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13.02.10 / Freund und Feind geholfen / Gemeinsames Erinnern an praktizierte Nächstenliebe der Flensburger im Krieg von 1864

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-10 vom 13. Februar 2010

Freund und Feind geholfen
Gemeinsames Erinnern an praktizierte Nächstenliebe der Flensburger im Krieg von 1864

Alljährlich ziehen am 6. Februar Hunderte Flensburger zu Fuß in den knapp zehn Kilometer entfernten Ort Oeversee. Erinnert wird mit dem Gedenkmarsch an die Hilfe der Flensburger Bürger für die Verwundeten und Gefangenen des für beide Seiten verlustreichen Gefechts vom 6. Februar 1864 während des Deutsch-Dänischen Krieges.

Die Dänen hatten zuvor die Stellungen am Danewerk aufgegeben und zogen sich im Schneesturm und auf spiegelglatten Wegen nach Norden zurück. Nördlich von Oeversee entwickelte sich zwischen der dänischen Nachhut und den mit Preußen verbündeten österreichischen Truppen ein erbitterter nächtlicher Nahkampf, der mit einer dänischen Niederlage endete. Neben vielen Toten blieben 134 Dänen und 326 Österreicher bei eisiger Kälte unversorgt als Verwundete auf dem Gefechtsfeld zurück. Am nächsten Morgen machten sich Flensburger Bürger nach Oeversee auf, um die Versehrten und 542 dänische Gefangene ohne Ansehen der Uniform mit Decken, Verpflegung, Verbandsmaterial und Medikamenten zu versorgen, bis endlich österreichische Sanitäter eintrafen.

Militärisch hatte das „Treffen am Sankelmarker See“ nur nachgeordnete Bedeutung, auch wenn damit der Weg der preußischen Truppen zum kriegsentscheidenden Gefecht bei den Düppeler Schanzen am 18. April geebnet war und der Sieg in Österreich bejubelt wurde. Es setzte jedoch ein Zeichen der Humanität, das bis heute Bestand hat. Die Flensburger gründeten das „Hülfskomitee von 1864“, das zu Spenden aufrief. Der Aufruf war so erfolgreich, dass nicht nur für die Verwundeten gesorgt wurde, sondern von dem Überschuss auch Einzel- und Massengräber angelegt wurden, in denen die Gegner teilweise gemeinsam beigesetzt wurden. Außerdem wurden mehrere Denkmäler errichtet, die von der Härte des Gefechts zeugen.

Aus dem Hülfskomitee ent­wickelte sich bald darauf das „Stammkomitee von 1864“ als Träger des Oeversee-Gedankens, Deutschlands einziger eingetragener Verein mit lediglich fünf Mitgliedern, die auf Lebenszeit berufen werden. Das Stammkomitee veranstaltet seit 1865 den alljährlichen Oeversee-Gedenkmarsch. Dann versammeln sich um 9 Uhr auf dem Flensburger Neumarkt Bürger aller Schichten, Bundeswehrsoldaten, Angehörige des österreichischen Bundesheeres, Mitglieder von Traditionsvereinen und Verbindungsstudenten. Anschließend gehen sie zu Fuß gemeinsam nach Oeversee, um der Gefallenen und der humanitären Tat ihrer Vorfahren zu gedenken. Auf der Strecke wird im Bilschauer Krug eine kurze Rast eingelegt. Dann folgen Kranzniederlegungen, Musikstücke und ein stilles Verweilen am Preußen-, Dänen- und Österreicher-Denkmal.

Die diesjährige Gedenkrede wurde am dänischen Denkmal von Dieter Paul Küssner, dem Vorsitzenden des kulturellen Dachverbandes der dänischen Minderheit in Südschleswig „Sydslesvigsk Forening“, auf Deutsch und Dänisch gehalten. Dabei erinnerte er an das lange Zeit gespannte Verhältnis zwischen Deutschen und Dänen, das mittlerweile einer Freundschaft über die einst trennende Grenze gewichen ist. Anschließend wurde die dänische Nationalhymne gespielt. 140 Jahre lang war eine dänische Beteiligung an der Oeversee-Feier undenkbar. Doch die Versöhnung über den Gräbern hat dazu geführt, dass seit 2004 der Sydslesvigsk Forening Mitveranstalter ist. Daran schloss sich am österreichischen Denkmal das gemeinsame Singen des Schleswig-Holstein-Liedes an. Zum Abschluss versammelten sich die Teilnehmer in Tarp zum Oeversee-Essen, bei dem traditionell österreichischer Tafelspitz, Flensburger Bier und Bommerlunder serviert werden.

Der Oeversee-Marsch ist nicht nur zu einem Symbol für Humanität und Nächstenliebe, sondern auch für die Freundschaft zwischen ehemaligen Kriegsgegnern geworden.    Jan Heitmann

Foto: Ehrenwache der Bundeswehr am Österreicher-Denkmal


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