraden. Freizeiteinrichtungen für Sport, Musik und 30 Tage Urlaub, viele Programme für die Familien. Neben allen Vergünstigungen kommt zum Beispiel ein Offizier auf netto 68149 US-Dollar im Jahr und ein Sergeant mit Familie auf 47278 Dollar. Als Anreiz für den Entschluss, Soldat zu werden, bieten die eifrigen Rekrutierungscenter bis zu 40000 (für Reservisten 20000) Dollar in Cash. Die Höhe richtet sich jedoch wie alles andere nach diversen Beurteilungen, beispielsweise Eignung, Wahl des Jobs im Militär oder Testergebnisse.

Was die verlockenden Angebote jedoch verschweigen, sind die Gefahren für Leib und Leben, die Aussicht, von Einsätzen nicht mehr oder als Krüppel zurückzukehren. Die langen Monate, fern von Frau und Kindern, von Eltern, Freunden und den Annehmlichkeiten des US-Alltags. Erst im Einsatz erfahren viele, dass realer Krieg in einem fernen Land mit anderer Kultur und anderen Menschen und gnadenlosen Feinden mit der täglichen Aussicht, auf Mienen zu treten, erschossen zu werden oder seine Freunde verbluten zu sehen, nicht dasselbe ist wie ein Hollywood-Film – und mehr als viele junge Menschen verkraften können. Besonders, wenn sie geschockt vom monatelangen ersten Einsatz kommen, oft einer Hölle entronnen, und bald darauf wieder hinaus müssen.

Nach einem Bericht der US-Army vom März 2008 gab es im Jahr 2007 121 Selbstmorde unter Soldaten und 2100 Suizidversuche. Viele werden auch nach dem Ausscheiden aus der Armee mit ihrem Leben psychisch nicht mehr fertig. Anstatt in die erwartete glänzende Zukunft zu starten, werden sie obdachlos, kriminell oder gewalttätig und leiden unter Depressionen. Die Scheidungsrate ist trotz aller Familien-Programme deutlich angestiegen. Leidtragende sind vor allem die Kinder.

„Die Entscheidung, zusätzliche 30000 Soldaten nach Afghanistan zu senden, war eine der schwersten meines Lebens“, sagte Präsident Obama in einer Rede vor den Kadetten des Elite-Militär-College Westpoint. Er wusste, wovon er sprach.            Liselotte Millauer

Foto: Daheim: Mit Tränen in den Augen umarmt ein Junge seinen aus dem Irak heimgekehrten Vater.            Bild: laif


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