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13.02.10 / Preußens Glanz und Fall / Schloss Schönhausen ermöglicht einen Rundgang zwischen historischer Glorie und Geschmacklosigkeiten

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-10 vom 13. Februar 2010

Preußens Glanz und Fall
Schloss Schönhausen ermöglicht einen Rundgang zwischen historischer Glorie und Geschmacklosigkeiten

Die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) konnte im Schloss Schönhausen den 10000. Besucher seit  Eröffnung am 19. Dezember 2009 begrüßen. Ein Blick auf die Geschichte des Hauses macht deutlich, was den Gast dort erwartet.

Das wieder geöffnete Schloss Schönhausen in Pankow ist heute der Ort in Berlin, an dem sich Preußens Aufstieg und Fall wie in einer Nussschale erfahren lässt. Elisabeth Christine, Friedrichs II. ungeliebte Gattin, verlebt dort ihre Sommer und schreibt Bücher über die Einsamkeit einer christlichen Königin. Warum das Ehepaar nie zueinander findet, ist eine Frage, über die kluge Köpfe lange nachgedacht haben. Eine wirklich befriedigende Antwort wird man vermutlich darauf nie geben können.

Während der NS-Diktatur wird Schönhausen ein modernes Ausstellungshaus. Die Nationalsozialisten lagern dort wichtige Werke der so genannten entarteten Kunst. Nach dem Untergang Preußens in den Flammen des Zweiten Weltkriegs richtet die Sowjetische Militäradministration hier 1945 eine Schule für Offizierskinder ein. 1949 benötigt man einen repräsentativen Sitz für den ersten Präsidenten der DDR. Wilhelm Pieck zieht in Schönhausen ein. Pieck ist es dann auch, der mit einer Mauer um den inneren Gartenbereich des Schlossparks das Volk der Arbeiter und Bauern auf Distanz hält. Auf seinem Schreibtisch werden die Direktiven und Todesurteile aus der Machtzentrale der SED zu Gesetzen und erhalten den Anschein der Rechtsstaatlichkeit.

1960 stirbt Wilhelm Pieck, und in Schönhausen tagt vier Jahre lang der neu gegründete Staatsrat der DDR. Danach wird das Schloss zum Gästehaus der DDR-Regierung. Zu den temporären Bewohnern gehören Diktatoren wie Ho Chi Minh, Nikita Chruschtschow und Fidel Castro. Letzter Staatsgast der kommunistischen DDR ist am 7. Oktober 1989 übrigens Michail Gorbatschow, der am Untergang der Deutschen Demokratischen Republik bekanntlich nicht ganz unbeteiligt war.

Nach der 1989er Revolution steht in der Präsidialkanzlei, einem Nebengebäude von Schloss Schönhausen, der „Zentrale Runde Tisch“, an dem die neue mitteldeutsche Demokratie erstmals erfolgreich erprobt wird. Am nämlichen Ort finden dann auch die Zwei-plus-Vier-Gespräche über die deutsche Einheit statt, aus denen der Staatsvertrag zwischen der DDR und der Bundesrepublik Deutschland sowie Frankreich, den USA, Großbritannien und der Sowjetunion hervorgeht und der am 12. September 1990 in Moskau unterzeichnet wird.

Wie sich leicht denken lässt, ist der Weg vom preußischen Rokoko bis zu dem, was man in der DDR für den „letzten Schrei“ hält, folgenreich und weit. Aus dem königlichen Interieur einer Elisabeth Christine ist eine Mischung aus Schleiflack und Albtraum geworden. Doch Schönhausen ist nicht nur im Innern gar grauslich anzuschauen. Das alte Haus ist bis auf den Grund marode.

Womit sich die Generaldirektion der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten bei der Übernahme 1990 nicht abfinden will. Nach der Generalrenovierung ist jetzt über den Preußenzauber hinaus auch die Geschichte des Hauses sichtbar geworden. Wie in einem archäologischen Aufriss sind alle Epochen des Hauses entweder freigelegt oder originalgetreu wiederhergestellt worden. Im Erdgeschoss dominiert das Rokoko der preußischen Königin Elisabeth Christine, im zweiten Stock, den man über eine der schönsten Treppen Berlins erreicht, wird das Büro Wilhelm Piecks präsentiert – der über seinen Schreibtisch perfiderweise ein Bildmotiv vom Barmherzigen Samariter gehängt hat, das Ulbricht dann freilich gegen einen „Aufbauölschinken“ austauschte. Selbst das lila gekachelte Staatsgästebad ist in seiner geballten Stiltristesse jetzt wieder zu bewundern.

Überdies haben Generaldirektor Hartmut Dorgerloh und Sammlungsdirektor Samuel Wittwer in Schloss Schönhausen der Sammlung Schlobitten endlich die Heimat gegeben, die ihr zusteht. Die Familie Dohna war mit dem Hause Hohenzollern aufs Engste verbunden. Sie zählt zu den vornehmsten Adelshäusern Europas. Die ersten des Stamms saßen seit dem 15. Jahrhundert in Ostpreußen. „Der Burggraf Albrecht zu Dohna (1621–1677) leistet als kurbrandenburgischer Generalleutnant, Geheimer Rat, Gouverneur der Festung Küstrin und neumärkischer Regierungsrat seinen Dienst für Brandenburg-Preußen. Andere folgen ihm darin nach. Die sich daraus ergebenden verwandtschaftlichen Beziehungen der Dohnas und der brandenburgischen Hohenzollern begünstigen über Generationen die gemeinsame Orientierung in politischen, militärischen, kulturellen sowie in Glaubensfragen“, so der ausgezeichnete Katalog zur Wiedergeburt von Schloss Schönhausen.

In einem Kranz von mehr als einem halben Dutzend anderen Besitzungen in Ostpreußen war Schloss Schlobitten das größte, und eine Perle des Barock. Alexander Fürst zu Dohna (1899–1997) ist dort der letzte Majoratsherr. Seinem Weitblick ist es nicht nur zu danken, dass wertvolle Kunstschätze des Hauses gerettet werden konnten (der ahnungsvolle Fürst verschickte sie schon ab 1943 weit in den Westen Deutschlands), Fürst Alexander ist es auch, der am 22. Januar 1945 mit einem Treck unter seiner Leitung aufbricht und mit zuletzt 330 Menschen, 140 Pferden und 38 Wagen das sichere Weserufer erreicht. Diese Flucht kann in dieser Form nur gelingen, „weil die seit langer Zeit bestehende Ordnung, das Verhältnis von Vorgesetzten zu Untergebenen, alles in allem unangetastet blieb. Das fest eingefahrene Gefüge hielt die Menschen zusammen, dank des Vertrauens zu mir“, wie der Herr des Hauses Dohna in einer im Schloss Schönhausen jetzt zugänglich gemachten Tondokumentation selbst erläutert.

Hier ist – und sogar im Originalton – noch einmal zu hören, was das alte Preußen einst ausgemacht hat. So wie Fürst Dohna könnte Theodor Fontane gesprochen haben, der in seinen Novellen und Romanen, aber auch in seinem Reisejournal „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“, den guten Geist Preußens und das Beste der preußischen Männer und Frauen beschwört. Ein Stück davon ist jetzt im Schloss Schönhausen ebenso zu besichtigen wie die Folgen seines  Absturzes in den Orkus der Geschichte.

Ist aus diesem Absturz zu folgern, dass die Hohenzollern Deutschlands Nemesis waren? Diese Frage wird im wieder glänzend dastehenden Schloss Schönhausen nicht gestellt, und sie gehört wohl auch in ein anderes Kapitel der deutschen Kulturgeschichte. Ein Kapitel allerdings, das – vielfältig und differenziert ausgeleuchtet – gewiss dort seinen Platz einnehmen sollte, wo in einigen Jahren das dann wiedererrichtete Stadtschloss jene Leerstelle schließt, die heute noch mitten im Herzen Berlins auf eine Wunde verweist, die in mehr als nur einer Beziehung immer noch nicht geschlossen ist. Ingo Langner

Foto: Preußens Glanz: Treppenhaus in Schloss Schönhausen     Bilder (2): Hans Bach, SPSG

Foto: DDR-Pracht: Damenbadezimmer für Staatsgäste


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