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13.02.10 / Schatten über der Selbstbestimmung / Vor 90 Jahren übernahmen in Teilen Ost- und Westpreußens die Kriegssieger die Verwaltung

© Preußische Allgemeine Zeitung / Folge 06-10 vom 13. Februar 2010

Schatten über der Selbstbestimmung
Vor 90 Jahren übernahmen in Teilen Ost- und Westpreußens die Kriegssieger die Verwaltung

Gemäß dem Versailler Vertrag sollte in Teilen West- und Ostpreußens die Bevölkerung entscheiden, ob sie beim Deutschen Reich verbleiben oder zu Polen wollte. Um den deutschen Behörden jeden Einfluss zu nehmen, fand der Abstimmungsvorgang unter alliierter Herrschaft statt. Vor 90 Jahren nahmen die entsprechenden Kommissionen ihre Arbeit auf.

Was haben die US-Präsidenten Barack Obama, John F. Kennedy und Franklin D. Roosevelt gemein? Sie haben gegenüber der Öffentlichkeit von einer besseren Welt geschwärmt. Nun mag man dar­über streiten, ob die Ursache hierfür eine im Grunde sympathische Naivität oder eine besondere Form von Verlogenheit ist. Fakt ist, dass es diese Traditionslinie gibt, und in dieser Tradition stand auch Woo­drow Wilson, der US-Präsident während des Ersten Weltkrieges.

Am 8. Januar 1918 schwärmte er vor seinem Kongress von einem gerechten und dauerhaften Verständigungsfrieden auf der Basis des Selbstbestimmungsrechts der Völker. In diesem Zusammenhang stellte Wilson 14 Forderungen auf, die so genannten 14 Punkte. Für die deutsch-polnische Grenze relevant war der Punkt 13. Da heißt es:

„Ein unabhängiger polnischer Staat sollte errichtet werden, der alle Gebiete einzubegreifen hätte, die von unbestritten polnischer Bevölkerung bewohnt sind; diesem Staat sollte ein freier und sicherer Zugang zum Meer geöffnet werden, und seine politische wie wirtschaftliche Unabhängigkeit sollte durch internationale Übereinkommen verbürgt werden.“

Der Kriegsgegner, in concreto das Deutsche Reich, erklärte sich zum Waffenstillstand auf der Basis dieser 14 Punkte bereit. Das Ergebnis waren aber die Pariser Vorortverträge. Die Ungerechtigkeit des Friedens von Versailles und der anderen Vorortverträge lag darin, dass die Sieger für sich in Anspruch nahmen, allein, also ohne die Kriegsverlierer, Wilsons 14 Punkte zu interpretieren und in Vertragsform zu gießen. Die Kriegsverlierer durften dann nur noch unterschreiben. Zu Recht spricht man deshalb ja auch vom Versailler Diktat.

Entsprechend wurde Punkt 13 von Wilsons 14 Punkten in Versailles ausgelegt. Durch die deutsch-polnisch besiedelte Provinz Posen wurde eine neue Staatsgrenze gezogen, die klar diesseits der deutsch-polnischen Volkstumsgrenze lag. Und mit dem in Wilsons Punkt 13 Polen zugestandenen „freien und sicheren Zugang zum Meer“ wurde die Schaffung des sogenannten polnischen Korridors gerechtfertigt, obwohl in diesem Gebiet gar keine Polen lebten, sondern Deutsche sowie Kaschuben mit überwiegend deutscher Identität.

Polens Landhunger war damit aber noch nicht gestillt. Es forderte vom alten Ordensland neben Westpreußen auch Ermland und Masuren. Im Falle Ermlands wurde argumentiert, es sei wie Westpreußen „erst“ durch die Polnischen Teilungen zu Preußen gekommen und die Ermländer hätten mit dem Katholizismus den Glauben der Polen. Im Falle Masurens, das weder katholisch war noch „erst“ in den Polnischen Teilungen zu Preußen gekommen war, wurde anders argumentiert. Die Masuren sprächen mit Masurisch einen polnischen Dialekt und seien durch Germanisierung ihrem Volkstum entfremdete Polen.

Anders als bezüglich des größten Teils von Posen und Westpreußen, aber auch Elsass-Lothringens oder des Hultschiner Ländchens wurde in diesem Falle seitens der Sieger nicht einfach ein Besitzerwechsel beschlossen. Stattdessen sollte im südlichen Ostpreußen wie auch in den zwischen Weichsel und Ostpreußen gelegenen Teilen Westpreußens analog zu Nordschleswig und Oberschlesien eine Form von Volksbefragung durchgeführt werden. Diese sollte unter der Aufsicht der Sieger stattfinden, und die Deutschen ahnten Böses.

Am 7. Mai 1919 wurde Deutschland der Versailler Friedensentwurf einschließlich der Regelung der Volksbefragung in den Artikeln 94 bis 97 vorgelegt. Hierzu gab die Friedensdelegation des Deutschen Reiches am 29. Mai 1919 eine ablehnende Stellungnahme ab (siehe blauer Kasten).

Trotzdem unterzeichneten die deutschen Verlierer unter dem Druck der Sieger am 28. Juni 1919 den Frieden von Versailles. In den Artikeln 94 und 95 geht es um das ostpreußische, in den Artikeln 96 und 97 analog dazu um das westpreußische Abstimmungsgebiet (siehe grüner Kasten).

Am 13. Oktober 1919 und 4. November 1919 gab es relativ gute Nachrichten für die Deutschen. Am 13. Oktober bestimmten die Sieger, dass im südlichen Ostpreußen die Briten und in den westpreußischen Kreisen die Italiener das Kommando über die alliierten Truppen haben sollen. Und am 4. November wurde festgelegt, dass diejenigen Mächte, welche die Kommandogewalt haben, auch an der Spitze der jeweiligen Kommission stehen. Damit dominierten weder im südlichen Ostpreußen noch in den vier westpreußischen Kreisen die parteiischen Franzosen. So war eine wichtige Voraussetzung für eine faire Abstimmung gegeben.

Im Februar 1920 wird es dann ernst. Am 1. Februar zieht sich die Reichswehr aus dem Abstimmungsgebieten zurück. Am 14. beziehungsweise 17. Februar übernehmen die interalliierten Kommissionen in Allenstein beziehungsweise Marienwerder die Verwaltung.

In Allenstein übernimmt der britische Vorsitzende das Ressort Inneres und Eisenbahn, der Franzose die Justiz und der Italiener die Finanzen, das Sozialwesen sowie den Post- und Telegrafendienst. Der Japaner bleibt ohne Ressort.

In Marienwerder regelt der italienische Vorsitzende das Innere, der Franzose die Finanzen, der Japaner die Justiz sowie der Brite Verkehr und Handel.

Die deutschen Beamten dürfen bleiben. Sie werden allerdings zur Loyalität gegenüber den interalliierten Kommissionen verpflichtet, und jeder Kreis bekommt einen alliierten Aufpasser.

Die alliierte Interimsherrschaft hatte begonnen.                     Manuel Ruoff

Foto: Die interalliierte Kommission des ostpreußischen Abstimmungsgebietes (rechts) mit einer deutschen Regierungsdelegation im Sitzungssaal der Regierung in Allenstein: Ganz links mit typisch englischem Schnurrbart der britische Kommissionspräsident Sir Ernest Amelius Rennie. Der Mann mit dem schütteren Haar unter dem Bild Wil­helms II. ist der italienische Marchese Fracassi di Torre Rossano. Die Person mit dem Stehkragen, die so auffallend in eine andere Richtung schaut, ist der Franzose Chevalley. Mit verschränkten Armen und gesenktem Blick der Japaner Marumo.   Bild: Archiv


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